In Baden-Württemberg kam es am vergangenen Wochenende gleich in mehreren Städten zu Demonstrationen gegen die Corona-Politik. Insgesamt gab es nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums landesweit 22 Versammlungen mit einem Bezug zur Pandemie. Mit dem Anstieg der Infektionszahlen und den strengeren Regelungen habe die Zahl der Teilnehmer bei den Querdenker-Versammlungen zugenommen und es sei „insgesamt ein intensiveres Versammlungsgeschehen zu verzeichnen“, sagt Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Alleine in Reutlingen hatten nach Polizeiangaben am Samstag rund 1500 Menschen an einer Kundgebung unter dem Motto „Für Freiheit, Wahrheit und Selbstbestimmung“ teilgenommen, bei der es auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen war. Nachdem Teilnehmer der Aufforderung der Polizei zum Tragen einer Maske nicht nachkamen, löste das Amt für öffentliche Ordnung die Demonstration auf. Danach zogen Teilnehmer trotzdem mit Pyrotechnik und Fackeln weiter.

Es kam zu mehreren Attacken auf Beamte. Inzwischen wird gegen Teilnehmer ermittelt wegen des tätlichen Angriffs auf die Polizei, sowie wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung. 150 Beamte waren im Einsatz.

Corona-Demos in Stuttgart und Freiburg

In Stuttgart gab es in den vergangenen Tagen mehrere Protestzüge von Menschen, die die Corona-Maßnahmen der Politik ablehnen. Auch hier hielten sich Teilnehmer vereinzelt nicht an die Maskenpflicht. Am Freitagabend versammelten sich bereits rund 350 Menschen vor dem Staatsministerium, dem Amtssitz von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Zur größten Demonstration kam es mit rund 2500 Teilnehmern in Freiburg. Landesweit hat es laut Polizeiangaben am vergangenen Wochenende rund 650 Verstöße gegen die Corona-Verordnung gegeben, darunter 300 Verstöße gegen die Maskenpflicht.

Proteste auch in Ravensburg und Villingen

Auch am Montagabend gab es Proteste. In Mannheim zogen trotz eines Verbots nach Schätzungen der Polizei bis zu 2000 Menschen großteils ohne Masken und ohne Abstand durch die Stadt. Rund 800 von ihnen schafften es demnach, ins Zentrum vorzudringen. Erst als die Polizei sehr starke Kräfte zusammengezogen habe, habe sich die Lage allmählich beruhigt. Sechs Polizisten seien im Verlauf des Abends verletzt worden.

Mehr als 1000 Impfpflicht-Gegner zogen am Montagabend durch die Ravensburger Innenstadt. Obwohl das Ordnungsamt die unangemeldete Veranstaltung formal auflöste, ging die Demonstration weiter. Auch durch Villingen „spazierten“ etwa 400 Teilnehmer (SÜDKURIER-Schätzung), darunter auch viele Kinder. Während einige Teilnehmer von über 1000 Spaziergängern sprechen, spricht die Polizei von 150 bis 200. Gleichzeitig prüfen die Beamten ein Verbot gegen das Versammlungsrecht.

Eine erste lokale Reaktion auf die Demonstrationen gibt es in Reutlingen. Das Landratsamt hat nun für bestimmte Bereiche der Innenstadt bis zum 15. Januar ein Alkoholverbot erlassen. Auch das Tragen der Maske wird dort zur Pflicht. Beide Regelungen gelten aber nur an Werktagen von 16 bis 23 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen zwischen zehn und 23 Uhr. Im Einzelfall könnte es Bußgelder in Höhe von bis zu 25 000 Euro geben, heißt es in Reutlingen.

Dreistellige Zahl Menschen wird Querdenken-Organisation zugeordnet

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg rechnet nach eigenen Angaben der Initiative „Querdenken 711“ und ihren regionalen Ablegern in Baden-Württemberg aktuell eine niedrige dreistellige Zahl an Personen zu. Seit Beginn der Corona-Pandemie sei zu erkennen, dass zahlreiche extremistische Strömungen versuchten, die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. „Diese kleine, radikale Minderheit befindet sich in einer gefährlichen Radikalisierungsspirale: Der Protest wird immer lauter, immer heftiger, immer brutaler“, sagt Strobl. Wer verfassungsfeindlich handele, Gewalt herbeirede oder anwenden wolle, würde „mit allen Mitteln des Rechtsstaats zur Rechenschaft gezogen“, so der Minister.

Ist nach den jüngsten Vorfällen ein Demonstrationsverbot etwa vor Rathäusern sowie Häusern oder Wohnungen von Politikern sinnvoll? Gebe es Hinweise auf gewaltbereite Protestzüge, würden Versammlungsverbote durch die Ordnungsämter in Betracht kommen, erklärt ein Sprecher von Thomas Strobl.

Das könnte Sie auch interessieren