Das baden-württembergische Umweltministerium hat ein neues Konzept zum Schutz von Rindern vor Wolfsrissen vorgestellt. Grundzüge des Papiers waren bereits im März öffentlich geworden, nun liegt eine detaillierte Fassung vor, die unter Mitarbeit der Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt und dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) entstanden ist. Parallel wird das Konzept in Modell-Betrieben erprobt.
Zuletzt war es vermehrt zu Nutztierrissen in der Region gekommen, sodass Tierhalter lautstark Unterstützung einforderten. Auch Naturschützer erkannten den Bedarf einer zeitnahen Lösung: „Es gab hier spürbar Druck bei den Landwirten, den wir auch nachvollziehen können“, sagte Hartmut Weinrebe, Regionalgeschäftsführer des BUND Mittlerer Oberrhein und Mitglied der Arbeitsgruppe Luchs und Wolf.
Besonders Kälber und Jungrinder sind gefährdet
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart erklärt zu dem nun veröffentlichten Konzept: „Besonders Kälber und Jungrinder sind gefährdet und jeder Riss ist für eine betroffene Tierhalterfamilie eine große emotionale Belastung.“ Deshalb habe man gemeinsam nach Lösungen gesucht, um Herdenschutz auch unter schwierigen topografischen Bedingungen wie im Schwarzwald zu realisieren, wenngleich ein Standardschutz für alle nicht geben könne.
Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) sagt: „Um Nutztiere zu schützen, ist das Töten von Wildtieren wie dem Wolf immer nur das letzte Mittel. Aber uns ist zugleich klar, dass es eine Schwelle dessen gibt, was wir den Tierhaltenden zumuten können.“
Ab wann dürfen Wölfe künftig geschossen werden?
Überwindet ein Wolf die vorgegebenen Herdenschutzmaßnahmen zweimal innerhalb kurzer Zeit und fällt Rinder an, darf er geschossen werden. Der Zeitraum dafür ist im Konzept nicht genau definiert. Ende März hieß es auf SÜDKURIER-Nachfrage beim Umweltministerium, dass als enger zeitlicher Abstand künftig ein halbes Jahr gelten soll.
Das Herdenschutzkonzept besteht aus unterschiedlichen Maßnahmen für zwei Altersklassen. Für die Altersklasse 1 (Kälber bis einschließlich acht Wochen) ist beispielsweise eine wolfsabweisende Umzäunung nötig. Für die Altersklasse 2 (alle Rinder ab neun Wochen) etwa die Haltung in einem funktionierenden Herdenverbund und das Mitführen von Muttertieren oder wehrhaften Alttieren.
Wie Lamas Wölfe schützen
Darüber hinaus schlägt das neue Konzept die Integration von Lamas als Herdenschutztiere und sogenannte Turbo-Fladrys vor. Das sind elektrifizierte Lappen, die vor dem eigentlichen Weidezaun angebracht werden und vorübergehend zusätzlichen Schutz vor dem Wolf bieten können.
Lamas sind keine Fluchttiere, sie stoßen bei Gefahr Warnschreie aus und stellen sich zwischen Angreifer und Herde oder greifen an. Zum Beispiel in den USA werden sie erfolgreich im Herdenschutz eingesetzt, hierzulande sind sie in Gebieten mit angehender Wolfsrudelbildung bislang nicht als Schutz anerkannt.
Zaunlösungen für den Herdenschutz werden von Landwirten kritisiert, weil der Aufbauaufwand bei großen Weiden oder in schwierigem Gelände wie im Schwarzwald kaum zu leisten sei.
BUND fordert Konzept für Herdenschutzhunde
Für BUND-Mann Weinrebe kommen Herdenschutzhunde in dem Konzept noch nicht ausreichend vor, wenngleich er einräumt, dass dieses komplexe Thema nicht kurzfristig einzuarbeiten sei. Er wünscht sich aber eine landesweite Förderung der Schutzhunde.
Außerdem mahnt der Naturschützer einen begleitenden Evaluationsprozess für das Konzept an – die Arbeitsgruppe Luchs und Wolf sei bislang nicht ausreichend beteiligt worden, obwohl es ein „lösungsorientiertes Gremium“ sei, so Weinrebe.
In der AG des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum kommen Vertreter verschiedener Verbände, der Naturparke und der Wissenschaft zusammen.
Mehrheit der Menschen begrüßt Rückkehr des Wolfes – auch auf dem Land
Eine repräsentative Forsa-Umfrage von Ende April zeigt derweil, dass eine Mehrheit von 71 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg die Rückkehr des Wolfes gut findet. Die Ergebnisse zeigen kaum Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung: In Orten mit weniger als 5000 Einwohnern begrüßen 73 Prozent der Menschen die Rückkehr des Raubtieres, in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern sind es 74 Prozent.
Unterschiede gibt es zwar nach Parteipräferenzen. Allerdings findet sich bei Anhängern aller Landtagsparteien eine Mehrheit pro Wolf. Die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Umweltschutzverbände Nabu und WWF erstellt.