Die Erleichterung steht Armin Nagel ins Gesicht geschrieben. Der katholische Pfarrer auf dem Bodanrück (Kreis Konstanz) hatte am 5. Fastensonntag eine Predigt gehalten, in der er sich zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren bekannte.
Er fragte sich: Wie würden die offenen und filmisch dokumentierten Worte ankommen? Doch dann: Offener Beifall für den 48-Jährigen, dokumentiert auf einem bewegenden Video. Wie sein Schritt an höherer Stelle aufgenommen wird, konnte er nicht ahnen. Alles schien möglich – bis zur Verwarnung durch seinen Bischof.
Eine Woge der Zustimmung
Inzwischen weiß Nagel so viel: Die breite katholische Mehrheit hält diesen Schritt für überfällig. 60 Mails erhielt er auf seine Predigt vom 21. März, handgeschriebene Briefe aus dem Linzgau, dem Hochrhein, dem Schwarzwald. Südbaden segnet.
„Die Wogen gingen hoch, dann folgte eine Welle der Solidarität“, freut sich der Priester, der im Pfarrhaus von Litzelstetten wohnt. „Ihre Predigt hat mir Mut gegeben“, schreibt etwa ein Unterstützer, der die Kirche mit einem Fuß bereits verlassen hatte. Jetzt bleibt er. Der überwiegende Tenor der Zuschriften: Endlich hat einer den Mut, das Nötige zu sagen.

Auch Religionslehrer schreiben an den Prediger Nagel. „Wie soll ich die kirchliche Lehre noch vermitteln?“, rätselt einer in einem Brief. Selbst aus dem Seelsorgeamt wurde ihm Zustimmung signalisiert. Armin Nagel hat offenbar den richtigen Moment erwischt, er sagt: „Jahrelang wurde der Deckel auf den Topf mit kochendem Wasser gehalten.“ Jetzt geht der Deckel mit Getöse hoch, das explosive Gemisch ist nicht mehr zu halten.
Der Erzbischof lässt ihn gewähren
Und sein oberster Vorgesetzter in Freiburg? „Der Erzbischof hat sich bei mir nicht gemeldet“, berichtet Nagel. Stephan Burger gab nach dem Bekanntwerden der römischen Anordnung (14. März) eine dehnungsfähige Stellungnahme ab. Er werde das ernste Gespräch jenen Priestern suchen, die ein homosexuelles oder ein lesbisches Paar trotz Verbots segnen, hieß es aus Freiburg. Armin Nagel hat bisher nichts aus dem Ordinariat gehört, und es ist ihm auch recht. „Der Erzbischof lässt uns einen Spielraum“, denkt Nagel.
Der 10. Mai als symbolischer Tag
Diesen Spielraum werden er und zahlreiche Priester auch nützen, wenn sie am kommenden Montag, dem 10. Mai, einen speziellen Gottesdienst anbieten. Alleine der Wochentag – Montag – lässt aufhorchen. Unter dem liturgisch ungewöhnlichen Motto „Liebe gewinnt“ will sich die Kirche öffnen.
Sinnig ist dabei das Datum: Der 10. Mai gilt in der orthodoxen Kirche (!) als Gedenktag des Patriarchen Noah. Nach der Rettung von Noahs Familie in der Arche Noah setzte Gott einen Regenbogen in die Wolken – als Zeichen des Bundes. Der Regenbogen wiederum gilt als Symbol der Vielfalt, die es zu integrieren gilt.

Die Regenbogenflagge ist schon bestellt
Neben Litzelstetten wird auch die katholische Gemeinde in Markdorf einen Segnungsgottesdienst für alle anbieten. „Jeder kann daran teilnehmen, jeder kann sich segnen lassen“, sagt Ulrich Hund dem SÜDKURIER. Der Leiter der Seelsorgeeinheit Markdorf (Bodenseekreis) sieht sich in eine Mehrheit eingebettet, er hat sich abgestimmt mit seinem Gremium. Gemeindereferentinnen und Diakone sind ebenfalls der Ansicht, dass ihre Pfarrei Farbe bekennen sollte. „Wir müssen uns positionieren“, sagt Hund.
Im Gottesdienst am Montag wird auch eine Regenbogenflagge entrollt. Sie ist schon bestellt und bezahlt. Hund beschäftigt sich schon lange mit dieser Materie. Er zählt wie Armin Nagel zu den Seelsorgern, die ihre Unterschrift auf die lange Liste derjenigen gesetzt haben, die eine Segnung nicht verweigern. 2800 Aktive haben bisher ihren Willen bekundet, dem römischen Schreiben nicht Folge zu leisten.