Paula Landes

Smartphones sind zu unseren ständigen Begleitern geworden: der erste Griff am Morgen schaltet den Smartphone Wecker aus, es folgt die Internet-Toilette – schnell E-Mails, WhatsApp, Facebook und die neuesten Nachrichten checken. Hier verwischen auch die Grenzen zwischen privatem und beruflichem schnell: Schon beim Aufstehen sind wir am virtuellen Schreibtisch. Abends vor dem Schlafengehen ist die letzte Handlung das Handy an die Steckdose anzuschließen, noch ein letztes Mal die wichtigsten Social Media Dienste zu checken und schließlich neben dem Handy einzuschlafen. Wir sind immer online. Die Folgen dieser digitalen Permanenz für Gesundheit, Gesellschaft und Privatleben sind vielfältig.

Laut einer Untersuchung von Alexander Markowetz, Juniorprofessor für Informatik an der Universität Bonn, schalten die Deutschen ihr Handy 88 Mal am Tag ein und entsperren es durchschnittlich 53 Mal am Tag. Zieht man die Schlafenszeit ab, sind das etwa alle 18 Minuten eine aktive Nutzung – bei den 17-25-jährigen sind es sogar durchschnittlich 100 Entsperrungen am Tag und etwa drei Stunden tägliche Nutzung. Markowetz beschreibt die digitale Dauerbereitschaft als „psychosoziales Beben" und "kollektive Verhaltensstörung“. Zeichen des digitalen Burnouts sind – wie beim normalen Burnout auch – geistige Erschöpfung, Mattigkeit, eine verlangsamte Produktivität und schließlich ein Verlust des Lebensglücks. Der Homo Digitalis macht keine Pausen mehr – er ist immer online und multitaskend unterweges und kriegt doch nichts erledigt. Der Blick ist ständig am einen oder anderen Bildschirm. Die Umgebung ist zweitrangig. Wichtig ist nur wenn online etwas passiert.

Diese Sucht gesteht sich keiner gerne ein. Sondern man redet sich ein, "nur mal kurz nachzuschauen". Und das etwa 53 Mal am Tag. Hier greift ein psychologischer Impuls der ähnlich ist, wie bei Spielsüchtigen, die stundenlang den Einarmigen Banditen füttern. Es kommt nicht jedes Mal etwas raus, wenn man eine Münze einwirft – aber manchmal! Das treibt Menschen dazu, sich an diese Automaten zu setzen. Das Gehirn belohnt nämlich schon die Erwartungsanspannung mit der Ausschüttung von Dopamin, einem Glückshormon. Bei jedem Griff zu unserem Smartphone baut sich auch eine Erwartung auf – habe ich eine Nachricht? Hat jemand meinen Post geliked? Wurde mein Snap beantwortet? Allein schon die Hoffnung auf eine Interaktion aktiviert im Gehirn die Ausschüttung des Glückshormons – und davon kann der Mensch nicht genug bekommen.

Uralte Triebe sind im Spiel

Doch warum bedeuten die Nachrichten auf dem Smartphone so viel, dass andere Tätigkeiten unterbrochen werden? E-Mails und Nachrichten auf Social-Media-Plattformen appellieren an mehrere Grundinstinkte. Kommt eine Nachricht an, fühlt man sich als Teil einer großen Gruppe. Der Inhalt der Nachricht liefert Informationen und der Jagdinstinkt wird geweckt. Liest man die Nachricht nicht, so der Gedanke, könnte man im Nachteil gegenüber anderen sein, die mehr Wissen haben als wir. Schließlich bedeutet das Lesen der Nachricht und die Tätigkeit des Antwortens eine wichtige Aufgabe: man ist Herr seines Postfachs, man hält Ordnung und hat den Überblick über alles, was passiert. Diese Kombination aus Stammeszugehörigkeit, Jagdtrieb und Sinnhaftigkeit gab es schon mit E-Mails, die in die Arbeit am PC hereinflattern. Mit dem Smartphone und der riesigen Anzahl an Kommunikationskanälen hat sich der Anreiz enorm vergrößert.

Jede Nachricht ist also eine Belohnung. Man spricht auch von "Instant Gratification". Denn wie oft erhält man sonst ein Lob? Wie oft sagt jemand, man sähe gut aus, sage schlaue Dinge oder habe ein gutes Auge für Details? User auf Facebook oder Instagram bekommen Likes und Herzchen für ein Frühstück-Foto, einen Dauerlauf oder den Sonnenuntergang vor dem Fenster. Auch diese Belohnungen können süchtig machen. Dabei geraten tatsächliche Aufgaben außer Sicht. Man ist bei der Arbeit abgelenkt, scrollt durch Timelines oder googelt schnell mal was. Das Phänomen der Prokrastination (das häufige Unterbrechen der Arbeit) ist nicht neu. Aber durch das Smartphone wird man noch leichter und schneller abgelenkt.

Bild 1: Warum das Smartphone zur Sucht werden kann


Das dramatische ist dabei, dass man etwa 15 Minuten braucht, um bei einer Tätigkeit in einen Flow zu kommen, eine tiefe Konzentrationsphase in der man tatsächlich bei der Sache ist. Schaut man aber alle 18 Minuten auf sein Smartphone, hat man gerade mal drei Minuten Konzentration. Danach muss man wieder von vorne anfangen. Durch diese fragmentierte Arbeitsweise kommt man nicht voran. Dabei müsste man durch die Möglichkeiten der digitalen Revolution viel produktiver sein. Doch die viel beschworene Wissensgesellschaft, in der immer mehr Arbeiten durch Computerprogramme und Roboter übernommen werden, leidet an Zerstreuung und Ablenkung: Smartphones, E-Mails und die Weiten des Internets locken die User. Man wird unterhalten, ist aber nicht zufrieden.

 

Ausweg: Die Digitale Diät

Wie massiv der Einzelne vom digitalen Burnout betroffen ist, muss jeder selbst herausfinden. Dabei gibt es Helfer. Apps etwa können die Smartphone Nutzung aufzeichnen. Es gibt Wege, den Konsum herunterzufahren. Eine digitale Diät gestaltet sich jedoch bei jedem anders. Der Kauf eines Weckers oder einer Armbanduhr kann den Griff zum Smartphone bremsen. Bei Schwimmen oder Yoga ist die Nutzung eines Smartphones kaum möglich, und gleichzeitig kommt der Geist dabei zur Ruhe. Es gibt viele kleine Schritte: man kann das Handy in der Freizeit einfach zuhause lassen oder zumindest W-Lan abstellen.

Multitasking ist im Grunde ein leerer Wunsch. Denn jeder Frontallappen des Gehirns kann nur eine Aufgabe bewältigen – für mehr hat unser Gehirn nicht die Kapazität. Im Gegensatz zu Computern kann der Mensch keinen externen Speicher installieren. Um dem digitalen Burnout entgegenzuwirken, muss man sein Verhalten ändern. Sonst sind die biologischen Akkus so schnell leer wie bei einem Smartphone im Dauerbetrieb.

Buchtipp: Alexander Markowetz, Digitaler Burnout, Verlag Droemer, 224 Seiten, 19,99 Euro.

 

 

Facebook steht aktuell wieder im Blickpunkt.
Facebook steht aktuell wieder im Blickpunkt. | Bild: Armin Weigel (dpa)

Smileys sind kein echtes Lachen: Wie wichtig handyfreie Zeit ist

Der Kaffeeklatsch oder Treffen mit Freunden sind seltener geworden: Das geht aus dem aktuellen Freizeit-Monitor vor, der von der Stiftung vorgestellt wurde. Stattdessen stehen

Beschneidet das Smartphone damit reale Kontakte? Und wie fühlt man sich in seiner Freizeit weniger gehetzt? Der Coach und Paartherapeut Dominik Borde (Wien) gibt darauf Antworten.

Viele haben Angst, in ihrer Freizeit etwas zu verpassen: Auch bei Verabredungen liegt das Smartphone häufig auf dem Tisch und unterbricht Gespräche. Was kann man dagegen machen?
Wenn man spürt, dass man gestresst ist, weil ständig neue Nachrichten und Meldungen auf einen niederprasseln, sollte man das Handy abschalten – oder zumindest die Benachrichtigungstöne abstellen. Es geht nicht darum, das Smartphone zu verbannen, aber es sollte auch nicht unsere Beziehungen oder sogar unser Leben bestimmen. In manchen Situationen ist es außerdem schlicht und ergreifend unhöflich, wenn das Smartphone piepst. Etwa wenn man im Kino eine wichtige Stelle verpasst oder bei einem Candlelight-Dinner von einer WhatsApp-Nachricht unterbrochen wird. Aber auch wenn man im Urlaub ist oder gemeinsam mit dem Partner Zeit zu zweit verbringt, hat das Handy in diesem Moment nichts verloren. Am besten nimmt man es und schaltet es bewusst aus. So signalisiert man dem anderen: "Du bist mir jetzt gerade am wichtigsten!" Meist wird das Gegenüber umgehend nachziehen. Und wenn es nicht so ist: Handyfreie Zeit kann und sollte man einfordern.

Was ist der Unterschied zwischen realen Treffen mit Freunden und einem Austausch über Chats und Messenger? Muss Letzteres schlecht sein oder kann es eine Freundschaft auch vertiefen?
Selbstverständlich sind SMS und Mails ein wertvolles Instrument, um mit Freunden zu kommunizieren. Man überwindet spielend leicht Entfernungen. Und man kann rasch und unkompliziert Gruppen organisieren. Das große Aber ist die reine Schriftlichkeit: Es fehlt ein großer Teil – die Stimme, die Körpersprache und die Mimik. Nur mit allen Sinnen können wir die leisen Zwischentöne der Kommunikation wie Sarkasmus, Witze oder auch Gefühle richtig deuten. WhatsApp hat zwar Bilder und Emojis, aber kein Smiley löst dasselbe in uns aus wie ein echtes Lachen. Menschen brauchen echte Gespräche und echte Gefühle, um eine Freundschaft zu spüren.

Wenn ich merke, ich ziehe das Smartphone einem Treffen mit realen Menschen vor: Wie komme ich dagegen an?
Die virtuelle Welt kann süchtig machen. Wer sich ohne sein Smartphone gestresst oder nur halb fühlt, wer reale Treffen absagt, um online zu chatten, der hat schon mehr als einen Schritt in Richtung Sucht getan. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie viel Zeit sie mit ihrem Smartphone verbringen. Da kann ein Protokoll helfen, in dem man dokumentiert, wie oft man an einem Tag das Smartphone in die Hand nimmt. Und als nächster Schritt: bewusst abschalten. Außerdem sollte man sich angewöhnen, E-Mails nur zu bestimmten Zeiten zu checken und Zeiten einzuplanen, in denen man nicht erreichbar ist. Alle Apps, die man nie verwendet, löscht man besser. Und was einen zwischendurch mit Nachrichten und Meldungen bombardiert, gehört ebenfalls abgeschaltet.

Fragen: Julia Kirchner, dpa