Es ist ein gängiges Vorurteil, dass Parteien und Politiker vor Wahlen die schönsten Dinge versprechen – und sich nach der Wahl dann nicht mehr erinnern können. Man darf nicht ungerecht sein, das politische Geschäft schleift tatsächlich die ein oder andere gute Idee. Aber manches Mal wird so eine Idee im Wahlkampf auch nur deshalb formuliert, weil die Menschen sie hören wollen – obwohl eine Umsetzung null Aussicht auf Erfolg hat. Wie der immer wieder versprochene Abbau von Bürokratie und die vielfach beschworene Modernisierung unserer Verwaltungen.

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83 Prozent wollen den Umbau

Nach einer Umfrage der baden-württembergischen Tageszeitungen halten 83 Prozent der Menschen unser Leben für überreguliert und wünschen sich einen beherzten Umbau der Verwaltungen. Auch weil die Bürger durch zu viele Gesetze und Regulierungen die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes in Gefahr sehen. Diese Eindrücke haben sich die Menschen nicht zusammenfantasiert, sondern sie speisen sich aus eigenen Erlebnissen.

Steht symbolisch für die Bürokratie: Das Stempelkarussell. Doch es geht um viel mehr.
Steht symbolisch für die Bürokratie: Das Stempelkarussell. Doch es geht um viel mehr. | Bild: Patrick Pleul

Sieben von zehn Bürgern haben sich in den vergangenen Jahren selbst schon über zu viel Bürokratie in einer Behörde geärgert. In der Landesregierung müssten alle Alarmglocken läuten und es müsste einen beherzten Antritt geben, um das sperrige Thema Modernisierung der Verwaltung anzugehen. Aber was passiert? Sehr wenig.

Kretschmann fehlt die Energie

Das Thema Bürokratieabbau steht zwar im Koalitionsvertrag, aber ein groß angelegtes Programm gibt es nicht. Ministerpräsident Kretschmann müsste es zur Chefsache machen – ihm fehlt in dieser Sache aber die Energie, um sich in den verbleibenden Jahren seiner Amtszeit bei Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes noch einmal so richtig unbeliebt zu machen.

Es bräuchte schonungslose Analysen zu Abläufen und Effizienzen. Und um eine echte Dienstleistungsmentalität im Land zu etablieren vielleicht auch Kennzahlen, an denen man Arbeitserfolge der Verwaltung ablesen kann.

Stattdessen gilt vielerorts die Gleichung: Neue Aufgabe gleich neue Stelle. So wächst der Apparat, saugt munter Arbeitskräfte vom Markt – mit der Folge, dass immer weniger Menschen in der freien Wirtschaft wertschöpfend arbeiten. Dass das in einer Volkswirtschaft nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.