Manche nennen ihn Auen-Architekten, andere Ökosystem-Ingenieur – Biber nehmen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Lebensräumen auch für viele andere Tiere ein. Insekten, Amphibien, Reptilien, Fische, Vögel und auch Fledermäuse profitieren direkt oder indirekt von der unermüdlichen Bautätigkeit des Bibers: Er legt Dämme und Kanäle an, baut Burgen und sorgt dafür, dass sich Wasser in Senken ansammelt, und selten gewordene Grasfrösche oder Teichmolche darin laichen können. Daher profitieren viele Arten von der erneuten Ausbreitung des Europäischen Bibers.

„Es kommen Arten zurück in die Landschaft, die dort verschwunden waren, weil es den Biber nicht mehr gab und weil es diese Strukturen nicht mehr gab“, sagt Marcus Orlamünder, Naturschutzreferent beim Nabu Thüringen. Er koordinierte zehn Jahre lang das Biber-Management in Thüringen und tauschte sich auch immer wieder mit Experten anderer Bundesländer aus.

Bauern halten den Biber für überschützt

Im Gespräch betont Orlamünder die vielen Vorteile des Bibers, wie ihren Einfluss auf die Insektenvielfalt – Voraussetzung für das Überleben vieler anderer Tierarten. „In Zeiten eines gigantischen Artenschwundes muss uns eigentlich so einer nur willkommen sein“, sagt Orlamünder über den Biber. Doch willkommen ist das Tier nicht überall.

Der Deutsche Bauernverband etwa hält ihn für eine überschützte Art. „In einigen Regionen richtet der Biber erhebliche Schäden an, indem unter anderem landwirtschaftliche Flächen geflutet und überstaut werden“, teilt dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken auf Anfrage mit. „Damit entstehen Ertragsverluste und Vermögensschäden.“

Eine große Biberburg spiegelt sich im Wasser eines kleinen Sees.
Eine große Biberburg spiegelt sich im Wasser eines kleinen Sees. | Bild: Patrick Pleul/dpa

Biber schichten Äste auf und bauen sich Burgen, in denen sie schlafen und ihren Nachwuchs aufziehen. Dämme legen sie an, wenn Gewässer nicht tief genug sind oder der Wasserpegel so stark schwankt, dass der Eingang zu ihrer Burg nicht vom Wasser verdeckt ist.

Biber sind die größten Nagetiere Europas, sie leben monogam und im Familienverbund. In der Natur werden sie bis zu 21 Jahre alt, durchschnittlich etwa acht. Die Weibchen bekommen von April bis Juni zwei bis vier Junge. Diese werden mit etwa zwei Jahren aus dem Revier vertrieben und müssen sich selbst einen geeigneten Gewässerabschnitt suchen.

Biber verursachen kaum Fraßschäden

Im Winter besteht die Nahrung des Bibers vor allem aus Baumrinde und Zweigen weicher Hölzer wie Weiden oder Pappeln. Im Sommer fressen die Vegetarier gerne Gras, Kräuter und Wasserpflanzen. Allerdings ist der Biber flexibel – steht ein Maisfeld nahe an seinem Revier, bedient er sich auch dort mal, legt aber keine Vorräte davon an. Er ist an Land auf seinen kurzen Beinen auch eher plump unterwegs, sodass er sich nicht weit in Felder hinein bewegt und Fraßschäden eher gering sind.

Biber sind oft in der Abenddämmerung unterwegs.
Biber sind oft in der Abenddämmerung unterwegs. | Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Nabu-Experte Orlamünder sieht aber ebenfalls Konfliktpotenzial mit dem Menschen, vor allem in dicht besiedelten und landwirtschaftlich genutzten, flachen Landschaften. Dort kann ein Biberdamm in einem Bewässerungsgraben größere Auswirkungen haben, indem der Biber ein Feld oder eine Wiese unter Wasser setzt.

Dem Deutschen Bauernverband zufolge nehmen die Probleme mit Bibern im Osten, Westen und Süden des Landes deutlich zu. „Daher muss in einigen Regionen Deutschlands auch die Anzahl der Biber reguliert werden“, sagt der Vorsitzende Krüsken und meint damit den Abschuss von Tieren. Doch der Biber steht unter strengem Schutz und bei Verstößen drohen hohe Strafen. Ausnahmen gibt es nur selten zur Abwendung erheblichen Schadens.

Der Europäische Biber war einst von Mitteleuropa bis nach Nordasien verbreitet. Im großen Stil gejagt wurde er bis ins 19. Jahrhundert, weil sein Fleisch und sein Pelz begehrt waren. Sein Sekret zur Reviermarkierung, Bibergeil oder Castoreum genannt, wurde dem Biberfachmann Orlamünder zufolge als Heilmittel genutzt.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Schätzungen zufolge europaweit noch etwa 1000 bis 2000 Tiere, erzählt Orlamünder. Inzwischen steht der Biber unter dem strengsten Schutz, den es europaweit gibt. Der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und dem Bundesnaturschutzgesetz zufolge dürfen Biber weder gefangen noch gestört werden. Auch seine Bauten darf niemand beschädigen. Dieser Schutz hat dafür gesorgt, dass der Bestand sich erholen konnte.

Ein Europäischer Biber (Castor fiber) sitzt im Wasser.
Ein Europäischer Biber (Castor fiber) sitzt im Wasser. | Bild: Felix Heyder/dpa

In den ostdeutschen Bundesländern und in Bayern gibt es heute wieder relativ viele Biber. Deutschlandweit gehe man von etwa 40.000 Tieren aus, sagt Orlamünder. Eine Überpopulation könne es bei Bibern aber nicht geben. Die Tiere haben ein strenges Reviersystem.

Wenn alle der etwa ein bis sechs Kilometer langen Reviere besetzt sind, sei ein Populationsmaximum erreicht – hohe innerartliche Konflikte seien die Folge. Die Reproduktionsrate gehe zurück, und Jungbiber auf der Suche nach einem Revier überleben diese Wanderung häufig nicht, weil die Revierinhaber sehr aggressiv seien. Es besteht daher nicht die Gefahr einer exponentiellen Ausbreitung des Tiers.

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Den Biber zu bejagen, hält Orlamünder daher nicht für notwendig. Gerade in trockenen Jahren komme es Landnutzenden zugute, wenn der Biber Wasser in der Landschaft zurückhalte und damit Ernten sichere. Außerdem gebe es Maßnahmen, die das Zusammenleben mit dem Biber ermöglichen – wie Elektrozäune. Verdrängt werden Biber durch ähnliche Arten wie Nutrias und Bisamratten nicht. Biber sind die Konkurrenzstärksten unter den dreien, weil sie heimisch sind und gut mit den Wintern klarkommen. Lokal könne es mal Rangeleien um eine Nahrungsquelle geben, aber nicht grundsätzlich.

Der Biber brauche ein bisschen Raum am Gewässer, sagt der Experte. Wenn landwirtschaftlich genutzte Flächen, Gärten oder Radwege nicht direkt am Wasser verlaufen, sei das Konfliktpotenzial deutlich geringer. Und auch für den dezentralen Hochwasserschutz seien Biberdämme wichtig, weil sie Wasser in kleineren Zuläufen zurückhalten und das Abfließen insgesamt verzögern. Der Nutzen, den der Biber für Tiere und Menschen bringe, übersteige den Schaden bei Weitem.