Sie geht gefasst, geht zügigen Schrittes in den Zeugenstand. „Wenn es zu hart wird, sagen Sie Bescheid, wir haben genug Zeit, um mal eine Pause einzulegen“, sagt der Vorsitzende Richter Arno Hornstein. An diesem achten Prozesstag im Verfahren um die verschwundene Jasmin M. hat ihre Mutter ausgesagt.
Vor dem Jahreswechsel hatte die 57-Jährige einen emotionalen Appell an den Angeklagten Robert S. gerichtet, er möge doch sein Schweigen brechen, sofern er irgendetwas wisse. Der 43-jährige S. ist der Ex-Partner von Jasmin M., er muss sich unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Konstanzer Landgericht verantworten.
Sie war eine der Jahrgangsbesten
Die Mutter soll zuerst ihre Tochter beschreiben: Wie war sie als Mensch? Sie sei von Anfang an sehr selbstständig gewesen, das habe schon die Trainerin beim Eltern-Kind-Turnen gesagt, erzählt sie. „Das hat sich bis aktuell so fortgesetzt.“
Eine gute Schülerin sei sie gewesen, habe nie etwas tun müssen für die Schule, das sei ihr so zugeflogen. Nach der 11. Klasse wollte sie aber lieber eine Ausbildung machen, sie wollte arbeiten in ihrem Traumberuf als Kfz-Mechatronikerin. In einem Konstanzer Betrieb hat sie dann die Lehre begonnen; auch da, so berichtet es später in der Vernehmung ihr früherer Ausbilder: zuverlässig und mit Bestnoten. Sie war eine der Jahrgangsbesten.
Eigentlich hat sie immer bald geantwortet, dieses Mal war es anders
Nach der Ausbildung wechselte sie den Betrieb, um weniger körperlich arbeiten zu müssen, sie wurde dann Serviceberaterin in der Werkstatt, in der sie den Angeklagten kennenlernte. Sie habe gern gearbeitet, berichtet die Mutter wie alle Zeugen zuvor auch. Ihre Tochter habe aber auch Stress empfunden und gesagt, sie verstünde, warum alle ihre Vorgänger an Burnout gelitten hätten.
Mit Robert S. habe sie dort schnell angebandelt, die Kollegen haben wohl gar gewettet, wann die beiden ein Paar würden – so habe es Jasmin ihrer Mutter mal erzählt.
Sie ist unmittelbar vor dem Verschwinden ihrer Tochter zu ihrer Familie nach Dresden gefahren; hat nach ihrer Ankunft eine Kurznachricht geschickt, „das ist bei uns so üblich“, sagt die Mutter. Jasmin M. habe auf diese Nachrichten nicht immer sofort, aber immer bald geantwortet. Dieses Mal war es anders.
Über Stunden sei nichts zurückgekommen, erzählt die Mutter. Irgendwann habe sie versucht, ihre Tochter anzurufen, da war das Handy aber aus. Ihre folgende WhatsApp-Nachricht wurde nicht mehr zugestellt. Darin stand: Alles in Ordnung?
Noch an jenem Abend beginnt sie, Freunde von Jasmin M. anzurufen, versucht Kontakt herzustellen zu jüngeren Bekanntschaften, von denen sie keine Telefonnummern hat. Sie telefoniert mit Robert S., der sagt, dass er auch nicht wisse wo sie ist, dass sie aber auf einer Party in der Schweiz gewesen sei.
Lkw-Fahrer halten Ausschau
Am Dienstag, es war der 21. Februar 2023 und zwei Tage nach dem letzten Kontakt, meldet die Mutter Jasmin M. bei der Polizei als vermisst. Und organisiert unermüdlich zivile Hilfe: Sie verbreitet Suchaufrufe, druckt Plakate, die sie privat verteilt. Eine befreundete Lkw-Fahrerin teilt den Aufruf unter ihren Kolleginnen und Kollegen, damit die auf die Straßengräben achten. Zu diesem Zeitpunkt ist sich Jasmin M.s Mutter ziemlich sicher: Ihre Tochter muss einen Autounfall gehabt haben.
Sie bittet weitere Logistikunternehmen um Hilfe, vor allem eines habe ihr sehr geholfen, berichtet sie. Die haben die Suchbilder sogar ausgedruckt und an alle Fahrer verteilt. Für sich selbst organisiert sie jemandem vom ADAC, der sie von Dresden zurück in den Südwesten fahren kann. „Ich war zu dieser Zeit nicht fahrtauglich“, sagt sie, zu aufgewühlt.
Auf der Rückfahrt läuft eine Radionachricht: Jasmin M. sei gefunden worden. Es stellt sich schnell als Falschmeldung heraus. Dafür erfährt die Mutter bald, dass das Auto gefunden wurde – ihre Vermutung eines Verkehrsunfalls also ausgeschlossen werden konnte. „Dann geistert einem alles durch den Kopf“, sagt sie vor Gericht.
Wie ein böser Film
Auch Jasmin M.s Mutter ist sich sicher: Einfach abhauen? Das würde ihre Tochter niemals tun. Schon gar nicht in die weite Ferne, das sei überhaupt nicht ihr Ding gewesen. Außerdem: Die geliebte Arbeit und Hund Molly, die würde sie nicht einfach zurücklassen. Molly ist derzeit bei einer guten Freundin, erzählt sie, bei einer, die den Hund sofort wieder hergeben würde, sollte ihre Tochter doch wieder auftauchen.
Sie berichtet auch von dem Veilchen, das Robert S. ihrer Tochter wohl verpasst hat, aber auch, wie sehr sich die beiden wohl liebten. „Darf ich fragen, wie es Ihnen geht?“, fragt Richter Hornstein schließlich noch. „Es ist wie ein böser Film“, sagt sie. „Man muss wohl irgendwann einsehen, dass es so ist. Da bin ich aber noch nicht.“
Zwei Prozesstage werden gestrichen
Der Prozess neigt sich seinem Ende; entzerrt wird er noch, weil das Gericht zwei der verbleibenden fünf Verhandlungstage streicht. Es könnte dies ein Indiz sein, dass die Kammer sich mehr Bedenkzeit verschaffen will. „Ein bisschen war die Luft am Ende raus“, sagte hingegen eine Prozessbeobachterin. Es wurden sehr viele Indizien gesammelt. Dafür bleibt nun noch ein weiterer Tag, danach folgen Plädoyers und Urteil.