Kerstin Viering

Irgendwie wirkt die Frau ein bisschen unheimlich: langer, schwarzer Mantel, Kapuze, Ski-Maske über dem Gesicht. Kein Wunder, dass die meisten Hunde diese Situation als leicht bedrohlich empfinden. Dabei ist die Sache in Wirklichkeit vollkommen harmlos. Es handelt sich nur um einen Stress-Test, mit dem ein Forscherteam der Universität Wien das Verhalten von Hunden und ihren Haltern untersucht.

Iris Schöberl und ihre Kollegen würden gern besser verstehen, wie die Beziehungen zwischen Zwei- und Vierbeinern funktionieren. „Hunde spielen in der Gesellschaft schließlich eine ganz wichtige Rolle“, sagt die Forscherin. Doch nicht immer funktioniert das Zusammenleben reibungslos. Mal bilden Hund und Halter ein souveränes Gespann, das auch schwierige Situationen einigermaßen entspannt meistert. In anderen Fällen aber herrscht an beiden Enden der Leine der pure Stress. „Da fragt man sich natürlich, wie diese Unterschiede zustande kommen“, sagt Iris Schöberl. Liegt es an der Persönlichkeit der Beteiligten? An der Art der Bindung zwischen beiden? Oder woran sonst?

Ein psychologisches Experiment gibt Aufschluss über Stressverhalten

Um das herauszufinden, hat das Wiener Forscherteam 132 Familienhunde und ihre Bezugspersonen getestet. Zunächst galt es dabei, die Versuchsteilnehmer kennenzulernen. Jeder Halter füllte dazu mehrere Fragebögen aus, mit deren Hilfe sich seine eigene Persönlichkeit, die seines Hundes und die Beziehung zwischen beiden einschätzen ließ.

„Die Art der Bindung kann man auch mit einem psychologischen Experiment untersuchen“, sagt die Forscherin. „Das funktioniert bei Hunden ganz ähnlich wie bei Kleinkindern.“ Mensch und Tier betreten dabei zunächst gemeinsam einen unbekannten Raum. Nach drei Minuten kommt dann ein Fremder dazu, der Besitzer verschwindet daraufhin für drei Minuten und kehrt dann wieder zurück. Interessant ist dabei, wie der Hund auf dieses Wechselspiel reagiert. „Für Hunde mit einer sicheren Bindung dient der Halter als verlässliche Basis und sozialer Unterstützer“, erklärt Iris Schöberl. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sie in dessen Beisein mehr spielen als sonst.

Die Forscher wollten nun wissen, wie unterschiedlich „tickende“ Hunde und Halter mit Stress umgehen. Also haben sie beobachtet, wie sich jedes Duo in verschiedenen Situationen verhielt. Mal stand dabei zum Beispiel reines Spielen auf dem Programm, mal galt es, gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen. So sollte die jeweilige Bezugsperson ihren Hund über eine Maschendraht-Brücke auf eine wackelnde Plattform führen. Und dann war da noch die Sache mit der bedrohlichen Skimasken-Trägerin, der das angeleinte Tier mal allein und mal zusammen mit seinem Besitzer gegenüberstand.

Vor und nach diesen Tests haben die Forscher von Mensch und Tier eine Speichelprobe genommen und darin die Konzentration des Stresshormons Kortisol gemessen. Je höher diese ausfiel, umso stärker stand der jeweilige Versuchsteilnehmer unter Druck. Doch das ist noch nicht die einzige interessante Information, die man aus den Kortisol-Werten herauslesen kann. „Je stärker diese schwanken, umso besser scheint der Hund oder Halter mit Stress umgehen zu können“, erklärt Iris Schöberl. Ein effektives Stressmanagement bedeutet schließlich, dass der Körper bei Bedarf rasch die entsprechenden Hormone ausschüttet. Sobald sich die Lage wieder entspannt, reguliert er den Pegel dann aber auch wieder herunter.

Hund verlässt sich auf Halter und baut Vertrauen auf

Wie gut die Stressbewältigung bei jedem Einzelnen funktioniert, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Ein Teil der Unterschiede ist genetisch bedingt, ein weiterer kommt durch den Einfluss der Mutter während der Schwangerschaft zustande. Wichtig sind aber auch die Erfahrungen, die ein Mensch oder Tier im Laufe seines Lebens gemacht hat. Und da kommen bei Hunden vor allem die Besitzer ins Spiel. „Ein sicher gebundener Hund hat gelernt, dass er sich auf seinen Halter verlassen und von ihm Unterstützung erwarten kann“, erläutert Iris Schöberl.

Neben der Art der Bindung spielte aber auch die Persönlichkeit der zweibeinigen Versuchsteilnehmer eine wichtige Rolle. Die stressresistentesten Hunde gehörten optimistischen Haltern, die offen für neue Situationen und Bekanntschaften waren. Oft kamen diese Leute auch mit anderen Menschen gut zurecht und betrachteten diese eher als mögliche Kooperationspartner statt als Konkurrenten. Haben solche Persönlichkeiten vielleicht selbst ein besonders gut funktionierendes Stressmanagement und übertragen das dann auf ihren Hund? Iris Schöberl hält das durchaus für möglich: „Hunde können sehr gut erkennen, wie Menschen drauf sind“, sagt die Forscherin.

Schon gewusst?

Hund und Halter ähneln sich, heißt es immer wieder. Aber stimmt das wirklich? Psychologen stimmen zu. Allerdings nähert sich das Gespann nicht optisch an, wie viele glauben. Denn offenbar entscheiden sich Menschen schon beim Kauf für Tiere, die ihnen ähneln. Gleich und gleich gesellt sich eben einfach gerne. (sue)
 

Wie der Körper auf Stress reagiert

  • Stresshormone schütten Menschen und Tiere aus, wenn sie in herausfordernde Situationen geraten. Das können zum Beispiel körperliche Anstrengungen sein, aber auch psychische Belastungen oder Bedrohungen. Der biologische Zweck dieser Botenstoffe ist klar: Sie ermöglichen es dem Körper, angemessen zu reagieren. Wenn zum Beispiel eine Gefahr droht, sollte man sich so schnell wie möglich zwischen Kampf und Flucht entscheiden. Beides aber kostet viel Energie, sodass der Organismus an ein paar körpereigenen Stellschrauben drehen muss.
  • Adrenalin ist wohl das bekannteste aller Stresshormone. Es wird im Mark der Nebenniere gebildet und löst eine ganze Reihe von Effekten im Körper aus. So steigert es die Herzfrequenz, erhöht den Blutdruck und erweitert die Atemwege. Zudem kurbelt es den Fettabbau und die Freisetzung von Traubenzucker an und stellt so rasch Energie zur Verfügung. Auch das verwandte Noradrenalin, das ebenfalls in der Nebenniere produziert wird, regt das Herz-Kreislauf-System an. Es verengt die kleinen Arterien im Körper und lässt so den Blutdruck steigen.
  • Kortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet. Seine Wirkungen entfalten sich langsamer als die von Adrenalin und Noradrenalin. Seine Aufgabe besteht darin, dem Körper durch verschiedene Stoffwechselprozesse energiereiche Verbindungen zur Verfügung zu stellen. So fördert es die Neubildung von Traubenzucker in der Leber und wirkt sowohl auf den Fett- als auch auf den Proteinstoffwechsel. Zudem dämpft es das Immunsystem, sodass es in der Medizin gegen überschießende Immunreaktionen und Entzündungen eingesetzt wird. (vie)