Nahe der Landeshauptstadt Stuttgart beobachtet Christian Zörb die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau. Zörb ist Professor am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim.

Jürgen Gugelmeier (l), Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Winzerkeller Auggener Schäf, und Andreas Philipp, Kellermeister ...
Jürgen Gugelmeier (l), Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Winzerkeller Auggener Schäf, und Andreas Philipp, Kellermeister der Winzergenossenschaft, inspizieren Reben in einem Weinberg. Die Winzer im Südwesten rechnen 2021 mit weniger Ernte, Sorge macht Ihnen nach Verbandsangaben unter anderem der Pilzbefall. Regional werden Ernteausfälle von bis zu 40 Prozent erwartet. | Bild: Philipp von Ditfurth

Im Weingut der Universität mit eigenem Weinberg, eigener Kelterei und Kellerei wachsen alle 250 gängigen Rebsorten, die in Mitteleuropa beheimatet sind. Der Großversuch zum Einfluss des Klimawandels auf das Wachstum diverser Reben erstreckt sich mittlerweile über zehn Jahre, so dass bereits ein umfassendes Wissen vorliegt.

„Im vergangenen Jahr hatten wir klimabedingt schon im April ein sehr frühes Austreiben. Das heißt: Die Reben blühten dann schon sehr früh.“ Im Mai setzte aber der Frost ein und zur ‚Kalten Sophie‘ wurden alle Blüten „weggerafft“.

Letztlich wurde im unteren und mittleren Bereich des leicht abschüssigen Hohenheimer Weinbergs nichts geerntet, lediglich im oberen Teil. Zörb schätzt, dass ähnliche Schwankungen früher schon alle 20 Jahre einmal vorkamen, so sei es zumindest überliefert. Doch in den letzten Jahren trete dieses Phänomen gehäuft auf.

Bewässerung als Ausgleich

Neben dem früheren Austreiben ist auch die zunehmende Trockenheit ein Problem. „Deshalb bauen ja die Winzer besonders in Steillagen, die neu angelegt werden, Bewässerungsanlagen ein,“ so Zörb.

Nach den Beobachtungen des Wissenschaftlers reagieren die Rebsorten unterschiedlich auf die Klimaveränderungen. „Manche Sorten werden früher reif“, sagt Zörb. Das mache sich dann auch letztlich beim Aroma bemerkbar. Denn für Winzer gilt die Regel: Je später die Lese, umso besser das Aroma.

Startete die Weinlese früher Ende September oder Anfang Oktober, so sei sie inzwischen auch schon Angang September oder gar Ende August. „Das wollen wir bei den Neuzüchtungen vermeiden.“ So müsse auch schon an heißen Tagen geerntet werden, so dass der Wein bereits in der Presse anfängt zu gären.

Christian Zörb, Professor an der Universität Hohenheim.
Christian Zörb, Professor an der Universität Hohenheim. | Bild: Uni Hohenheim

Eine weitere Maßnahme, um den Weinbau dem Klimawandel anzupassen, ist eine weinbauliche Komponente. So laufen Versuche, bei den Laubwänden einige Blätter wegzunehmen, so dass die Reife verzögert wird. „Je weniger Blätter, umso eher verzögert sich der Reifeprozess,“ sagt Zörb.

Weinbau in Norwegen ist möglich

Grundsätzlich kämpfen alle Winzer mit dem gleichen Problem, sagt der Professor. Wobei für die Frage der Ernte schon wenige Meter ausreichen können. „Bei uns am Weinberg waren es auch nur wenige Höhenmeter, die den Unterschied ausmachten.“

Die Nachricht, dass inzwischen auch Wein im eher kühlen Norwegen angebaut wird, lässt den Weinbau-Experten etwas schmunzeln. „Man hat vor 200 Jahren auch in Göttingen und Hannover Wein angebaut. Das hatte nur eine geringe Qualität.“ Es habe schon seine Gründe, dass man den Weinbau auf den Südwesten ausgerichtet hat.

Dass der Weinbau in der Region auch weiterhin eine Zukunft hat, beantwortet er trotz des Klimawandels mit einem klaren „Ja, natürlich“, und schränkt ein: Wenn auch unter angepassten Anbaubedingungen und möglicherweise auch mit angepassten Rebsorten.

Sorge vor Klimaschwankungen

Nach drei trockenen Jahren macht den Winzern in diesem Jahr die große Feuchtigkeit zu schaffen. Die Sorge, dass die Ausschläge in die eine wie die andere Richtung zunehmend extrem werden, teilen sie auch mit den Wissenschaftlern. „Inzwischen ist der pH-Wert wichtiger als der Oechsle-Grad“, sagt Janine Brüssel.

Die Oechsle-Grade zeigen das Mostgewicht des Zuckergehalts und anderer gelöster Stoffe im Traubensaft an. Am pH-Wert für den Säuregrad kann man erkennen, ob ein Wein sauer schmeckt. Bei pH-Werten über 3,3 gebe es zu wenig Säure für frische Weine, sagt die Winzerin.

Reinhard Töpfer erforscht am Institut für Rebenzüchtung, wie neue Rebsorten besser mit den Bedingungen der globalen Erwärmung zurechtkommen können. An der Einrichtung des Julius-Kühn-Instituts (JKI), des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen, haben Züchter 15.000 Sämlinge von Reben mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung im Blick.

Unter denen, die sich als pilzwiderstandsfähig auszeichnen, sind inzwischen noch zwei Sorten, die jetzt intensiv erforscht werden. „Was wir als großes Damokles-Schwert sehen, ist die Ausbreitung neuer Schaderreger“, sagt Töpfer. So sei die von einer Rebzikade übertragene Goldgelbe Vergilbung (Flavescence dorée) auf dem Weg von Süd nach Nord. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann diese Krankheit auch in deutschen Anbaugebieten angekommen sei.