„Es gab mindestens vier traumatische Einwirkungen an unterschiedlichen Stellen“, sagt die Rechtsmedizinerin, die an diesem Morgen im Gerichtssaal des Landgerichts Konstanz spricht. Es ist einer von mehreren entscheidenden Sätzen, die der Einlassung des Angeklagten Mike W. widersprechen.

Mike W. soll Jan Heisig am Abend des 2. Juni 2019 in seinem Schlafzimmer attackiert haben. Er gab in seiner Einlassung Ende November an, Heisig zwei Schläge verpasst zu haben: einen ins Gesicht und einen gegen den Oberkörper. Später sei das Opfer noch aufgestanden und habe sich im Badezimmer gewaschen. Außerdem habe der Angeklagte Jan Heisig in den folgenden Tagen mehrmals mit Essen und Trinken versorgt.

Brüche sind mutmaßlich durch Tritte entstanden

Das Gutachten der Rechtsmedizinerin zeigt nun: Einige dieser Aussagen können so nicht stimmen. „Mehrere Hinweise sprechen dagegen, dass das Opfer noch länger überlebt hat. Insbesondere gegen einen guten Zustand über mehrere Tage, in denen er essen, trinken und sich waschen konnte. Das passt nicht zum Verletzungsbild“, sagt die Rechtsmedizinerin.

Am Leichnam seien Rippenbrüche festgestellt worden, auf beiden Seiten des Brustbeins. „Die Brüche auf der rechten Seite der Brust sind sicher nicht durch einen Schlag entstanden“, sagt die Rechtsmedizinerin. „Solche schweren Verletzungen werden eher durch Tritte verursacht, oder durch das Springen oder Sitzen auf dem Oberkörper.“

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Nur ein Bruch durch Schlag erklärbar

Weitere Brüche stellte die Rechtsmedizinerin am Kehlkopf und dem Zungenbein fest. Auch diese seien nicht durch einen Schlag entstanden, sondern eher durch Tritte oder das Würgen mit beiden Händen. Damit ist klar: Die zwei Schläge, die Mike W. eingeräumt hatte, reichten laut Rechtsmedizinerin nicht aus, um Jan Heisig derartig zu verletzen.

Lediglich ein Bruch in der rechten Augenhöhle sei durch einen Schlag erklärbar. Der Schlag müsse Wucht gehabt haben. Es sei wegen anderer Verletzungen auch denkbar, dass Mike W. ein zweites Mal in Heisigs Gesicht schlug.

Heisig erstickte mutmaßlich an seinem Blut

Zur Todesursache gibt die Rechtsmedizinerin zu Protokoll, dass Jan Heisig vermutlich sein Blut einatmete und daran erstickte. Durch den Bruch in der Augenhöhle sei Blut in die Atemwege gelangt. Die Rechtsmedizinerin geht davon aus, dass Jan Heisig möglicherweise sein Bewusstsein verlor. Daher soll er nicht mehr in der Lage gewesen sein, das Blut etwa auszuspucken.

„Der Tod nach Einatmung tritt rasch ein, innerhalb weniger Minuten“, sagt die Rechtsmedizinerin. Da die Zeit zwischen Schlag, Bewusstseinsstörung und Einatmen des Blutes recht kurz gewesen sein muss, ist Jan Heisig möglicherweise noch am selben Tag verstorben. Jan Heisig habe außerdem nur eine Minimalchance auf Überleben gehabt.

Neues Bodenradargerät im Einsatz

Weitere Details trägt der Kriminaltechniker bei, der an der Ausgrabung des Leichnams beteiligt war. Mit einem Bodenradargerät sei der Bereich des Anwesens abgesucht worden. „Ich wusste auch nicht, dass die Polizei Baden-Württemberg so ein Gerät hat. Das muss wohl neu im Einsatz ein“, sagt der Kriminaltechniker. Das erklärt möglicherweise, warum das Gerät nicht bereits 2019 zum Einsatz kam.

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„Zusammengeklappt wie ein Klappmesser“

70 bis 80 Zentimeter von der Hauswand entfernt sei mit dem Gerät eine Auffälligkeit festgestellt worden. Diesen Bereich trugen die Polizeibeamten in fünf bis zehn Zentimeter dicken Bodenschichten ab. Schließlich fanden sie ein Paket, das etwa 1,20 Meter lang und 50 Zentimeter breit war. Es war mit Bitumen umhüllt, ein Mineralölprodukt, das eigentlich im Straßenbau eingesetzt wird.

Unter der Bitumenschicht seien mehrere Schichten Plastik- und Aluminiumfolie zum Vorschein gekommen. Die darin eingewickelte Leiche wurde „zusammengeklappt wie ein Klappmesser“, stellt der Vorsitzende Richter Arno Hornstein fest: Die Brust lag auf den Oberschenkeln, der Kopf im Bereich der Unterschenkel.

Sehr guter Zustand der Leiche

Bekleidet war das Opfer lediglich mit einer Unterhose, weitere Kleidungsstücke und Schuhe seien ebenfalls im Paket gewesen. Ein DNA-Vergleich mit einer Zahnbürste Heisigs und einem Nagel der Leiche stellte schließlich zweifelsfrei Heisigs Identität fest.

Die Leiche sei sehr gut erhalten, wie auch die Rechtsmedizinerin bestätigt. Sie geht daher davon aus, dass die Leiche sehr rasch nach dem Tod eingepackt worden sei, möglicherweise bereits vor Einsetzen der Leichenstarre zwei bis drei Stunden nach dem Tod. Es sei aber auch denkbar, dass das Opfer in dieser Position liegend verstarb.

Am Landgericht Konstanz haben die Richter und Schöffen noch einige Prozesstage vor sich, bevor sie ihr Urteil fällen werden.
Am Landgericht Konstanz haben die Richter und Schöffen noch einige Prozesstage vor sich, bevor sie ihr Urteil fällen werden. | Bild: Hanser, Oliver

Verpackung machte Fund durch Hunde schwer möglich

Erst als die Folie aufgeschnitten wurde, sei der Geruch wahrnehmbar gewesen: „Das ist ein Grund, warum die Leichenspürhunde damals nicht angeschlagen haben.“ Zudem sei die Leiche mit knapp 1,50 Metern sehr tief vergraben gewesen.

Der Kriminaltechniker sagte zudem, ein bei der ersten Suche entdeckter toter Hase habe keine Rolle dabei gespielt, dass man Heisigs Leiche nicht so schnell fand. Der Hase sei vielleicht am Teich abgelegt worden, weshalb die Leichenspürhunde dort anschlugen. Die Ermittler hätten aber später noch die Gemüsebeete umgegraben und seien erneut mit den Hunden über das Grundstück gegangen.

Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.