Das Lagerfeuer knistert, im Hintergrund wabern dichte Nebelschwaden um dunkle Tannen herum. Der Konstanzer Hans sitzt mit den Kameraden des Schul-Tonis, einem berüchtigten Räuber, auf einer Lichtung im Schwarzwald zusammen.
Hier, nahe Harmerspach (heute Oberharmersbach im Ortenaukreis), planen sie ihren nächsten Raubzug in ein Bauernhaus, träumen von Milch, Käse und Speck, um ihre knurrenden Mägen zu füllen. Für den Konstanzer Hans, gerade einmal 18 Jahre alt, ist es der erste größere Einbruch – doch viele sollten folgen.
Wann genau die Weichen seines Lebens in diese falsche Richtung gestellt wurden, ist schwer zu sagen. Warum es dazu kam, dieser Frage widmet sich der Freiburger Autor Thomas Binder in seiner Romanbiographie ‚Der Galgentänzer – Leben einer Schwarzwälder Räuberlegende‘ über den Konstanzer Hans.

Schwere Kindheit mit Armut und Gewalt
Schon dessen Kindheit stand unter einem schlechten Stern. Als Johann Baptista Herrenberger wird er im Jahre 1759 in Oppenau geboren. Seinen Spitznamen Konstanzer Hans, der ihn sein Leben lang begleiten sollte, hat er von seinem Vater geerbt, der aus Konstanz in den Schwarzwald gezogen ist.
Die Kindheit ist von Armut, Hunger und einem gewalttätigen Vater geprägt – und einer besonderen Beziehung zu seiner Schwester Franzelen, die der wichtigste Mensch in seinem Leben ist. Der Vater zieht als fahrender Handwerker umher, lebte zeitweise auf der Straße. Von Kindheit an muss Hans betteln und Kleinigkeiten verkaufen, um zum Auskommen der Familie beizutragen.
Doch dann ein Lichtblick: Im Kloster Allerheiligen eröffnet sich ihm die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen. Der Vater stellt sich jedoch quer. Nach Hans erstem kleinen Diebstahl auf einem Markt zwingt dieser seinen Sohn sogar, einer Hinrichtung in Oppenau zuzuschauen – als brutale Abschreckung.
Hans hält es bald zuhause nicht mehr aus, nach einem heftigen Streit mit seinem Vater im Sommer 1777, verlässt er die Familie. Etablierte Schwarzwälder Gauner wie der Brentemer Sepp oder der Schul-Toni nehmen Hans bei sich auf – und nehmen zu Diebestouren mit. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er fortan mit Diebstählen und Raubzügen – wie eben jenem in Harmerspach.
Mit Tricks und Finten entkommt er dem Gefängnis
Doch nicht immer läuft alles nach Plan. Bereits im Winter 1777 liegt er das erste Mal in Ketten im Blockhaus von Harmerspach. Die Angst vor dem Galgen quält ihn. Doch in den Verhören stellt er sich geschickt an. Er kommt frei – diesmal und auch in den folgenden Jahren mehrfach. Aus der Folter und den brutalen Haftbedingungen lernt der Konstanzer Hans jedoch nicht.
Seine Raubzüge weitet er aus, bald stellt er seine Lehrmeister in den Schatten, wird einer der berüchtigtsten Gauner zwischen Bodensee und Elsass, Breisgau und Ortenau. Aus der Habsburger Armee, für die er sich zeitweise verpflichtet, desertiert er mehrfach. Mit den Jahren wächst seine Erfahrung, er überfällt nun lieber Pfarrer als Bauern, da dort mehr zu holen ist, und legt sich falsche Identitäten zu.
Ein mächtiger Gegenspieler verfolgt den Hans
Zeitgleich wächst in Sulz am Neckar ein Gegenspieler heran, der bereit ist, es mit dem Hans aufzunehmen: Der Oberamtmann Jacob Georg Schäffer. Für den ist die Verbrechensbekämpfung nicht nur nur eine lästige Aufgabe, sondern Passion. Kiloweise Akten häuft er an, lässt sich Unterlagen aus ganz Süddeutschland zuschicken und revolutioniert die Kriminalistik.
Sein Ziel: Er will den Hans an den Galgen bringen. Die Schlinge um dessen Hals zieht sich zum Ende des 18. Jahrhunderts langsam zu, er wird überall gesucht.
Nun, im Frühjahr 1784, sitzt der Hans in einer Kutsche, Eisenfesseln um Hand- sowie Fußgelenke und den Kopf auf einer Seite rasiert. Es geht nach Sulz – der Schäffer hat ihn endlich erwischt. Denn in Offenburg war er abermals verhaftet worden, im Verhör verrät ihn ausgerechnet sein eigener Vater, der seine falsche Identität auffliegen lässt. Er wird zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt.
Doch dem Oberamtmann ist das nicht genug, er lässt ihn zu sich bringen. Schaulustige säumen immer wieder den Weg, bieten dem Gefangenen Essen und Trinken an.
Doch in Sulz angekommen, nimmt Hans Zusammentreffen mit Schäffer eine unerwartete Wendung. Der gut vorbereitete Hauptmann kann den Räuber zu einem umfassenden Geständnis bewegen. Über mehrere erzählt der Hans von seinen und den Taten anderer.
Er gesteht Einbrüche, Diebstähle und verrät geplante Überfälle anderer – und entgeht so ein weiteres Mal dem Galgen. Der Galgentänzer wird begnadigt und nur zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Erst 1793 stirbt der Konstanz Hans im Armenhaus in Ludwigsburg.
Lesetipp: Viele weitere Details und Einblicke in das Leben des Hans finden sich in „Der Galgentänzer – Leber einer Schwarzwälder Räuberlegende“, erschienen im Badischen Landwirtschaftsverlag, 276 Seiten, 16,80 Euro. Autor Thomas Binder beschreibt in der Romanbiographie den Werdegang des Gauners Johann Baptista Herrenberger, genannt Konstanzer Hans, sowie die Lebensumstände der Menschen am Rande der Gesellschaft im späten 18. Jahrhundert.