Für Andreas Fürst aus Rielasingen-Worblingen war es die „schmerzhafteste Entscheidung“ in seiner Feuerwehr-Karriere: Der engagierte Landesjugendleiter der Jugendfeuerwehr Baden-Württemberg musste irgendwann das tun, was viele Organisatoren von größeren Veranstaltungen in diesem Jahr tun müssen: Das beliebte Landesjugendzeltlager in Legau im Allgäu absagen. „Aber die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen steht für uns an erster Stelle“, sagt der 43-Jährige dem SÜDKURIER.

Andreas Fürst ist Jugendleiter der Jugendfeuerwehr Baden-Württemberg.
Andreas Fürst ist Jugendleiter der Jugendfeuerwehr Baden-Württemberg. | Bild: Jugendfeuerwehr Baden-Württemberg

Schwierige Voraussetzungen

So wie Fürst geht es wohl vielen, wenn nicht allen Veranstaltern von Ferienlagern. Denn die derzeitigen Infektionsschutzmaßnahmen erlauben nach wie vor keine größeren Veranstaltungen. Zumindest bis Ende Juni sind „Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als 20 Personen“ nicht gestattet. Für Veranstaltungen gilt bislang die Obergrenze von 99 Teilnehmern.

Theoretisch kann das Sozialministerium die Regeln auf bis zu 500 Teilnehmer ausweiten, das allerdings sei bislang „aufgrund der aktuellen Infektionslage“ nicht geschehen, sagt Sprecher Pascal Murmann auf Anfrage des SÜDKURIER. Die Option werde aber offengehalten. Die Lage könne sich aufgrund von Urlaubern und der nun wieder hergestellten Reisefreiheit schnell ändern. Planungssicherheit haben Veranstalter und Organisatoren so allerdings nicht.

Doch selbst wenn wieder Veranstaltungen bis zu 500 Teilnehmern erlaubt wären, sind vielen Organisationen das Risiko zu groß und die Vorgaben zu kompliziert. Brigitte Jahn von der Jugendfeuerwehr Baden-Württemberg bestätigt, was Fürst bereits beschrieb: „Unser Landeszeltlager mussten wir für diesen Sommer absagen. Die mit Corona verbundenen Hygienemaßnahmen sind zu umfangreich, um sie verlässlich für knapp 500 Teilnehmer umsetzen zu können.“

Die meisten Zeltlager werden diesen Sommer ausfallen

Die Kreisverbände organisierten in der Regel zwar ihre eigenen Zeltlager, allerdings „gibt aktuell keine Kreiszeltlager von deren Durchführung wir wissen“, sagt Jahn. Die meisten Zeltlager dürften also in diesem Sommer ausfallen. Allein im Kreis Konstanz, wo im Sommer ein Zeltlager in Dingelsdorf geplant war, waren etwa 800 Kinder und Jugendliche angemeldet – zu viele, um die Veranstaltung aufrechtzuerhalten. Sie müssen nun bis 2021 warten.

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Dagegen organisiert der Württembergische Landessportbund selbst kein zentrales Zeltlager: Das übernehmen die einzelnen Verbände und Vereine, heißt es auf Anfrage. Bei der zugehörigen Badischen Sportjugend Freiburg etwa ist auf der Webseite zu lesen: „Aufgrund der Situation rund um COVID-19, kann das bsj academy camp 2020 leider nicht stattfinden.“

Erzdiözese lässt Pfarreien entscheiden

Ähnlich sieht es bei den kirchlichen Jugendorganisationen aus. In der Erzdiözese Freiburg liegt die Entscheidung einer Absage zwar bei den einzelnen Pfarreien oder Jugendverbänden, erklärt Sprecher Dominik Schäfer auf Anfrage. „Die Ferienfreizeiten sind ein Herzstück der Jugendarbeit in der Erzdiözese. Die Absage einer geplanten Freizeit ist ein tiefer Einschnitt für die örtliche Jugendarbeit und sollte deshalb wohl überlegt sein“, erklärt Manuel Schätzle, Leiter der Abteilung Jugendpastoral im Erzbischöflichen Seelsorgeamt.

Wie aus einer anderen Welt: Noch im vergangenen Jahr konnten 71 Kinder und Jugendliche aus Immendingen, Möhringen und der Region an der ...
Wie aus einer anderen Welt: Noch im vergangenen Jahr konnten 71 Kinder und Jugendliche aus Immendingen, Möhringen und der Region an der Ferienfreizeit der katholischen Seelsorgeeinheit Immendingen-Möhringen teilnehmen. | Bild: Jutta Freudig

Praktisch aber schreibt die Erzdiözese in einer Handlungsempfehlung für ihre Jugendverbände: „Ein Ferienfreizeiterlebnis unter Einhaltung der aktuellen Abstands- und Hygieneregelungen ist aktuell nur schwer vorstellbar. In jedem Fall bräuchte es für jede Ferienfreizeit ein eigenes Hygienekonzept, dass die örtlichen Gegebenheiten, die Struktur der Gruppe, die geplanten Aktionen berücksichtigt und mit den zuständigen staatlichen Stellen abgestimmt und durchführbar ist. Das ist bei einer solch dynamischen Lage nicht leistbar.“

Solche großen Zeltstädte, wie hier bei einem Zeltlager der Feuerwehr Bad Dürrheim, werden dieses Jahr wohl nicht zu sehen sein.
Solche großen Zeltstädte, wie hier bei einem Zeltlager der Feuerwehr Bad Dürrheim, werden dieses Jahr wohl nicht zu sehen sein. | Bild: Feuerwehr Bad Dürrheim

Vielleicht sind Ferienlage für einzelne Tage möglich

Die Kirche animiert deshalb dazu, nach Alternativen zu suchen. Die Pfarreien und Jugendorganisationen der Erzdiözese sollten „vor Ort nach Lösungen suchen, ob und wie auf dem Gebiet einer Gemeinde tageweise Angebote geplant werden können, die Kindern und Jugendlichen ein schönes Ferienerlebnis ermöglichen und Eltern und Erziehungsberechtigte in der aktuellen Situation entlasten.“

Kein generelles Verbot von Ferienlagern

Tatsächlich sind Ferienlager nicht verboten. „Uns ist allen klar, dass Freizeitaktivitäten in diesem Jahr nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen stattfinden können“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha. Das Sozialministerium hat bereits Rahmenregelungen für Ferienangebote in den Sommerferien festgelegt, allerdings noch keine entsprechende Verordnung erlassen. Derzeit stehe das Ministerium noch in Gesprächen mit den Verbänden, sagt Sprecher Murmann dem SÜDKURIER.

Laut den bisherigen Empfehlungen wären Ferienfreizeiten zwar grundsätzlich möglich, erfordern aber strenge Abstands- und Hygieneregelungen. „Die Einschränkungen sind nicht unerheblich“, betont Schäfer von der Kirchlichen Jugendarbeit der Erzdiözese Freiburg (KJA).

Komplizierte Vorgaben des Landes

Zwar sollen bis Mitte Juli soll die Teilnehmerzahl für Ferienangebote zunächst auf bis zu 100 erhöht werden, „falls dies das Infektionsgeschehen zulässt“. Und weiter: „In diesem Umfang sollen im Sommer auch wieder mehrtägige Freizeiten in Angeboten der Waldheime und Stadtranderholung und Übernachtungsfreizeiten in Zeltlagern und festen Einrichtungen möglich sein.“ Bei Veranstaltungen. Allerdings müssen die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Das Regelwerk listet detailliert auf, welche Regeln in und um die Zelte herum gelten. Für die Organisatoren dürften sie kaum einzuhalten sein.

Zumal das Sozialministerium eine weitere Hürde einbaute: „Nach Übernahme der Betreuung von mehrtägigen Angeboten durch Ehrenamtliche ist eine Karenzzeit von 14 Tagen zwischen der Betreuung einer Gruppe und der Übernahme der Betreuung einer neuen Gruppe vorzusehen.“ Wenn also nicht genügend Betreuer zur Verfügung stehen, könnten im Zweifel nur wenige Zeltlager in kleineren Gruppen stattfinden.

Ungewisse Aussichten

Wie lange das Verbot für größere Veranstaltungen aufrechterhalten wird, kann das Sozialministerium auf Anfrage des SÜDKURIER noch nicht sagen. „Das kommt auf die Infektionssituation an. Eine Prognose kann zum jetzigen Zeitpunkt aber noch niemand verlässlich wagen“, sagt Sprecher Murmann.

Jugendleiter Fürst, der in der Region lebt und am Ferienlager in Dingelsdorf beteiligt gewesen wäre, wird das Lachen der Kinder in diesem Sommer vermissen, sagt er. Aber, der 43-Jährige kann es nicht genug betonen: „Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen geht vor.“