Die Wintersaison hat nicht gut begonnen. Nach den Bildern der überfüllten Schwarzwaldhochstraße und überbelegten Parkplätzen am Feldberg wurde schnell dieser Eindruck vermittelt: Das Schneevergnügen ist brennpunktgefährlich, weil Menschen in Gruppen eng zusammenstehen und den Abstand nicht einhalten.

Plötzlich geraten Eltern, die ihre Kinder für zwei, drei Stunden auf Schlitten packen, in ein schiefes Licht. Sie müssen sich fragen lassen: Wie könnt Ihr auch? Was ist dran an den unterschwelligen Vorwürfen? Fragen dieser Art lassen sich am ehesten beim Ortstermin beantworten. Ein Besuch am Witthoh im Kreis Tuttlingen am Dreikönigstag.

Der Parkplatz ist gut gefüllt, aber ohne Gedränge

Der Witthoh, 862 Meter hoch, ist eine bessere Kuppe. Hätte der SWR nicht einen riesigen Sendemasten auf den Gipfel gepflanzt, wäre er unauffällig. Doch zieht der Höhenzug jedes Jahr einen Haufen Schnee an. Die Einheimischen nennen das ein Schneeloch, inklusive Bügellift und Loipen. Ein kleines Paradies an der Wetterscheide zwischen Alb und der südlichen Milde des Bodenseeraums.

Wahrzeichen des Witthoh ist der Sendemast des SWR, den man weit ins Land hinein sieht.
Wahrzeichen des Witthoh ist der Sendemast des SWR, den man weit ins Land hinein sieht. | Bild: Fricker, Ulrich

Es hat die ganze Nacht geschneit. Schon ab neun morgens fahren an Dreikönig die ersten Familienkutschen an – mit quicklebendigen Kindern und müden Vätern. Die drei Parkplätze sind gut belegt den ganzen Tag, sie kommen vor allem aus den Kreisen Konstanz, Tuttlingen, Rottweil, Schwarzwald-Baar. Überfüllt sind die Stellplätze nicht. Deshalb dreht die Polizei aus Tuttlingen, die regelmäßig vorbeischaut, nach wenigen Minuten ab.

Weniger Einsätze für die Bergwacht im Schwarzwald

Im Schwarzwald bot sich stellenweise ein anderes Bild. Noch am Morgen des Feiertages Dreikönig hatte die Polizei appelliert: „Meidet überfüllte Ausflugsziele und haltet Euch an die Kontaktbeschränkungen! Es geht um unser aller Gesundheit!“ Der Appell am Feiertag fruchtete zum Teil. Die Polizei meldete diesmal weniger Autos auf der Schwarzwaldhochstraße B500. Noch immer aber hätten Ausflügler teils wild am Straßenrand geparkt. Die Situation sei aber nicht mehr so dramatisch gewesen wie vor einer Woche, berichtet die Polizei.

Der Lift am Witthoh steht. Die Winterfreunde bewältigen den Berg aus eigener Kraft – vom Abfahrtsläufer bis zum Rodler.
Der Lift am Witthoh steht. Die Winterfreunde bewältigen den Berg aus eigener Kraft – vom Abfahrtsläufer bis zum Rodler. | Bild: Fricker, Ulrich

Entwarnung gibt die Bergwacht für den Schwarzwald. „Wir hatten bisher keine spektakulären Einsätze“, sagt Sprecherin Judith Joos dem SÜDKURIER. Insgesamt gab es für die Bergretter weniger zu tun als in den vergangenen Jahren. „Das Gros der Unfälle war früher Folge des Liftbetriebs und der Abfahrten“, sagt sie. Gefährlich könne freilich das Begehen der unpräparierten Pisten werden. Bisher könne die Bergwacht aber keine gravierenden Unfälle im Gelände verzeichnen.

Die Drängelbilder drücken auf die Stimmung

Die Diskussion der vergangenen Tage hat manchen Familienvorstand verunsichert. Gespräch mit dem Reporter? Besser nicht, sagt ein Vater– jetzt, wo selbst harmloses Rodeln ins schiefe Licht gerückt wird. Da will er mit seiner Meinung doch nicht in Zeitung oder Internet stehen. Man spürt: Die Drängelbilder aus anderen Skigebieten springen auch auf kleine Gebiete wie den Witthoh über.

Voll, aber nicht überfüllt: Der Parkplatz am Wittoh.
Voll, aber nicht überfüllt: Der Parkplatz am Wittoh. | Bild: Fricker, Ulrich

„Sport im Freien ist doch das Gesündeste, was man tun kann“, sagte eine Mutter

Andere sind da weniger zimperlich. Christian Bäther ist mit Frau und Tochter am Witthoh unterwegs. Alice hat eben einen Iglu gebaut, den sie stolz vorführt. „Wir sind hier zu dritt, das ist völlig harmlos“, sagt Bäther. „Für uns ist das wie Spazierengehen im Schnee.“

Auch beim Einparken sei es unproblematisch abgelaufen, er könne nirgends einen Haken sehen. „Trinken kann man ja nichts, die Restaurants haben geschlossen.“ Eine Mutter pflichtet ihm bei: „Sport im Freien ist doch das Gesündeste, was man tun kann. Ich gehe mit meiner Tochter raus, wenn es nur geht. Warum soll ich mir das verbieten lassen?“

Ein Spaziergang im Schnee ist gesund, sagt Anni Schmied aus Radolfzell, die zusammen mit ihren Töchtern Elfi (rechts ) und Evi am Hang ...
Ein Spaziergang im Schnee ist gesund, sagt Anni Schmied aus Radolfzell, die zusammen mit ihren Töchtern Elfi (rechts ) und Evi am Hang unterwegs ist. | Bild: Fricker, Ulrich

Am Witthoh stehen zwei Lokale, die den Winterfreund in normalen Zeiten verpflegen. Einmal die Skihütte des SC Emmingen und die privat betriebene „Zur Durschtigä Dupfee“ – letztere mit rustikaler Après-Ski-Anmutung und viel Holz im Haus und vor dem Haus. Beide Häuser haben geschlossen und folgen damit der Corona-Verordnung.

Auch die Toiletten sind zu

Geschlossen haben auch – zum Leidwesen vieler Eltern – die Toiletten. Auch keine der beliebten blauen Dixi-Kabinen steht in der Landschaft. Erwachsene verschwinden immer wieder hinter Strauchwerk. Kleinkinder werden schnell hinter einer Autotür emporgehoben. Das ist die einzige Schwachpunkt, den man aus hygienischer Sicht anmerken kann.

Ansonsten werden soziale Distanzen meist eingehalten. Da kein Alkohol im Spiel ist, fällt es auch leicht. Die Familienväter sind an diesem Mittag mit Schnullern und Thermoskannen beschäftig, die Flachmänner blieben offenbar zu Hause.

Ist das noch regelkonform? Immer wieder treffen sich Gruppen von Familien, zum Beispiel zum Essen.
Ist das noch regelkonform? Immer wieder treffen sich Gruppen von Familien, zum Beispiel zum Essen. | Bild: Fricker, Ulrich

Am oberen Parkplatz direkt am Lift stehen zeitweise bis zu 100 Autos. Kinder und Schlitten werden ausgeladen. Auch die alten Skibobs mit Sitzbank wurden im Keller wiederentdeckt. Wintersport ohne technische Unterstützung ist angesagt.

Vereinzelt schwingen Skifahrer den Hang mit seinen 60 Meter Gefälle nach unten, um dort aus eigener Kraft wieder hochzusteigen. Dazu die Langläufer, in weiten Schleifen ziehen sie zwischen Immendigen, Witthoh und Emmingen über Land. Dabei treten sie ihre Spur Richtung Emmingen selbst – der Skiclub hat nicht gespurt, auch, um nicht zu viele Menschen anzulocken.

Der Wirt muss viel Essen wegwerfen

Volker Kähler gehört zu denen, die das alles für übertreiben halten. Ihm gehört der Lift, der zwangsweise steht. Und er betreibt die Hütte im Tiroler Stil, die „Durschtigä Dupfee“ (Durstige Fee). „Ich muss jede Menge Essen wegwerfen, das ich nicht verkaufen darf“, sagt er.

Volker Kähler spurt die Loipe. Er versteht nicht, dass er seine Hütte nicht wenigstens für den Außenverkauf öffnen darf.
Volker Kähler spurt die Loipe. Er versteht nicht, dass er seine Hütte nicht wenigstens für den Außenverkauf öffnen darf. | Bild: Fricker, Ulrich

Der Eigeltinger ist Unternehmer, er leitet sonst einen Gartenbaubetrieb. Hüttengaudi und Schlepplift macht er „nebenberuflich“, wie er sagt. Deshalb erhält er auch keine Corona-Hilfen und bleibt auf hohen Kosten sitzen. Am liebsten würde er seine Waren im To-go-Verkauf anbieten, bei dem sich die Leute doch an die Abstandsregel halten könnten, sagt er.

Missmutig wirft er den Motorschlitten an und schwingt sich hinter das Steuer. Mit qualmender Zigarette zieht er los, um die Loipe Richtung Hattingen zu spuren.

Der „Glühwein-Stop“ am Vereinsheim des Skiclubs Emmingen ist geschlossen. Die Besucher verköstigen sich selbst.
Der „Glühwein-Stop“ am Vereinsheim des Skiclubs Emmingen ist geschlossen. Die Besucher verköstigen sich selbst. | Bild: Fricker, Ulrich

Seine Hütte ist dicht. Wenn man durch die Fenster hineinspickt, ahnt man, wie hier schon gefeiert wurde. Launige Spruchbänder kleben an der Holzwand. Auf einem heißt es in bester Pilslaune: „Ein bisschen verrückt ist völlig normal.“