Herr Dr. Lampel, wie merkt ein Mann, dass er Prostatakrebs haben könnte? Oder kann man das nur durch die Früherkennung feststellen?

Etwa 23 Prozent aller Männer bekommen in ihrem Leben einen Prostatakrebs. Er ist bei weitem der häufigste Krebs bei Männern. Wenn ein Mann Symptome merkt, ist es in der Regel schon zu spät. Blut im Urin deutet eher auf Blasenkrebs hin. Der Prostatakrebs macht Schwierigkeiten beim Wasserlassen, die normale Prostatavergrößerung aber auch. Das nun von Krebs zu unterscheiden ist ganz schwierig. Knochenschmerzen können ein Symptom sein, weil Prostatakrebs in die Knochen geht. Dann hat er aber schon Metastasen gebildet. So weit sollte es möglichst nicht kommen.

Dann bleibt ja nur noch die Früherkennung, mitsamt der allseits beliebten Untersuchung, der „Hafenrundfahrt“...

Die Tastung ist im Früherkennungsprogramm vorgesehen und ist in erfahrenen Händen auch gut. Man tastet jedoch nicht immer einen echten Knoten, manchmal nur eine leichte Konsistenzveränderung. Und dann ist es schon gut, wenn ein erfahrener Arzt tastet, denn der findet mehr als ein Unerfahrener.

Die Tastung ist aber nur ein kleiner Teil der Früherkennung. Das Früherkennungsmittel Nummer 1 ist der PSA-Test auf das prostata-spezifische Antigen. Man muss den Wert aber im Verlauf über mehrere Jahre betrachten. Ideal wäre es, wenn der Mann mit etwa 45-50 Jahren einen Frühwert abnehmen lässt. Daraus kann man schon mal viel ableiten. Wenn der PSA ganz niedrig und unter 1 ist, kann sich der Mann bis zum 60. Geburtstag zurücklehnen.

Liegt er zwischen 1 und 2 , sollte er ab dem 50. Lebensjahr in zwei- bis dreijährigen Abständen erneut bestimmt werden. Ist der Wert über 2 und nähert sich der 4, sollte der Mann den Wert jährlich kontrollieren. Die einzige Verwechslungsgefahr beim PSA-Wert sind Entzündungen in der Prostata. Die können die Werte ganz schön hochtreiben. Das richtig zu interpretieren ist wichtig, und davon sollte man Ahnung haben. Der PSA-Wert ist nur in Verruf geraten, weil er falsch interpretiert wurde. Wenn man das gut macht, ist es mit der beste Krebsmarker, den wir haben.

Wobei das Interesse der Männer an der Früherkennung aber eher gering ist, wie man sagen muss.

Die Hälfte der Männer kommt zu mir und sagt: Meine Frau hat sich zum Geburtstag gewünscht, dass ich zur Früherkennung gehe. Das ist typisch Mann. Etwa 60 Prozent der Frauen gehen regelmäßig zur Früherkennung, von den Männern aber nur 15 Prozent. Was Gesundheit betrifft, machen Männer die Augen und Ohren zu. Sie haben Angst, da könnte was sein. Die acht bis zehn Jahre, die Frauen länger leben, liegen nicht an ihren besseren Genen, sondern daran, dass Männer weniger gesundheitsbewusst sind, risikofreudiger leben und Verdächtiges nicht abklären lassen.

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Prostatakrebs ist bei Männern ja besonders gefürchtet wegen der Schäden, die durch die Behandlung entstehen können, also Impotenz und Inkontinenz. Was hat sich da in den letzten Jahren verbessert? Muss ein Mann diese Schäden immer noch fürchten?

Leider ja. Die Prostata liegt genau im Einfahrtsbereich der Potenznerven und des Schließmuskels. Die Erfahrung des Operateurs ist ganz entscheidend für das Endergebnis. Aber vor allem durch die Einführung des Da-Vinci-Roboters kann man heute so schonend operieren, dass Potenz und Kontinenz in hohem Maß erhalten bleiben.

Ganz wichtig ist aber: Je früher der Krebs festgestellt wird, desto eher kann man die Potenz erhalten. Bei einem fortgeschrittenen Krebs darf man den Nerv nicht einmal belassen. Der Tumor wächst nämlich als erstes entlang dieser Nerven nach außen. Die Kontinenz lässt sich aber immer retten. Mit dem Roboter kann man da so präzise arbeiten, die kommt nach einem Beckenbodengymnastik fast immer zurück. Der Da-Vinci-Roboter sorgt dafür, dass wir während der OP im Schnellschnitt der Prostata feststellen können, ob wir alles sauber entfernt haben, und oft können wir dann die Potenz erhalten. Wenn der Krebs zu spät erkannt wird, muss der Potenznerv beidseitig oder mindestens einseitig eben leider oft entfernt werden.

Die Prostata liegt am tiefsten Punkt des Kleinen Beckens und das ist ja auch der Grund, dass die Urologen sich des Roboters bemächtigt haben, weil der da wunderbar arbeiten kann. Da minimalinvasiv ohne Roboterunterstützung zu arbeiten, ist echt schwer und die Ergebnisse sind schlechter.

Welche Möglichkeiten der Bildgebung gibt es denn zu Beginn? Kann man die Tumoren im Ultraschall sehen?

Nein, leider nicht. Der Ultraschall erkennt zu wenig. Wir haben aber etwas Neues, das multiparametrische MRT. Das findet sehr gut genau diese aggressiven Tumoren, die dem Mann gefährlich werden. Damit kann man auch gut die Punkte für die Probenentnahme markieren, das geht dann computergestützt unter Ultraschallkontrolle. Das MRT stellt auch genau die Tumoren nicht da, die nie zum Problem geworden wären, die man belassen kann. Leider ist der Prostatakrebs trotz allem die dritthäufigste Todesursache beim Mann. Deshalb ist es so wichtig, aggressive Tumoren zu finden und zu behandeln. Das MRT ist für uns eine geniale Erweiterung.

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Was können Männer zur Prävention tun?

Es gibt keine eindeutige Studienlage. Aber es gibt Hinweise darauf, dass Tomaten, egal ob als Tomatensoße oder roh gegessen, schützend wirken. Grünes Gemüse ist ebenfalls gut. Diskutiert wird auch über Rotwein, und zwar nur Rotwein, weil in den Traubenschalen schützende Stoffe enthalten sind. Phytoöstrogene und Soja sollen präventiv wirken und Sägepalmöl. Auch noch Grüner Tee. Man kann das alles schlecht messen, man kann es nur empfehlen. Rotes Fleisch sollte man möglichst wenig verzehren.

Prostatakrebs wird doch auch durch Hormone angeregt, nicht wahr?

Ja, das ist so. Männer, die kein Testosteron bilden, entwickeln keine Prostatakarzinome. Das Testosteron steuert die Betriebsamkeit der Prostata. Wenn da viel Sekret produziert wird, ist das einer der möglichen Auslöser. Deshalb behandelt man die Tumoren ja auch durch Testosteron-Entzug.

Was ist mit der These, dass Männer regelmäßig Sex haben sollten, damit das Sekret nicht so lange in der Prostata verbleibt?

Offiziell gibt es da wenig dazu. Aber es ist erwiesen, dass chronische Entzündungen der Prostata Krebs induzieren können. Und das haben relativ viele Männer. Bei denen empfiehlt man tatsächlich die häufige Entleerung der Prostata durch Masturbation oder Sex, um diese entzündlichen Sekrete zu entfernen. Ob das bei gesunden Männern auch präventiv wirkt, wissen wir nicht.

Was gibt es Neues bei den Medikamenten? Oder haben Sie ein Arsenal, mit dem Sie allen Patienten gut helfen können?

Der Hormonentzug durch Androgen-Blocker steht immer an erster Stelle. Was relativ neu ist, sind Androgen-Blocker, die innerhalb der Zelle wirken. Krebszellen können nämlich zum Teil in der Zelle ihr eigenes Testosteron bilden. Wenn wir mit den herkömmlichen Hormonblockern nicht weiterkommen, sind das die Mittel der Wahl. Diese Mittel blockieren die Hormonproduktion innerhalb der Zelle.

Die Immuntherapie wird bei Prostatakrebs getestet und kommt zunehmend in Studien zum Zuge. Sie sind aber noch nicht in den Leitlinien verankert und noch nicht in der breiten Anwendung.

Zur Person

Prof. Dr. med. Alexander Lampel, Jahrgang 1957, ist seit dem Jahr 2000 Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen. Er stammt aus Marburg/Lahn und studierte Medizin an der Universität des Saarlandes.