Die Zahl der Neuinfektionen steigt. Doch die ist für die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie nicht mehr ausschlaggebend. Vielmehr wollen Bund und Länder eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Die Zahl der Hospitalisierungen steigt langsam wieder. Doch wer ist inzwischen von einem schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung betroffen? Nur Ungeimpfte oder auch Menschen, die vollständig geimpft sind?
Inzidenz steigt – schneller als die Impfquote
Die Impfquote liegt aktuell bei 58,8 Prozent der Baden-Württemberger. Einfach geimpft sind 62 Prozent. Noch scheint die Lage nicht besorgniserregend. Zwar ist die Inzidenz innerhalb weniger Wochen wieder auf über 50 geklettert, inzwischen liegt sie sogar bei 68,1 pro 100.000 Einwohner.

Dennoch hält sich die Zahl der Krankenhauseinlieferungen bislang in Grenzen. Bundesweit werden derzeit 869 Patienten wegen Covid auf den Intensivstationen behandelt, 428, also fast die Hälfte, müssen invasiv beatmet werden. Im Südwesten sind 99 Covid-19-Fälle (Stand 26.8.21) nach Angaben des Landesgesundheitsamts in intensivmedizinischer Behandlung, davon werden 43 invasiv beatmet.
Insgesamt sind in den letzten 28 Tagen 680 Menschen wegen Covid in klinische Behandlung gekommen, wie das Landesgesundheitsamt auf Anfrage des SÜDKURIER mitteilt. Davon seien 88 Patienten geimpft gewesen, 520 waren demnach nicht oder nicht vollständig geimpft.
Eine Prognose des Landesgesundheitsamts geht allerdings davon aus, dass die Zahl der Intensivpatienten innerhalb der nächsten beiden Wochen schon auf 300 ansteigen könnte. Schon jetzt sei ein Trend erkennbar: „Ungeimpfte erkrankten wesentlich häufiger als geimpfte Personen.“ Weil zu wenige Personen in Baden-Württemberg geimpft seien, rechnet die Behörde mit „einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen in den nächsten Wochen“.
Nur wenige Intensivbetten in der Region belegt
Ein Blick in die Region zeigt zwar eine erneute Zunahme von Intensivpatienten, die wegen Covid behandelt werden müssen. Doch die Zahlen sind gering.
So werden im Kreis Konstanz derzeit (Stand 27. August) 17 Patienten wegen einer Covid-Erkrankung in Krankenhäusern behandelt, fünf davon seien Verdachtsfälle, sieben Menschen müssen intensiv behandelt werden. Nach Angaben der Sprecherin des Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, Andrea Jagode, sind die Corona-Krankenhauspatienten alle ungeimpft. Die meisten seien zwischen 30 und 60 Jahre alt, ein Patient sei 93.
„Die Vorhersagen der Politik scheinen also zuzutreffen“, folgert Jagode: „Die Zahlen der stationären Corona-Patienten im GLKN nehmen zu, die Lage wird dynamischer, der Altersdurchschnitt der stationären Corona-Patienten ist deutlich niedriger als in den vorangegangenen Wellen.“
Ähnlich gering ist die Zahl der Covid-Patienten im Schwarzwald-Baar-Klinikum. Dort werden derzeit (Stand 26. August) 17 Patienten mit Covid behandelt, davon drei auf der Intensivstation. Sechs Patienten sind über 60 Jahre alt, sieben zwischen 40 bis 60 Jahre und vier Patienten unter 40 Jahre alt, wie Sprecherin Sandra Adams auf Anfrage mitteilte. Es handle sich „fast ausschließlich“ um ungeimpfte Patienten, ergänzte sie.
Anfang des Monats hatte das Klinikum allerdings keinen einzigen Patienten wegen Covid auf der Intensivstation. „Es ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der Covid-19-Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen, in den kommenden Wochen steigen wird“, ergänzt Adams.
Welche Rolle spielen Reiserückkehrer?
Auch in der Schweiz klettern die Zahlen – dort mit deutlich höherem Tempo. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt inzwischen bei 200. Die Corona-Taskforce führt die neuerliche Zunahme im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück – die vergleichsweise geringe Impfquote von derzeit 51 Prozent sowie Infektionen im Ausland. In einem Papier der wissenschaftlichen Beratungsgruppe heißt es: „Rund 90 Prozent der hospitalisierten Covid-19-Patienten sind nicht vollständig geimpft.“ 40 Prozent von ihnen seien Reiserückkehrer. Davon wiederum kommen 80 Prozent aus Südosteuropa zurück.
Ist das auch hierzulande ein Faktor? Wo stecken sich die Infizierten an? Auf Nachfrage beim Landesgesundheitsamt teilt eine Sprecherin mit, dass allein in den vergangenen beiden Wochen der Sommerferien 2294 Fälle auf eine „mögliche Exposition im Ausland“ zurückgingen. Das entspreche 45 Prozent der Fälle, wo der Ansteckungsort bekannt ist. Die Mehrheit der Ansteckungen findet demnach im Inland statt.
Auslandsinfektionen nehmen zu
Seit Juni hat das Landesgesundheitsamt 3710 solcher Auslandsinfektionen festgestellt. 773 gehen auf einen Aufenthalt im Kosovo zurück, 583 auf die Türkei, 426 auf Kroatien, 241 auf Spanien und 209 auf Italien.
Im Schwarzwald-Baar-Kreis gehen derzeit etwa 50 Prozent der Fälle auf Reiserückkehrer zurück, wie eine Sprecherin des Landratsamts auf Nachfrage angibt. Ob die Intensivpatienten auch dazu gehören, konnte die Sprecherin nicht beantworten.
Auch aus dem Landkreis Konstanz heißt es dazu: „Wie im vergangenen Jahr liegt ein Schwerpunkt bei Reiserückkehrern. Auffallend ist ein häufiger Bezug zu Südosteuropa.“ Genaue Zahlen nannte die Sprecherin aber nicht. Klinikverbundssprecherin Jagode sagt, dass mindestens vier der sieben Intensivpatienten Reiserückkehrer seien.
Prognose sieht weniger starke Belastung für Krankenhäuser
- Auswirkungen werden geringer sein: Die Inzidenzen steigen. Die Zahl der Intensivpatienten langsam auch. Bedeutet das, dass wir im Herbst und Winter wieder mit Engpässen rechnen müssen? Nicht zwingend. Entscheidenend ist die Impfquote. Schon jetzt ist aber klar, dass die Auswirkungen einer vierten Welle bei vergleichbaren Inzidenzen der vergangenen Wellen geringer sein werden. Das hat der Mathematiker Andreas Schuppert, Leiter des Instituts für Computational Biomedicine an der RWTH Aachen, in einer Studie berechnet. „Im Unterschied zu den vorangegangenen Pandemiewellen braucht es im Herbst eine höhere Inzidenz, bis die Intensivbetten vergleichbar stark belegt sind“, sagt der Mathematiker.
- Kleine Impfquoten-Änderung, große Wirkung: In der Studie hat er simuliert, wie hoch der Bedarf an Betten sein könnte – je nach Impfquote. „Nur wenige Prozentpunkte in der Impfquote haben eine erhebliche Auswirkung auf die potenzielle Intensivbelegung im Herbst“, sagt er auf Grundlage seiner errechneten Daten. Besonders die Impfquote bei den über 35-Jährigen sei relevant für die Krankenhausbe- oder -entlastung. So führe eine zehnprozentige Steigerung der Impfquoten bei den
über 35-Jährigen sowie den über 60-Jährigen „zu einer erheblich verringerten Intensivbettenbelegung“. (mim)