Für Alberschwende ist es vorbei. Das kleine Skigebiet im Bregenzerwald, auf 740 Metern Höhe gelegen, hat in diesem Jahr seine beiden Liftanlagen stillgelegt. Ein Nachfolger für den Betrieb der Anlagen Alberschwende-Brüggelekopf wurde nicht gefunden. Das ist nicht verwunderlich: Jedes Jahr wird es wärmer, auf dieser Höhe ist Skifahren nicht mehr in jedem Winter möglich. Und in immer weniger Wintern wird es künftig möglich sein.

Etwa 60 Kilometer weiter, Lech am Arlberg: im Winter ein mondäner Wintersportort, die englische Königsfamilie fuhr hier Ski, auch der niederländische Adel, bekannte Sportler und Schauspieler tummeln sich auf den Pisten. Ist es vorstellbar, dass das Skivergnügen in Lech irgendwann eingestellt wird?

Die Übernachtungspreise machen den Sommer attraktiv

Lech im Sommer 2023: Petra und Michael Kuhn warten am Rüfiplatz in Lech auf den Wanderbus. Eine ganze Traube an Touristen steht dort an der Haltestelle. Die Sonne brutzelt auf den Platz, auch auf 1500 Höhenmetern ist die Hitze nicht zu leugnen. „Mit der Lech-Card ist es super“, sagt Michael Kuhn. Diese berechtigt die Inhaber, die Wanderbusse und Bergbahnen zu nutzen, für Kinder ist das Ferienprogramm inklusive. An diesem Tag freut sich das Paar auf eine Wanderung am Spuller See, während ihre Kinder sich elternfrei beim Canyoning ausprobieren: für alle ein guter Deal.

Petra und Michael Kuhn machen Urlaub am Arlberg. Ihre Ferienwohnung ist im nicht weit entfernten Stuben, in Lech schätzen sie die ...
Petra und Michael Kuhn machen Urlaub am Arlberg. Ihre Ferienwohnung ist im nicht weit entfernten Stuben, in Lech schätzen sie die Wandermöglichkeiten und die vergünstigte Nutzung von Bus und Bergbahn. | Bild: Wagner, Claudia

Hartmut und Monique Kallenbrunnen stammen aus Straßburg und verbringen neun Tage Urlaub in Schruns, Vorarlberg. „Es ist eine schöne Umgebung und preislich ist der Urlaub auch in Ordnung“, sagen sie. Früher seien sie Skifahrer gewesen, jetzt hätten sie mehr Interesse am Sommerurlaub in den Bergen.

Herbert und Monique Kallenbrunnen wandern gern im Vorarlberg und bleiben deshalb neun Tage lang in Schruns/Tschagguns.
Herbert und Monique Kallenbrunnen wandern gern im Vorarlberg und bleiben deshalb neun Tage lang in Schruns/Tschagguns. | Bild: Wagner, Claudia

Lech und Schruns-Tschagguns sind klassische Skiorte, mit Übernachtungspreisen im Winter, die den Mittelschicht-Skifahrer dazu zwingen, kritisch über seinen Sport nachzudenken. Und im Sommer? Da fällt die Entscheidung für den Bergurlaub aus finanzieller Sicht leichter.

Aber wie sieht die Zukunft dieser Bergorte aus, der eine, Lech, auf 1500, der andere, Schruns-Tschagguns, auf 700 Metern gelegen. Wie lange kann man hier noch Skifahren? Und wie steht es um die Alternativen zum winterlichen Alpintourismus?

Der Arlberg punktet mit Schneesicherheit

Diana Muxel sieht die Problematik. Das Hotel Aurora, das sie mit ihrer Familie in Lech seit vielen Jahren leitet, ist vom ehrwürdigen Schlag. Tritt man ein, fühlt man sich wie in einer Wohnstube, Bücher an der Wand. „Unsere stärkste Zeit ist der Winter“, sagt Muxel, da sei das Hotel so gut wie ausgebucht. Dass sich das Klima verändert und der Schnee weniger wird, weiß Muxel natürlich.

Für sie ist aber klar: Den wesentlichen Umsatz macht ihre Familie mit dem Hotel im Winter, der Sommer ist wirtschaftlich marginal. „Das Ironische ist: Sehr gute Wintersaisons haben wir immer, wenn es überall wenig schneit. Dann punkten wir mit Schneesicherheit.“ Das liegt an der Lage des Wintersportorts: Am Arlberg fällt viel Niederschlag, das war auch schon vor dem Klimawandel so. Nun wird es zur Stärke.

Diana Muxel, Chefin des Hotels Aurora in Lech, ist es wichtig, dass das Hotel seit vielen Jahren im Sommer wie im Winter für Gäste ...
Diana Muxel, Chefin des Hotels Aurora in Lech, ist es wichtig, dass das Hotel seit vielen Jahren im Sommer wie im Winter für Gäste geöffnet hat. | Bild: Wagner, Claudia

Trotz des klaren Bekenntnisses zum Winter ist Muxel überzeugt: „Wir wollen den Sommer unbedingt, darauf legt unsere Familie großen Wert.“ Am wichtigsten sei ihr, dass die Hotelmitarbeiter sich auf ein stabiles Anstellungsverhältnis verlassen könnten, mit Sommer- und Wintersaison.

Viele machen im Sommer dicht

Selbstverständlich ist das nicht, im Teilort Lech-Zürs schließen alle Hotels im Sommer den Betrieb: die Infrastruktur ist nur im Winter im Gang. Muxel hingegen betont, dass das Hotel Aurora seit 1959 noch nie im Sommer geschlossen gehabt habe. Seit zwei Jahren erkenne sie einen Aufwärtstrend bei der Sommersaison.

Bei beiden Aspekten stimmt ihr Aurel Strolz zu. Der 30-Jährige hat das Vier-Sterne-Hotel Austria am Rande des Bergorts von seinem Vater übernommen. Klar ist für ihn: Im Sommer verdient er mit seinem Hotel wenig Geld. „Rote Zahlen schreibe ich aber nicht. Und den Betrieb acht Monate im Jahr zu schließen, ist keine Option.“ Entscheidend sei für ihn, dass sein Personal eine Perspektive habe und durchgehend beschäftigt sei.

Aurel Strolz, Geschäftsführer des Hotels Austria in Lech, kann sich vorstellen, dass sogar in dem bekannten Wintersportort der Sommer ...
Aurel Strolz, Geschäftsführer des Hotels Austria in Lech, kann sich vorstellen, dass sogar in dem bekannten Wintersportort der Sommer einmal zum stärkeren Magneten wird. | Bild: Wagner, Claudia

Jetzt bereits nur noch auf den wetterwendischen Bergsommer zu setzen, traut sich also auch der junge Hotelier nicht, „klar verdiene ich mein Geld im Winter“, sagt er. Doch eins sieht er anders als viele Kollegen. Er wagt es, in die Zukunft zu blicken. Er berichtet von einem Gast aus Mallorca, der in diesem Jahr zum Urlaub nach Lech kam – und von unerträglicher Hitze auf Mallorca berichtete. „‘Es ist so schön grün hier‘: ein trauriger Satz hitzegeschädigter Touristen auf der Suche nach Kühle.“ Aurel Strolz will den Wintertourismus nicht verloren geben – aber er lässt den Gedanken zu, dass er irgendwann verloren sein könnte.

„Es wäre keine Katastrophe und die Skilifte bräuchte man trotzdem noch.“ Allerdings wünscht er sich, dass die Bergbahnen stärker investieren. Die ein oder andere Sommerattraktion könnte Lech noch brauchen, findet er – ob als Sommerrodelbahn oder anderes.

Die Bergbahnen laufen jetzt das ganze Jahr in Schruns

In einem anderen Skigebiet gehen die Gedanken in eine ähnliche Richtung. „Beim Winter sind die Wachstumsjahre vorbei“, sagt Manuel Bitschnau, Leiter von Montafon Tourismus. Ab den 1980er-Jahren habe man Schruns-Tschagguns zum Wintersportort ausgebaut. In den vergangenen 15 Jahren aber werde deutlich, dass der Wintersport Grenzen hat. Im Tal liegt im Winter nicht immer Schnee. Die Übernachtungszahlen stagnieren. „Seit dieser Zeit bauen wir den Sommer konsequent aus“, sagt Bitschnau.

Montafon Tourismus meint es damit ernst und hat dafür Veränderungen vorgenommen. Die Bergbahnen fahren jetzt fast durchgängig, pausieren nur, wenn sie zweimal jährlich in Revision müssen. Bereits Anfang Mai fahren sie wieder für die Wanderer. Bei den Hotels gibt es immer mehr Ganzjahresbetriebe.

Die Strategie lautet: Den Familien etwas bieten, Aufenthaltsqualität schaffen. Seither steigen die Übernachtungszahlen und die Aufenthaltsdauer im Sommer. Auch sonst entwickle sich Erstaunliches: Einzelne Bergbahnen verzeichnen inzwischen Tage im Sommer, an denen sie mehr Gäste als im Winter haben. Die Bergbahn Kristberg beispielsweise habe insgesamt eine stärkere Frequenz im Sommer.

Wissenschaftliche Studien sagen der Arlberg-Region eine Zukunft voraus, die Schnee und Skifahren noch in jedem Fall bis zu 50 Jahre lang möglich machen wird – aber eben nicht mehr jedes Jahr in stabil vorhersagbarer Form. Lech-Zürs und Schruns-Tschagguns haben sich deshalb dem sanfteren Alpentourismus verschrieben. Dazu gehört auch, jedenfalls in Schruns, dass man im Großen und Ganzen auf Gäste aus Übersee verzichtet. Die Anreise der Gäste, die den größten CO2-Abdruck bildet, darf gern mit dem Zug erfolgen – und damit aus Europa.

Der Klimawandel ist auch im Sommer spürbar

Christian und Daniela Schütt sind ein Beispiel für die langfristige Veränderung. Die Familie mit zwei Kindern kommt seit vielen Jahren nach Schruns, um zu wandern. Sie bleiben jeweils zehn Tage, die Kinder bestehen auf ihre Vergnügungen wie Sommerrodelbahn und Rutschenwanderweg am „Erlebnisberg“ Golm.

Und der Winter? Skifahrer sind sie nicht. „Mich würde es reizen, die Landschaft mal im Winter mit Schnee zu sehen“, sagt Christian Schütt. „Aber da rechnet man hier mit einem Vielfachen des Touristenaufkommens und das ist mir zu viel.“ Hütten seien zum Teil sehr auf die Bedürfnisse des Skitourismus ausgerichtet. Aber insgesamt lieben die Schütts den Urlaubsort. Die Veränderung durch den Klimawandel macht sie traurig. „An einem Tag haben wir hier, im Ort Schruns, diesen Sommer 35 Grad Hitze gehabt. Das habe ich hier noch nie erlebt“, sagt Christian Schütt.