„Das ist die pünktlichste Bahnstrecke Deutschlands“, schreibt eine „Spiegel“-Journalistin vor einigen Tagen über die Gäubahn. „Warum funktioniert hier, was woanders nicht mehr geht? Gibt es eine Bahn-Zauberformel im Südwesten?“, fragt die Journalistin. Eine Zauberformel für die Gäubahn? Eigentlich glänzt die Strecke eher durch Ausfälle statt als Paradebeispiel für gute Bahnpolitik.

Streckensperrungen nicht einbezogen

Der Bericht des „Spiegel“ bezieht sich auf Daten des Bundesverkehrsministeriums aus dem August 2024. Im Fernverkehr war die Intercity-Linie Stuttgart – Singen – Zürich laut Ministerium die pünktlichste Hauptlinie im ersten Halbjahr 2024: In 81 Prozent der Fälle sei die Gäubahn pünktlich gewesen.

Was in der Statistik nicht vorkommt, sind die vielen Streckensperrungen zwischen Singen und Stuttgart. Beispielhaft hat der SÜDKURIER die Verlässlichkeit des IC angeschaut, der planmäßig um 12:35 Uhr in Singen losfuhr.

Keine Zauberformel für die Gäubahn

Wie kommen die Daten der Bahn zustande? „Wir nehmen alle Halte auf der Strecke und schauen, wie pünktlich die Bahn dort ankommt“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

Das fließe dann in die Statistik ein. Gemessen wird bei der Bahn lediglich, ob die Bahn pünktlich an einem Halt ankommt – ob es danach mit einem Schienenersatzverkehr-Bus weitergeht oder der Zug komplett ausfällt, ist für die Statistik nicht relevant.

Als pünktlich gelten in der Bahnstatistik alle Züge, die maximal 5 Minuten und 59 Sekunden zu spät im Bahnhof einrollen – wir haben in unserer Analyse aber alle Verspätungen einberechnet.

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Warum ist die Gäubahn trotzdem so pünktlich an den Tagen, an denen sie fährt? „Die Gäubahnstrecke ist eine Linie, die keinen langen Laufweg hat. Es fährt auch wenig Güterverkehr auf den Schienen“, erklärt die Bahnsprecherin.

Daher habe die Gäubahn weniger Abhängigkeiten als andere Fernverkehrslinien. „Die Gäubahn ist besonders pünktlich, als pünktlichste Bahnstrecke würde ich sie nicht bezeichnen“, sagt die Sprecherin. Dass die Gäubahn eine Art Zauberformel habe, das sieht sie nicht so.

Denn auch der Deutschen Bahn ist bewusst, dass es auf der Strecke häufig Bauarbeiten gibt. Auch für den Sommer 2025 ist eine Baumaßnahme geplant: Zwischen dem 20. Juni und dem 25. Juli 2025 arbeitet die Bahn an der Oberleitung zwischen Eutingen im Gäu und Horb (Kreis Freudenstadt). Dann werden dort auch Gleise, Schotter und Weichen erneuert. Der Streckenabschnitt wird also gesperrt sein.

Kein Beispiel für pünktlichen Bahnverkehr

Matthias Gastel ist bahnpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Er sagt, dass die Gäubahn kein Beispiel für einen pünktlichen Bahnverkehr sei. „Stattdessen dient sie eher als Beispiel für Probleme, insbesondere etwa bei schlecht koordinierten Baustellen.“

Der bahnpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Matthias Gastel, spricht in Konstanz über die Probleme der Bahninfrastruktur ...
Der bahnpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Matthias Gastel, spricht in Konstanz über die Probleme der Bahninfrastruktur im Kreis. | Bild: Moritz Stein

Die Pünktlichkeitsstatistik hält er für irreführend: „Würden die Ausfälle durch Sperrungen berücksichtigt, wäre die Pünktlichkeitsstatistik auf der Strecke katastrophal.“ Zudem gibt Gastel, ebenso wie die Bahnsprecherin, zu bedenken, dass die Gäubahn für eine Fernverkehrslinie eine recht kurze Strecke bedient: „Da längere Linien tendenziell verspätungsanfälliger sind, müssen Vergleiche zwischen Fernlinien sehr mit Vorsicht genossen werden.“

Auch das Kriterium Pünktlichkeit stellt Matthias Gastel infrage: „Gerade an reisestarken Tagen, etwa wenn viele Touristen mit ihren Fahrrädern an den Bodensee reisen, wird die Pünktlichkeit schlechter sein – und betrifft dann besonders viele Reisende.“ Das zeige sich in den Durchschnittszahlen dann aber nicht.

Ungewisse Zukunft für die Gäubahn

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gescheitert.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gescheitert. | Bild: Hilser, Stefan

Ohnehin steht die Gäubahn vor einer ungewissen Zukunft. Vergangene Woche wies das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des Landesnaturschutzverbandes ab. Die Verbände wollten dagegen klagen, dass die Gäubahn 2026 im Rahmen der Stuttgart-21-Bauarbeiten gekappt wird. Die Kappung darf die Bahn nun umsetzen.

„Die Kappung der Gäubahn wird die Bedeutung der Bahnstrecke deutlich einschränken“, sagt Matthias Gastel. Die Interessen der Fahrgäste seien in der Diskussion in den Hintergrund geraten. Durch die gescheiterten Klagen müsse nun eine politische Lösung her.

„Ich bedaure, dass in den letzten Jahren nicht mehr ernsthaft versucht wurde, die verschiedenen Interessen bestmöglich unter einen Hut zu bekommen“, sagt Gastel. Seiner Ansicht nach dürfe die Kappung der Gäubahn nicht umgesetzt werden, bevor nicht die Finanzierung und der Bau des Pfaffensteigtunnels sichergestellt sei.