Sehr geehrter Herr Würth,

die Meldung zählte nicht zu den Ereignissen der Woche, aber zu denen, die man im Kopf behält: 189.000 Briefe haben Sie geschrieben, haben Sie dem Magazin Capital in einem Interview verraten. 189.000 Briefe – und jeden davon haben sie gezählt, weil Sie sie durchnummerieren. Das hat auch mich tief beeindruckt.

Reinhold Würth, Gründer des Konzerns Würth, ist seit 73 Jahren im Unternehmen. Mit 14 Jahren wurde er von seinem Vater von der Schule ...
Reinhold Würth, Gründer des Konzerns Würth, ist seit 73 Jahren im Unternehmen. Mit 14 Jahren wurde er von seinem Vater von der Schule abgemeldet und kam als Lehrling zum damaligen Drei-Mann-Unternehmen (mit ihm). Bereut hat er das nicht. | Bild: Marijan Murat, dpa

Selbst wenn ich meine Samstagsbriefe dazurechne, werde ich in diesem Leben nicht mal auf einen Bruchteil dieser astronomischen, ja schon monströsen Anzahl kommen.

Eine gute Portion Sendebewusstsein

Ich habe das mal durchgerechnet: 189.000 Briefe in 73 Berufsjahren, das ergibt durchschnittlich 2589 Briefe pro Jahr. Das macht dann sieben Briefe am Tag, wenn man Wochenenden und Feiertage mitrechnet. Davon bin ich bei Ihnen einfach mal ausgegangen. Um das durchzuhalten, benötigt man entweder sehr viel Sportsgeist, oder unbedingten Glauben an Papier und Tinte, an die analoge Welt. Und eine gute Portion Sendebewusstsein – in jeglichem Sinn. Ich denke, bei Ihnen sind alle drei Eigenschaften vorhanden. Man kann es Ihnen gewissermaßen an der Nasenspitze ansehen.

Herrliche Reaktion Ihrer Tochter

Besonders lesenswert – ja, da muss man auch mal Kollegen loben – ist das Interview, weil es die Familie scheinbar unverstellt rüberbringt. Auf die Frage, ob sie die Briefe-Tradition übernehmen werde, antwortet Ihre Tochter Bettina: „Um Gottes willen, nein. Wir sind mit dieser Briefeschreiberei doch schon genug traumatisiert worden.“ Man malt sich aus, dass Sie nebendran zusammenzucken und dann schmunzeln. Ein echter Patriarch eben, aber schon ein liebenswerter.

Wir hätten da noch ein paar Fragen

So ganz klar ist mir noch nicht geworden, wie das mit den Briefen genau abläuft: Diktieren Sie die Ihrer Sekretärin? Flott, während Sie von einem Termin zum anderen gefahren werden. Das brächte den unbestreitbaren Vorteil, dass Sie sich nicht mit Tippen aufhalten müssten. Dann könnten Sie ja gleich eine E-Mail schreiben. Aber irgendwie sieht Ihnen das auch nicht ähnlich.

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Es fehlt dieses Unmittelbare. Sie sehen einen Missstand im Unternehmen – im Interview erwähnen Sie die leeren Seifenspender – und greifen sofort zur Feder. Zwei kurze Sätze an die nämliche Geschäftsstelle und die Sache ist geritzt. Ein Brief gelangt vielleicht nicht so schnell von A nach B wie eine Mail, aber Ihre Wünsche werden sicher stehenden Fußes umgesetzt. Sonst setzt es am Ende noch einen Brief!

Was hat die Post daran verdient?

Noch etwas frage ich mich: Wurden all diese Briefe mit der Post verschickt? Wenn, dann hätte die mit Ihnen ein ordentliches Geschäft gemacht. Oder bevorzugen Sie den persönlichen Boten? Nein, dafür sind Sie zu sehr Schwabe, das kann man auch als Hohenloher sein.

Im Zweifel fallen mir auch noch ein paar mehr Fragen für ein ausgewachsenes Interview ein – oder gegebenenfalls auch einen munteren Briefwechsel.