Was wäre das Eintauchen in den Fernsehabend ohne die SWR-Landesschau? Das Format zählt zu den Lieblingssendungen vieler Bürger zwischen Kraichgau und Hotzenwald. Mit heimeligem Tonfall berichtet sie über aktuelle Ereignisse oder menschliche Schicksale. Meistens gelingt das – meistens.

Nur in den vergangenen Tagen hat es mit dem Soliden nicht geklappt, findet man auf der Reichenau – und das ausgerechnet bei einem Beitrag über die Osterfeiertage. Der Kurzfilm handelte vom Kirchenaustritt eines Ehepaares, das seit kurzer Zeit auf der Insel wohnt. Lioba und Otmar Traber erläutern ihre Grunde für den Austritt. Im Sonnenlicht stehen sie im Schilf, das Flachwasser glitzert, mindestens die Bilder stimmen. Doch der Beitrag schlägt inzwischen hohe Wellen.

Zwei Wochen vor Ostern traten sie aus

Dabei hatte es der SWR-Autor gut gemeint: Er war nach guter Reporterart auf die Insel gefahren, wo die Trabers (67 und 68) wohnen. Die Wohnung an der naturbelassenen Südseite diente ihnen früher als Ferienwohnung, heute ist es ihr Altersruhesitz.

Das Paar ist zwei Wochen vor Ostern aus der katholischen Kirche ausgetreten. Mehr noch: Die beiden haben ihre Entscheidung öffentlich gemacht und eine Initiative gegründet, die auch andere zu diesem Schritt auffordert – durchaus offensiv und mit einem Schuss an Kämpfertum.

Ihr Berufsleben verbrachten sie in Ludwigsburg

Was steckt dahinter? Diese Frage kann nur ein Hausbesuch auf der Insel klären. Wir sitzen in der Traberschen Wohnküche. In der Leseecke stapeln sich neue Bücher, auf dem Küchentisch liegt der aufgeschlagene SÜDKURIER. Die beiden haben drei Kinder und fünf Enkel, bunte Zeichnungen und Fotos zeugen von einem lebhaften Familienleben.

Die drei Patres Stephan (von rechts), Hugo und Stephanos betreuen die Seelsorge auf der Reichenau. Sie wollen nahe am Menschen sein ...
Die drei Patres Stephan (von rechts), Hugo und Stephanos betreuen die Seelsorge auf der Reichenau. Sie wollen nahe am Menschen sein – und keinen Austrittsgrund liefern. | Bild: Fricker, Ulrich

Ihre Lebensgeschichte spielt in Ludwigsburg. Dort zogen sie die Kinder auf, und dort auch engagierten sich die beiden in der katholischen Kirche, mit der sie seit der Taufe in Kippenheim (Mittelbaden) verbunden sind. „Ich war Ministrant, bis ich 20 war“, sagt er zum Beispiel. Auch ihr Berufsleben ist eng mit der Institution verknüpft. Traber arbeitete lagen Jahre für das Bildungswerk in Ludwigsburg, seine Frau gab dort Kurse und lehrte Meditation. Er tritt zudem als Kabarettist auf.

Das Segens-Verbot gab den Ausschlag

Die Distanzierung begann allmählich. Lioba Traber entwickelte alternative Formen des Gottesdienste, die näher am Leben sind, wie sie sagt. Den Ausschlag für den doppelten Austritt gab die Vatikan-Antwort Mitte März, die den Segen für Homosexuelle untersagt. „Da ist das Fass für uns übergelaufen“, sagen beide. Sie riefen beim Standesamt an. „In einer halben Stunde war alles erledigt“, berichtet er. Wenigstens der amtliche Teil.

Dann das Nicht-Amtliche: Ohne es zu ahnen, waren die beiden Ruheständler der Kirchengemeinde auf der Insel auf die Füße getreten. Bei manchen Zuschauern entstand durch den Kurzfilm der Eindruck, der Austritt habe etwas mit der katholischen Gemeinde auf der Reichenau zu tun. Den Trabers ging es jedoch nie um die Verhältnisse vor Ort, sondern um das Katholische insgesamt.

Die Seelsorger vor Ort sind dennoch besorgt, es geht um das Ansehen einer lebendigen Gemeinde. Die drei Patres, die diese Seelsorgeeinheit betreuen, sehen sich als Männer der Mitte. Sie haben die Zeichen der Zeit wohl erkannt. „Wir sind nicht rückständig“, sagt Pater Hugo Eymann.

„Wir waren schockiert“, sagt der Pater

Die drei Benediktiner sitzen nebeneinander auf einer Holzbank, unter dem Tisch knurrt Labrador Gino. Der SWR-Beitrag schadet ihrer Arbeit, sagen sie. Sie sind entsetzt, erhalten verunsicherte Anfragen. „Wir waren schockiert“, sagt Pater Stephan, der die kleine, zu Beuron gehörende Gemeinschaft leitet. Die drei Priester sind in der Gemeinde anerkennt, sie kennen die Reichenau mit ihren speziellen Traditionen inzwischen genau. Sie wollen beim Sender vorstellig werden, damit der Beitrag aus der Mediathek genommen wird.

„Wir fühlen uns benutzt“, sagt die Reichenauer Pfarrgemeinderätin Esther Bruder zum Beitrag in der SWR-Landesschau.
„Wir fühlen uns benutzt“, sagt die Reichenauer Pfarrgemeinderätin Esther Bruder zum Beitrag in der SWR-Landesschau. | Bild: Fricker, Ulrich

Auch der Pfarrgemeinderat wunderte sich über den SWR-Beitrag, der auf der Gemüseinsel spielt. „Wir fühlen uns benutzt“, sagt etwa Pfarrgemeinderätin Esther Bruder. Benutzt für etwas, was diese Gemeinde nicht sein will – ein Grund für einen Austritt aus der Kirche.

Der SWR korrigiert

Der Sender hat inzwischen Stellung bezogen. „Von ‚Protesten‘ kann keine Rede sein. Es gab auch Mails, die den Beitrag sehr gelobt haben“, sagt SWR-Sprecherin Ursula Foelsch auf Anfrage. Die missverständliche Zuschreibung der Ludwigsburger Vorgänge an die Reichenau wird vom Sender bedauert. „Die Moderation war missverständlich. Das haben wir umgehend korrigiert“, teilt der SWR dazu mit.