Detlef Wysotzki sitzt entspannt hinter dem Steuer. Seine Beine sind angewinkelt. Die rechte Hand liegt lässig auf dem Lenkrad. Der Wagen steht. Der Motor läuft. Während der Polizeihauptkommissar aufmerksam die vorbeifahrenden Autos beobachtet, wandert sein Kopf hin und her. Links, rechts, links, rechts. Plötzlich knackt das Funkgerät. Olaf Lück meldet sich aus einem Transporter. „Der könnte was sein: BMW, schwarz, Paula, Siegfried.“ Wysotzki nimmt Verfolgung auf. Er beschleunigt auf 170 Stundenkilometer. Dann ist der Raser in Sichtweite.

Verfolgung auf der Autobahn Video: Küster, Sebastian

45 Minuten zuvor: Polizist Olaf Lück kniet neben der Leitplanke auf dem Parkplatz Nellenburg an der Autobahn 98 zwischen Stockach und Singen. Der stattliche Mann mit blauer, eng anliegener Regenjacke rückt die Kameras und den Blitzer zurecht. „Der Winkel ist entscheidend“, sagt Lück. An diesem Tag führen die Polizei und das Bundesamt für Güterverkehr, eine große Verkehrskontrolle durch. Auf dem Autobahnteilstück ist die Geschwindigkeit auf 100 Stundenkilometer begrenzt.

Bild 1: Auf Raserjagd: Unterwegs mit der Autobahnpolizei auf der A81
Bild: Küster, Sebastian

Der Blitzer ist über ein Kabel mit dem Einsatzwagen verbunden. Der fünf Meter entfernte Kastenwagen wirkt von außen wie eine in die Jahre gekommene Familienkutsche – groß, praktisch, träge.

Ganz anders der Innenraum. Auf einem weißen Schränkchen steht ein Laptop. Er spuckt Daten, Zahlen, Grafiken aus. „Ich kriege die Fotos in Echtzeit“, sagt Lück. Jeder Autofahrer, der zu schnell fährt, ploppt mit einem Ton auf. Pling. Der nächste. 82 Kilometer pro Stunde zu schnell.

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In den vergangenen Jahren beobachtet Lück immer mehr Temposünder. Warum, weiß der Polizist selbst nicht so genau. Mittlerweile sichtet er in seinem Van ein Foto pro Minute.“Manchmal sind es noch deutlich mehr“, sagt er. Bei Regen seien Autofahrer vorsichtig. Bei guter Sicht trete man eher mal aufs Gas.

„Der heutige Tagessieger war mit 186 km/h unterwegs“, gibt Lück seinen Kollegen per Funk durch. Drei Punkte, drei Monate Fahrverbot und 600 Euro Bußgeld drohen. „Egal ob 86 oder 140 zu schnell – die Strafe bleibt gleich“, sagt der Polizist. Der Bußgeldkatalog legt eine Obergrenze der Geschwindigkeitsüberschreitung bei 70 Stundenkilometern fest.

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Doch diese Strafen wirken nur mäßig. „Da haben uns die Schweizer einiges voraus“, sagt Lück. Was er meint, sind empfindlichere Bußgelder, die schon bei geringer Tempoüberschreitung drohen. „Die überlegen es sich dort zweimal, ob sie wirklich zu schnell fahren.“

Wer denkt, dass extrem viele Eidgenossen deshalb auf deutsche Autobahnen ausweichen, liegt falsch. Bei den großen Verkehrskontrollen erscheinen auf Lücks Bildschirm in etwa gleich viele Ausländer wie Deutsche.

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Trotzdem werden Raser aus dem Ausland für die Polizei zum Problem. Denn die Punkte in Flensburg gelten nur für Deutsche. Und auch der Führerschein darf bei Ausländern nicht eingezogen werden. Und: „Viele ignorieren das Bußgeld„, sagt Lück. Wenn Deutschland mit diesem Land kein Abkommen hat, sind der Polizei die Hände gebunden. Die Folge: Blitzer schrecken nicht mehr ab.

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Doch es gibt einen Ausweg: Detlef Wysotzki reiht sich hinter dem schwarzen BMW aus Pirmasens ein. Er verfolgt ihn im gleichen Tempo. Eine Kamera misst die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs. „Wir müssen ihn mindestens 250 Meter aufnehmen“, sagt der Polizeihauptkommissar. Sonst kann die Aufnahme nicht verwendet werden.

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Dann schaltet Wysotzki das Blaulicht ein. Der Sichtschutz des Beifahrers wird ausgeklappt. Darauf blinkt „Bitte Folgen“. Der Temposünder bremst, wechselt auf die rechte Spur. Wysotzki überholt und zieht ihn am nächsten Parkplatz aus dem Verkehr.

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Der „Kunde“, wie Wysotzki alle seine Temposünder nennt, ist einsichtig. Er wolle schnell nach Hause und hätte nicht auf die Schilder geachtet. Eine Ausrede, die die meisten Raser nutzen, wenn der Polizeihauptkommissar mit gepflegtem Bart und ruhigem Gemüt an der Fensterscheibe klopft.

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Den jungen Mann aus Pirmasens erwartet ein hohes Bußgeld. Weil er noch in der Probezeit ist, muss er zur medizinisch psychologischen Untersuchung (MPU) – auch Idiotentest genannt. Wäre der Fahrer ein Ausländer gewesen, hätte der Polizist das Bußgeld sofort eintreiben können.

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Wysotzki setzt sich zurück ins Auto. Er trägt die Personalien des Fahrers in einer Akte ein. Danach sichtet er die Aufnahmen. Die Videoschnipsel, die der Kollege im Polizeipräsidium bei der Auswertung nicht verwendet, löscht er noch vor Ort von der Kassette.

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Dann geht es weiter auf der Autobahn 81 Richtung Stuttgart. Kurz vor einer Baustelle beim Kreuz Hegau macht eine Mercedes E-Klasse auf sich aufmerksam. Die schwarze Limousine fährt dem Vordermann dicht auf. Wysotzki reicht das, um den Verkehrssünder zu stellen.

Dieses Mal schaltet Wysotzki auch das Blaulicht ein. Doch der Drängler scheint zu sehr mit seinem waghalsigen Überholmanöver beschäftigt zu sein. Unbehelligt setzt er seine wilde Fahrt fort. Wysotzki bleibt dran.

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In der Baustelle ist der Mercedes mit 124 Kilometern pro Stunde unterwegs, obwohl dort nur 80 erlaubt sind. Einige „Tempo-80-Schilder“ später bemerkt der Fahrer das Blaulicht im Rückspiegel.

Auf dem Parkplatz Räthisgraben steigt ein großer Mann mit dunklen Haaren aus dem Auto. Er trägt gesteppte Weste, Pullover, Jeans und neue Sneakers. Der Mann mit Villinger Kennzeichen wirkt wie ein erfolgreicher Unternehmer, der seiner attraktiven Begleitung seinen PS-starken Motor vorführen möchte.

Bild 9: Auf Raserjagd: Unterwegs mit der Autobahnpolizei auf der A81
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Ihn erwarten ein Bußgeld von 160 Euro, zwei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot. Gegenüber dem SÜDKURIER wollte sich der Mann nicht äußern.

Anders bei der letzten Verkehrssünderin, die Wysotzki an diesem Tag aus dem Verkehr ziehen wird. Die Frau mit üppigem Pony ist vom Schwarzwald-Baar-Klinikum Richtung Ravensburg unterwegs.

Bild 10: Auf Raserjagd: Unterwegs mit der Autobahnpolizei auf der A81
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Sie hat Blut im Gepäck. „Das muss schnell ins Labor gebracht werden“, sagt die Frau, die unerkannt bleiben möchte, nachdem sie von der Autobahnpolizei gestoppt wurde. „Ich muss mich beeilen und habe die Schilder in dem Moment nicht gesehen“, sagt sie im gebrochenem Deutsch.

„Das war ein typischer Fall“, sagt Detlef Wysotzki, während er sich zurück auf den Weg Richtung Stockach macht. „Viele verstehen unsere Arbeit, nachdem wir sie angehalten haben. Die meisten finden das gut.“ Es gibt aber auch unbelehrbare Autofahrer. „Die sind ihren Führerschein irgendwann sicher los“, sagt Wysotzki. Bis es soweit ist, bleiben diese Raser eine Gefahr für den Straßenverkehr – und Wysotzki im Einsatz.