Jörg Zittlau

Jemand, der am Müsli knabbert? Oder jemand, der die Kiefer hungrig in den Doppel-Cheeseburger hineinschlägt? Was und wie wir essen, verrät viel über unsere Persönlichkeit. Denn bestimmte Charaktere bevorzugen eine bestimmte Ernährung. Manchmal verläuft die Ursachenkette aber auch umgekehrt.

Zwanghafte Spaßbremsen – so lautet eines der vielen Vorurteile gegenüber Veganern und Vegetariern. Eine aktuelle Studie zeigt nun jedoch: Veggie-Fans sind allenfalls mehr nach innen gekehrt. Ein Forscherteam vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften hat über drei Jahre hinweg knapp 9000 Testpersonen zu deren Ernährung befragt und mittels standardisierter Tests ihre Persönlichkeitsmerkmale erfasst. Es zeigte sich: Wer Fleisch meidet, ist keineswegs neurotischer und depressiver als andere Menschen.

Fleischverzichter deutlich introvertierter

Das hätte man zwar, wie Studienleiterin Veronica Witte erklärt, vermuten können, „weil neurotischere Menschen generell häufiger bestimmte Lebensmittel weglassen und sich dahingehend restriktiver verhalten“. Doch in den Persönlichkeitstests zeigte sich weder für Vegetarier noch für Veganer eine besonders ausgeprägte Tendenz zu Schwermut oder Zwanghaftigkeit.

Frauen essen anders als Männer

Aber sie sind offenbar, so ein weiteres Ergebnis, deutlich introvertierter, halten sich also im Umgang mit anderen Menschen zurück. Was laut Witte daran liegen könnte, dass introvertierte Menschen generell nach sozialen Abgrenzungen suchen. Und da bietet sich eben auch das vegetarische und vegane Essverhalten an: Wer am opulenten Fleischbuffet konsequent zur Salatgarnitur greift, darf damit rechnen, dass man ihn dort in Ruhe lässt.

Chilischoten und Risiko

Der Zusammenhang von Ernährung und Persönlichkeit – er gehört mittlerweile zu den angesagten Themen innerhalb der Forschung. Dabei richtet sich der Fokus nicht nur auf den derzeit boomenden Vegetarismus. Ein Forscherteam um John Hayes von der Pennsylvania States University untersuchte, inwieweit die Vorliebe für Scharfes mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften korreliert. Es stellte sich heraus: Wer gerne in die Chilischote beißt, begibt sich auch sonst gerne in riskante Situationen, wie etwa das schnelle Autofahren auf kurvigen Straßen. In der Psychologie bezeichnet man solche Menschen als „Sensationssucher“: Sie mögen insgesamt den Thrill, das kribbelnde Erlebnis jenseits der Komfortzone.

Chilischoten stehen für die scharfe Lust am Risiko.
Chilischoten stehen für die scharfe Lust am Risiko. | Bild: photocrew - stock.adobe.com

Nichtsdestoweniger brauchen Scharfesser die Rückmeldung ihrer Umwelt. „Sie streben nach dem positiven Feedback anderer Menschen“, betont Hayes. Was bedeuten könnte, dass sie ihre riskanten Aktionen auch deshalb unternehmen, um Anerkennung zu bekommen. Die eigentlichen Harmoniesucher – die findet man nämlich unter den süßen Schleckermäulern.

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„Menschen mit einem hohen Maß an Verträglichkeit mögen süßes Essen lieber als Menschen mit einem niedrigen Maß an Verträglichkeit“, berichtet Brian Meyer vom Gettysburg College in Pennsylvania. Naschkatzen sind also in der Regel auch Schmusekater. Wobei man schon einschränken muss, dass der Frauenanteil unter ihnen überwiegt.

Aus Quitten kann man süßen Gelee machen. Menschen, die zuckerhaltige Lebensmittel mögen, gelten als verträglich.
Aus Quitten kann man süßen Gelee machen. Menschen, die zuckerhaltige Lebensmittel mögen, gelten als verträglich. | Bild: Flora Panzner - stock.adobe.com

Der eigentliche Grund für die soziale Verträglichkeit der Bonbon-, Keks- und Schokofans könnte also auch schlicht darin liegen, dass es sich dabei eher um Frauen handelt, von denen Hilfsbereitschaft und Mitgefühl eher erwartet werden als von Männern.

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Weniger Mitgefühl sollte man von Menschen erwarten, die Bitteres lieben. Christina Sagioglou und Tobias Greitemeyer von der Universität Innsbruck haben in einem Geschmackstest an 1000 Männern und Frauen herausgefunden: „Je stärker die Vorliebe für bittere Lebensmittel, umso mehr Merkmale eines böswilligen Verhaltens.“

Bitterschokolade wird bei Menschen von grimmiger Natur geschätzt.
Bitterschokolade wird bei Menschen von grimmiger Natur geschätzt. | Bild: chandlervid85 - stock.adobe.com

Sadismus und Psychopathie seien bei den Bitter-Liebhabern oft zu finden. Grund: Menschen mit solchen Eigenschaften brauchen extreme Reize, um etwas zu spüren – und das Bittere ist ein solcher Reiz. Denn viele Gifte schmecken bitter, weswegen die Reizung der Bitterrezeptoren auf der Zunge im Gehirn für Alarmstimmung sorgt.

Sauer macht Lust auf Risiko

Manchmal beeinflussen nicht nur Charaktermerkmale den Speisezettel, sondern umgekehrt auch Ernährungsmuster die Persönlichkeit. Für eine englische Studie kredenzte man 70 Probanden Trinklösungen mit unterschiedlichem Geschmack und ließ sie dann am Computer einen Luftballon aufpumpen. Sein Volumen nahm mit jedem Mausklick zu, bis er platzte. Es sei denn, der Spieler beendete vorher die Pumpaktion. Fazit: Wer ein saures Getränk verzehrt hatte, riskierte am meisten. Wer einen Drink mit Süßem oder dem herzhaften Umami verkostet hatte, hörte früh mit dem Pumpen auf, riskierte also am wenigsten.

Gut für Angst-Therapie?

Studienleiterin Marianna Obrist vermutet, dass starke Sauer-Impressionen die Aktivität der Amygdala herunterfahren. Dieses mandelförmige Organ im Gehirn spielt bei Angstempfindungen eine Schlüsselrolle: Wenn es sich beruhigt, weiß das Gehirn, dass es sich keine Sorgen machen muss. Laut Obrist könnte daher ein systematisches Sauerreiz-Training bei der Therapie von Ängsten und Depressionen helfen.