Es war eine erschütternde Nachricht: Mitte Dezember ist ein zweijähriges Mädchen nahe ihres Elternhauses in Bingen (Kreis Sigmaringen) in einem Fluss ertrunken. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, um einer möglichen Aufsichtspflichtverletzung der Mutter nachzugehen. Nun neigen sich die Untersuchungen dem Ende zu. Detlef Kröger, Anwalt in Illertissen, hat die Verteidigung der Mutter übernommen. Er ist sich sicher: Es handelt sich um ein fatales Unglück.
Wie konnte es zu dem Unglück kommen?
Für Kröger erscheint folgendes Szenario am wahrscheinlichsten: Die Mutter des Mädchens war am frühen Nachmittag allein mit dem Mädchen daheim, als sie mit dem Vater telefonierte. Sie brachte währenddessen den Müll raus, ihr Kind folgte ihr. Sie trug es auf ihrem Arm wieder zurück ins Haus, genauer gesagt: in das Zimmer des Ehebettes.
Die Mama zog laut Kröger das Zweijährige um, die Sachen waren zuvor dreckig geworden. Da sich für den Nachmittag Besuch angekündigt hatte, zu dem weitere kleine Spielkameraden erwartet wurden, zog die Frau ihrer Tochter nur leichte Kleidung an, eine Hose und eine dünne Strickjacke – aber keine Schuhe. Die Kinder sollten sich später also im Haus aufhalten.
Da das Mädchen aufgeregt gewesen sein soll, habe sich die Frau mit ihrem Kind ins Ehebett gelegt, um es zu beruhigen. Als ihre Tochter schlief, habe sie sie dann in ihr Kinderzimmer gebracht. Um 15 Uhr herum sei die Mutter davon ausgegangen, dass ihre Tochter in ihrem eigenen Bett schläft.
Die Frau wollte diese Zeit nutzen, um weiter Ordnung im Haushalt zu schaffen. Sie soll im oberen Teil des Hauses Bad und Toilette geputzt haben. Während sie das tat, soll das Kind wieder aufgewacht und nach unten gegangen sein. Hier soll es selbst in seine Schuhe mit Klettverschlüssen geschlüpft und durch die offene Tür ins Freie gelangt sein. Möglich sei laut Kröger auch, dass das Kind die Tür selbstständig aufgemacht habe.
Einsatzkräfte hatten wohl keine Chance
Zu diesem Zeitpunkt, sieben Tage vor Heiligabend, sei der Pegel des nahen Flusses außergewöhnlich hoch und der Boden rutschig gewesen, sagt Kröger. Das Mädchen sei in die eiskalte Lauchert gefallen und habe gegen die starke Strömung keine Chance gehabt.
Die Mutter und der gegen 16 Uhr eingetroffene Besuch hätten all das nicht mitbekommen. Die Frau soll alle in die Küche geführt und alle gebeten haben, leise zu sein. Ihre Tochter schlafe ja nebenan. Zu diesem Zeitpunkt, war ihre Tochter wohl schon tot.
Da hatten Hunderte Einsatzkräfte noch gar nicht mit der Suche begonnen, die mehr als 40 Stunden andauern sollte. Spürhunde, Drohnen und Hubschrauber waren im Einsatz. Das tote Mädchen wurde schließlich am Morgen des 19. Dezembers auf Höhe des Ortseingangs des Bingener Ortsteils Hitzkofen entdeckt. Die Leiche habe sich in einem von außen nicht einsehbaren Gestrüpp im Wasser befunden, erklärte ein Polizeisprecher am selben Tag.
Verfahren könnte bald beendet werden
Die Staatsanwaltschaft ging daraufhin dem Verdacht nach, ob die 24-jährige Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht habe. Die Ermittlungen könnten bis Ende Januar abgeschlossen werden, hatte die Staatsanwaltschaft Hechingen vor einigen Tagen auf Nachfrage des SÜDKURIER gesagt.
Nach Ende der polizeilichen Ermittlungen soll die Mutter noch angehört werden, sagt Ronny Stengel, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das sei bis Donnerstag noch nicht geschehen. Anschließend könnte das gesamte Verfahren bis Ende Februar beendet werden.