„Ein harter Schlag“: Vorarlberg ist jetzt Risikogebiet. Die Tourismus-Branche des Landes ist schockiert – und hofft doch auf den Winter
Das österreichische Bundesland will trotz der Einstufung um seine deutschen Wintersport-Touristen kämpfen. Dafür sollen weitere Regeln die Sicherheit garantieren. So sollen beispielsweise auch in Seilbahnkabinen die Abstandsregeln gelten.
Bregenz vom seinem Hausberg Pfänder aus gesehen: Das österreichische Bundesland Vorarlberg muss diesen Winter wohl mit deutlich weniger Touristen rechnen.
| Bild: Wieland, Fabiane
Mariele Schulze Berndt
„Skivergnügen ja, aber ohne Après-Ski!“ – so will Österreichs Kanzler Kurz den Wintertourismus durch die Pandemiezeiten bringen. Mittlerweile hat Deutschland neben Wien auch eine Reisewarnung für Vorarlberg ausgegeben. Um die kommende Winter-Saison zu retten, legten die österreichische Bundesregierung, Bundesländer und Wirtschaft gestern ein Sicherheitskonzept vor. „Der Tourismus ist Teil der österreichischen Identität“, so Kurz, (ÖVP), Österreich müsse die Infektionszahlen senken, um „die Reisewarnungen wieder los zu werden“. Sonst drohe die Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Après-Ski-Partys wird es diesen Winter in Österreich in alter Form nicht mehr geben. Das machte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz deutlich.
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Der Wintertourismus macht nahezu die Hälfte des Tourismus in Österreich aus. Dieser trägt zu mehr als fünfzehn Prozent zur Volkswirtschaft bei, so Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, verbunden damit seien 675.000 Arbeitsplätze.
„Tanzen und Singen unter der Schirmbar wird es in diesem Winter nicht geben“, erklärte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Veränderungen. Höchstens zehn Personen dürfen an einem Tisch sitzen. Speisen und Getränke müssen innen und außen im Sitzen eingenommen werden. Skikurse finden mit festen Gruppen und nicht mit mehr als zehn Personen statt. Skilehrer und Fremdenführer können sich, ebenso wie Tourismusmitarbeiter, kostenlos testen lassen. Die Maske wird auch für Seilbahnen und Sessellifte verpflichtend, ebenso der 1-Meter Abstand. Das soll zu einer geringeren Personenzahl in geschlossenen Kabinenseilbahnen und Zahnradbahnen und dürfte Wartezeiten mit sich bringen.
Was die Einstufung konkret bedeutet
Touristiker in Vorarlberg zittern
Vor allem Vorarlberg und Tirol zittern vor dem Einbruch des Wintertourismus. „Die deutsche Reisewarnung ist ein harter Schlag für uns“, sagt Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner; denn 54 Prozent aller Urlauber stammen aus Deutschland. Da es inzwischen mehr als 60 Infizierte auf 100.000 Einwohner gebe, sei die Entscheidung des RKI „nicht ganz überraschend“, so Wallner.
Jetzt setzt das Land alles daran, die Corona-Infektionen zu senken. Fast flehend appellierte Wallner an die ganze Bevölkerung, sich an die Regeln zu halten. Die Einstufung als Risikogebiet „wird den Tourismus intensiv treffen“, so Wallner. „Wir brauchen auch die Skeptischen“, erklärte der grüne Politiker Johannes Rauch. In ganz Österreich ist die Kluft zwischen den Bürgern gewachsen, die die Corona-Regeln einhalten und verschärfen wollen und denen, die sie für überflüssig halten.
Deutsche Touristen, die sich in Vorarlberg aufhalten, müssen bei der Rückreise jetzt einen negativen Test vorlegen. Wallner kündigte an, sie dabei zu unterstützen. „Wir wollen die Gäste gastfreundlich zurückbegleiten“, sagte er. Deshalb werden in Vorarlbergs Tourismusregionen mobile Teststationen des Roten Kreuzes eingerichtet. Dort können sich Deutsche zum Preis von 45 Euro testen lassen.
Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Dicht gedrängt schauen Wintersportler in Ischgl einem Konzert von Schlagersängerin Helene Fischer zu.
| Bild: Felix Hörhager, dpa
Tirol fürchtet Anstieg der Arbeitslosigkeit 67.500 Arbeitsplätze in Tirol hängen am Wintertourismus, so Landeshauptmann Günter Platter, ÖVP. Er verteidigte die dreiwöchige auf 22 Uhr vorgezogene Sperrstunde für Lokale, die in Salzburg, Vorarlberg und Tirol gilt. Dadurch werde den Gästen bewiesen, dass man für ihre Gesundheit und sicheren Urlaub im Land sorge.
Der Après-Ski mache lediglich drei Prozent der Wertschöpfung des Tiroler Tourismus aus, deswegen sei er wohl verzichtbar. Gefragt, ob er sich für Ischgl im März entschuldigen wolle, konnte sich Günther Platter (ÖVP) sich zu einem „Es tut mir leid, sehr leid“, durchringen. „Bei einer Pandemie kann nicht eine Person die Schuld auf sich nehmen,“ so der Tiroler Landesvater. Schon am Samstag wurde am Pitztaler Gletscher der Skibetrieb wieder aufgenommen. Dort sollen ein Besucherlenksystem und mehr Skibusse Abstand ermöglichen.
Einbruch in Wiens Tourismus
Wien ist die Stadt der Bälle und der internationalen Touristen. Wegen der hohen Infektionszahlen fallen dort im kommenden Winter beide aus. Zwar dürfen noch Weihnachtsmärkte stattfinden. Doch die deutschen Gäste, die 2019 fast zwanzig Prozent aller Übernachtungen in Wien brachten, werden 2020 kaum kommen.