Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und muss nach 2013 wieder den Gang in die außerparlamentarische Opposition antreten. Dieses Szenario war in der Partei seit Wochen befürchtet worden, die Umfragen hatten es großenteils so vorausgesagt.

Dennoch bricht am Tag danach erst einmal Chaos bei den Liberalen aus: Nachdem am Wahlabend Parteichef Christian Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki ihren Rückzug angekündigt hatten, ließ sich die Verteidigungsexpertin und Europaparlamentarierin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Montag damit zitieren, sie werde dort in der Partei Verantwortung übernehmen, wo es notwendig sei und wo es gewünscht werde. Bedeutet: auch als neue Vorsitzende.

Die Liberalen im Richtungsstreit?

Hinter ihr würden sich die eher sozialliberalen Köpfe versammeln, hieß es in Berlin. Montagmittag aber kündigte Wolfgang Kubicki zumindest die Möglichkeit eines Rückzugs vom Rücktritt an: „Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen“, so der bisherige Vizepräsident des Bundestags auf X.

Er denke ernsthaft darüber nach, im Mai zu kandidieren, „um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren.“ Kubicki zählt zu den eher rechten Liberalen.

Und der Thüringer Landeschef Thomas Kemmerich, der 2020 als Kurzzeit-Ministerpräsident von Gnaden der AfD zweifelhafte Berühmtheit erlangte, drohte gar mit Abspaltung: „Wenn sich die Linksliberalen beim Parteitag durchsetzen, dann bleibt mir keine andere Wahl, als eine neue liberale Partei zu gründen“, sagte er dem Nachrichtenportal The Pioneer. Kemmerichs Thüringen-FDP war bei der Landtagswahl im vergangenen September mit 1,1 Prozent aus dem Parlament geflogen.

Damit verdeutlicht sich ein Flügelkampf in der kleinen Partei, der sich bereits bei der viel diskutierten Abstimmung über das Zustrombegrenzungsgesetz von CDU und CSU abgezeichnet hatte, das trotz Stimmen der AfD nicht den Bundestag passierte – vor allem, weil die Liberalen den Fraktionszwang aufhoben und 23 ihrer Mitglieder fernblieben, sich enthielten oder mit Nein stimmten.

Jurisch und Strasser machen ehrenamtlich weiter

Dem widersprechen die Ausgeschiedenen. Sowohl Benjamin Strasser aus Weingarten als auch Ann-Veruschka Jurisch aus Konstanz berichten von einer aufgeräumten, geschlossenen Stimmung in der Partei. Vor der Sitzung am Montag habe sie durchaus gemischte Gefühle gehabt, so Jurisch. Es habe dann aber eine große Geeintheit geherrscht.

Wie es nun für sie weitergeht? „Ich habe erst einmal keinen Plan B“, sagt die gelernte Juristin Jurisch. Sie habe alle Energie im Wahlkampf gelassen. Viel härter sei es ohnehin für die Mitarbeitenden der Fraktion, die jetzt neue Arbeit finden müssen.

Um seine Mitarbeiter will sich auch Strasser zuerst kümmern, dann sich selbst eine neue Aufgabe suchen. Er war bis zum Ende der Ampel-Regierung Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium von Marco Buschmann, der sich nach nur zwei Monaten als Generalsekretär der Liberalen ebenfalls zurückzieht.

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Strasser möchte wie Jurisch auch ehrenamtlich weitermachen. „Ich bin überzeugt, es braucht weiterhin eine FDP, die wirtschaftlich und gesellschaftlich liberale Politik macht“, sagt er. Kemmerichs Vorschlag nennt er eine Einzelmeinung.

Jurisch, die weiterhin dem Konstanzer Kreistag angehört, würde in Zukunft auch wieder für ein Bundestagsmandat kandidieren, sagt sie. Strasser sagt: „Was in vier Jahren ist, wird sich dann zeigen.“

Enttäuscht und wild entschlossen

Enttäuscht, aber wild entschlossen zeigt sich derweil Birgit Homburger, die dem Konstanzer Kreisverband der FDP vorsitzt. Es müssten jetzt die Fehler analysiert und aufgearbeitet werden, so die frühere Bundestagsfraktionschefin. „Es braucht eine personelle und organisationelle Neuaufstellung.“ Und im kommenden Jahr soll die FDP Teil der baden-württembergischen Landesregierung werden, sagt sie.

Und die Parteispitze? Erst einmal müsse man die Wahl jetzt strategisch auswerten, meint auch Strasser. „Und dann wird es eine Teamlösung geben“, glaubt er. In der FDP werden Parteiämter bislang nicht bezahlt, deshalb sehen viele nun die Mandatsträger in der Verantwortung – Strack-Zimmermann etwa. Oder eben Kubicki. Auf den 72-Jährigen wartete sonst wohl die Rente.