„Ich bin verärgert über dieses Urteil“, sagt Bauherr Ingo Fangerow nach dem Schuldspruch gegen den Blumberger Wut-BaggerfahrerMatijaP. dem SÜDKURIER. Weder sei das Urteil über 17 Monate Haft auf Bewährung tatangemessen noch eine adäquate Bestrafung, so der Berliner Immobilienentwickler und Jurist.

„Du kannst in Deutschland einen Millionenschaden anrichten und versuchen ein Wohnhaus abzureißen. Dafür bekommst du keine Freiheitsstrafe, die vollzogen wird, sondern nur eine Bewährungsstrafe, die einem nicht interessiert, wenn man nicht vorhat, sowas wieder zu begehen“, meint Fangerow.

Bauherr Ingo Fangerow aus Berlin kurz nach der Baggerattacke im Juli 2021 vor seinem zerstörten Eigentum. Sein Auftragnehmer für den ...
Bauherr Ingo Fangerow aus Berlin kurz nach der Baggerattacke im Juli 2021 vor seinem zerstörten Eigentum. Sein Auftragnehmer für den Neubau hatte mit einem Bagger das fast fertige Gebäude unbewohnbar gemacht. Seither gibt es gegenseitige Vorwürfe. | Bild: SK-Collage/René Laglstorfer/Bernhard Lutz/Screenshot

Er bezifferte vor dem Amtsgericht Donaueschingen den Gesamtschaden nach der Bagger-Attacke durch seinen eigenen Bauleiter inzwischen auf 2,6 Millionen Euro und wirft nun der Justiz vor, eine Signalwirkung verabsäumt und kein Interesse gehabt zu haben, die Hintergründe der Tat aufzuklären. „Dieses milde Urteil ist ein Freibrief für alle“, ist der Bauherr überzeugt.

Warum kein Schadenersatz für Bauherr?

Der zuständige Staatsanwalt Olaf Meier aus Villingen-Schwenningen sagte kurz nach der Urteilsverkündung dem SÜDKURIER, dass es in diesem Fall nicht notwendig war, ein Exempel gegen den angeklagten Wut-Baggerfahrer Matija P. zu statuieren. „Es ist allen mehr gedient, ihn unter Bewährung zu stellen“, so der Ankläger.

Oberstaatsanwalt Olaf Meier
Oberstaatsanwalt Olaf Meier | Bild: Roland Sigwart

Auch für die Direktorin des Amtsgerichts Donaueschingen, Birgit Reerink, bedurfte es keiner unbedingten Gefängnisstrafe, um die geltende Rechtsordnung zu verteidigen. „Die ganz große Botschaft dieses Urteils ist: Das Gewaltmonopol liegt ausschließlich beim Staat“, so die Richterin.

Niemand dürfe das Recht in die eigene Hand nehmen und Selbstjustiz zu üben. „Sonst wären wir ganz schnell in einem Staat oder in einer Gesellschaft, in der das Recht das Stärkeren gilt“, sagt Reerink.

Amtsgerichtsdirektorin Birgit Reerink
Amtsgerichtsdirektorin Birgit Reerink | Bild: Roland Sigwart

Warum aber muss der Verurteilte zwei Mieter mit insgesamt 5000 Euro entschädigen, aber nicht den Bauherr, dessen Schaden weitaus höher ist? „Weil die offenen Forderungen streitig sind“, sagt Staatsanwalt Olaf Meier. Richterin Sabine Summ habe sich auf seinen Antrag hin entschieden, den Schadenersatz des Bauträgers einem Zivilgericht zu überlassen.

„Stellen Sie sich vor, der Angeklagte wird in einem Zivilprozess anders beurteilt, aber vom Strafgericht bedroht, er solle die Bewährungsauflage (Zahlung des Schadenersatzes, Anm.) erfüllen. Das ist schwierig – deswegen trennt man das vom Strafverfahren und überlässt es einem Zivilprozess“, erklärt der Staatsanwalt.

Richterin Sabine Summ
Richterin Sabine Summ | Bild: Roland Sigwart

„Endlich einer, der sich gewehrt hat“

Einer, der durch die Wutaktion von Matija P. nach eigenen Angaben mehr als 25.000 Euro Schaden erlitten hat, aber dennoch nicht auf ihn böse ist, ist Manuel Rustler. Er ist Eigentümer der Hüfinger Firma Danacher Baumaschinen. Diese vermietete jenen 25-Tonnen-Bagger an den rheinland-pfälzischen Ex-Bauunternehmer, mit dem dieser den fast fertiggestellten Gebäudekomplex in Blumberg mit 31 Wohnungen bis zur Unbewohnbarkeit beschädigte.

Manuel Rustler, Inhaber von Danacher Baumaschinen in Hüfingen. Im Hintergrund ist der an Matija P. vermietete Bagger zu sehen, der bei ...
Manuel Rustler, Inhaber von Danacher Baumaschinen in Hüfingen. Im Hintergrund ist der an Matija P. vermietete Bagger zu sehen, der bei der Wut-Aktion schwer beschädigt wurde. | Bild: Danacher Baumaschinen

„Er (Matija P., Anm.) hat nach dem Vorfall bei mir angerufen, sich entschuldigt und mir erklärt, wie es dazu gekommen ist“, sagt Rustler dem SÜDKURIER. Zwar wolle er nicht tolerieren, was der Wut-Baggerfahrer gemacht hat, aber er verstehe ihn.

„Es ist endlich mal einer, der sich gewehrt hat. Ich habe viele Kunden, die betrogen wurden. Die bekommen Lohnkürzungen, obwohl sie ihre Leistung erbracht haben“, sagt der Baumaschinen-Verleiher mit einem Mietpark von rund 100 Baumaschinen.

„... jederzeit auf ein Kaffee oder ein Bier vorbeikommen“

Der an Matija P. ausgeliehene Bagger sei ganz neu gewesen und durch herunterfallende Betonteile schwer beschädigt worden. „Die Hydraulikleitungen waren abgerissen und auch der Schnellwechsler, um Anbauteile daran zu machen, war komplett verformt und kaputt – der kostet allein 16.000 Euro“, so Rustler. Ein Kostenvoranschlag für die Reparatur des „Wut-Baggers“ habe knapp über 25.000 Euro ergeben.

So sah es in der Vogtgasse in Blumberg am Morgen nach der Zerstörung des Gebäudes aus.
So sah es in der Vogtgasse in Blumberg am Morgen nach der Zerstörung des Gebäudes aus. | Bild: Lutz, Bernhard

„Ich bin ihm (Matija P., Anm.) überhaupt nicht böse und hab den Schaden bereits als nicht einbringbare Forderung ausgebucht. Er kann gerne jederzeit auf einen Kaffee oder ein Bier bei uns vorbeikommen“, so Manuel Rustler, hofft aber, dass es keine zehn Nachahmer geben wird. „Das kann ich mir nicht leisten“, sagt der Unternehmer mit einem Schmunzeln.

Wo der Zivilprozess stattfinden könnte

Ob sich auch Bauherr Ingo Fangerow nach diesem großzügigen Beispiel vorstellen kann, einen Teil des Schadens an seinem Bauwerk dem Wut-Baggerfahrer zu erlassen? „Ich kann mir grundsätzlich vorstellen auf einen Teil zu verzichten, wenn ich ein vernünftiges Angebot erhalte“, sagt der im Hauptberuf als Rechtsanwalt tätige Berliner.

Schließlich sei er der Letzte, der es bis zur Spitze treiben müsse. „Aber er (Matija P., Anm.) entschuldigt sich nicht. So wie er sich verhält, gibt es keinen Anlass, ihm etwas zu erlassen. Deshalb werde ich alles geltend machen“, so Fangerow.

Doch noch hat er keine Zivilklage eingereicht und wisse auch noch nicht, wann er das tun wird. Mögliche Verhandlungsorte für einen Zivilprozess gegen den Wut-Baggerfahrer wären laut dem Juristen erneut Donaueschingen oder auch der Firmensitz des früheren Bauunternehmens von Matija P., Landau in Rheinland-Pfalz.

Seit 20 Jahren kein Urlaub

Der Wut-Baggerfahrer sagt vor Gericht, seine Firma sei nach der von ihm verübten Zerstörung in Blumberg in die Insolvenz geschlittert. Seine Ehefrau, die bei ihm angestellt war, sei seither arbeitslos. „Wir waren seit acht Jahren ein Team“, so Matija P.

Matija P. (rechts) mit seinem Verteidiger Sebastian Göthlich beim Prozess in Donaueschingen. Das Urteil schmeckt nicht jedem – ...
Matija P. (rechts) mit seinem Verteidiger Sebastian Göthlich beim Prozess in Donaueschingen. Das Urteil schmeckt nicht jedem – doch derzeit sieht es danach aus, als werde es rechtskräftig. | Bild: Roland Sigwart

Erst 2019 habe er sich selbstständig gemacht. Nun arbeite er für zwei Baufirmen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina als angestellter Bauleiter im gesamten deutschsprachigen Raum. „Seit 20 Jahren habe ich keinen Urlaub mehr gehabt. Immer musste ich liefern, mein ganzes Leben musste ich abliefern“, so der Blumberger Wut-Baggerfahrer.