Jens Spahn will nicht, dass Millionen von Moderna-Chargen verfallen und als Sondermüll entsorgt werden müssen. Nicht alle Bürger, die eine erste, zweite oder dritte Spritze haben wollen, werden das Serum von Biontech bekommen können, das bislang mit Abstand der beliebteste Impfstoff ist.

Skeptiker des Spahn-Vorschlags unter den niedergelassenen Ärzten befürchten, dass Sie Termine umbuchen müssen und mehr Zeit benötigen, um verunsicherten Patienten zu erklären, dass Moderna ein gleich guter Impfstoff ist. Spahn bedauerte hinterher, dass er Verunsicherung ausgelöst habe und äußerte Verständnis für den Ärger der Ärzte. „Natürlich verstehe ich den. Ich spüre den auch“, sagte er. Viele Mediziner hätten sich bei ihm beschwert. „Die entscheidende Botschaft ist, wir haben ausreichend Impfstoff“, meinte Spahn. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Wirbel um Biontech im Überblick:

Wird der Biontech-Impfstoff knapp?

Nein, wenn es bei den Lieferungen bleibt, die der Gesundheitsminister angekündigt hat. Demnach werden bis Jahresende 26 Millionen Impfdosen des Serums in Deutschland zur Verfügung stehen. In dieser Woche werden sechs Millionen Einheiten ausgeliefert, die laut Spahn auf drei Millionen noch nicht verimpfte Dosen treffen. In den Folgewochen wird Biontech nur noch zwei bis drei Millionen Einheiten zur Verfügung stellen. Mit den insgesamt 26 Millionen Dosen kann theoretisch beinahe der gesamte Bedarf für die Auffrischungsimpfungen gedeckt werden.

Werden alle Biontech-Impfstoff bekommen, die das wollen?

Nein, aber die meisten. Spahn erklärte, dass ein Teil der Praxen und Impfzentren bis zum Jahreswechsel verstärkt mit dem Moderna-Impfstoff beliefert würden. Auch davon ist dem Minister zufolge reichlich vorhanden. Zehn Millionen Einheiten liegen bislang ungenutzt im Lager, 16 Millionen kommen bis Jahresende hinzu. In Summe stehen Deutschland 50 Millionen Impfdosen mit dem mRNA-Serum zur Verfügung. Hauptgrund für die Entscheidung, Moderna stärker einzusetzen ist, dass im ersten Quartal 2022 bislang ungenutzer Impfstoff verfallen würde.

Welcher Impfstoff ist besser – Biontech oder Moderna?

„Beide Impfstoffe zeichnen sich durch besonders hohe Wirksamkeit und durch ein besonders niedriges Risikoprofil aus“, sagte der Chef des Paul-Ehrlich-Institutes, Klaus Cichutek. Das Institut ist für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig. Statistisch komme es bei zehn von 100.000 Impfungen zu schwereren Nebenwirkungen. Der Leiter der Impfstoffforschung an der Berliner Charité, Leif Erik Sander, hält Moderna sogar für etwas wirkungsvoller als Biontech. Das habe sich aus Studien in mehreren Ländern ergeben.

Können Impfstoffe miteinander gekreuzt werden?

Sowohl Sander, Cichutek als auch die Ständige Impfkommission (Stiko) halten das für unproblematisch. „Die Kombination unterschiedlicher Impfstofftypen ist problemlos möglich“, sagte Sander. Aus Sicht der Forscher können Menschen, die bislang Biontech zweifach erhalten haben, zu Moderna wechseln und umgekehrt, ohne dass dadurch die Schutzwirkung beeinträchtig wird und verstärkt zu Nebenwirkungen ausgelöst werden.

In Deutschland gibt es bereits Millionen Menschen, die nach einer ersten Impfung mit dem Serum von AstraZeneca eine zweite Spritze mit Moderna oder Biontech bekommen haben. Die Kreuzimpfung sorgt sogar zweitweise für einen besonders hohen Immunschutz. „Wir leben im Schlaraffenland“, sagte Cichutek und bezog sich damit auf die Versorgung mit den Impfstoffen.

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Was unterscheidet Moderna und Biontech?

Der Impfstoff von Moderna soll laut Stiko-Empfehlung nur an über 30-Jährige verabreicht werden. Grund sie wenige Fälle von Herzmuskelentzündungen infolge einer Immunisierung. Bei der Auffrischungsimpfung wird Moderna anders als Biontech nur in der halben Dosis gegeben.

Braucht es nach der Booster-Impfung noch eine vierte Dosis?

Dazu gibt es noch keine wissenschaftlichen Studien. Charité-Professor Sander geht davon aus, dass nach der dritten Dosis der Antikörper-Spiegel länger hoch bleibt. „Eine zeitversetzte dritte Dosis stärkt das Immungedächtnis“, erklärte der Internist und Lungenarzt. Die Auffrischung ist nötig, weil sechs Monate nach zweiten Spritze die Schutzwirkung deutlich nachlässt und sich auch Geimpfte wieder mit dem Virus infizieren können. Untersuchungen zur Booster-Impfungen aus Israel zeigen, dass der dritte Piks die Immunantwort deutlich nach oben fährt und das Ansteckungsrisiko um die Faktoren zehn bis 20 senkt.

Wie lange hält die Wirkung der Auffrischungsimpfung an?

Das lässt sich noch nicht sicher sagen. Sander räumte ein, dass sich die Dauer der Booster-Wirkung noch nicht abschließend einschätzen lasse. „Wir wissen ja auch nicht, welche Tricks das Virus noch drauf hat“, sagte er mit Blick auf mögliche Mutationen. „Aber ich denke, dass wir mit der dritten Impfung die Immunisierung erst mal abgeschlossen haben werden.“ Nach bisherigen Erkenntnissen lässt vor allem bei älteren Menschen die Wirkung der zweiten Dosis nach einigen Monaten nach. Deshalb wurde mit den Auffrischungen begonnen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt sie inzwischen bei allen Menschen über 18.

Impfstoff soll es auch für Kinder geben. Was sagen die Studien?

Eine im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Evaluation beurteilt die Studie von Biontech/Pfizer. In Phase eins war zunächst die Dosis bestimmt worden: Bei Erwachsenen sind es 30 Mikrogramm, für Kinder unter 12 Jahren entschied man sich nach Abschluss der Testreihe für 10 Mikrogramm. Die Studienphasen zwei und drei umfassten 2268 Kinder zwischen elf und fünf Jahren. Zwei Drittel von ihnen bekam je zwei Dosen des Impfstoffs, ein Drittel ein Placebo. Die Immunantwort wurde einen Monat nach der zweiten Dosis gemessen.

Kam es bei den Kindern zu Nebenwirkungen?

Ja, aber die blieben harmlos. Die Autoren sahen „ein günstiges Sicherheitsprofil“, es seien „keine schweren impfbedingten Nebenwirkungen beobachtet worden“. Beobachtet wurden nur „milde und vorübergehende Reaktionen“ wie Fieber, Schmerzen am Einstich, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Die Impfung sei sicher und effektiv, lautet das Fazit. Für die etwas älteren Kinder, von 12 bis 15 Jahren, bestätigen neue Daten die hohe Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffs.