Herr Hagel, die baden-württembergische Polizei ist in den Schlagzeilen: Sex-Skandal, Machtmissbrauch, Postengeschacher – was ist da los?
Wir haben eine tolle Landespolizei! Ich erlebe landauf, landab hochengagierte Polizistinnen und Polizisten, die für die Menschen im Land alles geben. Sie setzen ihre eigene Gesundheit, bisweilen sogar ihr eigenes Leben für unser aller Sicherheit ein. Deshalb warne ich davor, die Themen des Untersuchungsausschusses auf unsere Polizeibeamten zu übertragen.
Es gibt zur Stunde Themen, die im Untersuchungsausschuss untersucht werden: Da geht es um sexuelle Belästigung in Landesbehörden und Beförderungsstrukturen. Dort werden im Moment Zeugen befragt. Wo es dann etwas zu verbessern gibt, sind wir aus Überzeugung dabei, die Dinge besser zu machen. Sexuelle Belästigung hat in der Landesverwaltung überhaupt keinen Platz – egal wo. Bei der Beförderung muss es immer nach Leistung, Eignung und Befähigung gehen.
Es deutet alles darauf hin, dass das nicht der Fall war.
Das untersucht im Moment der Untersuchungsausschuss. Unsere Haltung als CDU ist, dass wir da mit Konzentration und Ruhe rangehen. Am Ende, wenn alle Zeugen gehört sind, werden wir die notwendigen Rückschlüsse ziehen. Jetzt schon von der Seitenlinie eine Einschätzung abzugeben, wäre respektlos gegenüber dem Untersuchungsausschuss.
Politisch verantwortlich ist der Innenminister, der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl. Wie sehr sehen Sie ihn beschädigt?
Thomas Strobl hat als Innenminister in den vergangenen Jahren eine gute Bilanz. Denken Sie an die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der baden-württembergischen Landespolizei. Er hat der Polizei mehr rechtliche Möglichkeiten gegeben und er hat ihre Ausstattung verbessert. Das sind gute Leistungen als Innenminister, die natürlich im Moment im Schatten der Schlagzeilen rund um den Untersuchungsausschuss stehen. Dass das der CDU nicht hilft, ist doch klar. Der jetzt vorgelegte 5-Punkte-Plan, der Reformen in der Landespolizei anstößt, ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Thomas Strobl hat den Untersuchungsausschuss als „Soufflé“, also heiße Luft, bezeichnet. Hat er sich in dieser Einschätzung geirrt?
Thomas Strobl hat diese Aussage konkretisiert, indem er gesagt hat, er habe nicht den Untersuchungsausschuss als Ganzes, sondern das Gebaren der Opposition gemeint.
Dann zitieren wir doch mal die Opposition, wenn Sie sie schon erwähnen. Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder sagt: Jeder weiß, dass Strobl nicht mehr tragbar ist als Innenminister, außer zwei Personen – der eine ist Winfried Kretschmann, der andere Manuel Hagel.
Sascha Binder glaubt, er spricht für über zehn Millionen Baden-Württemberger. Für mich jedenfalls spricht er mit dieser Aussage sicher nicht – und ich wage zu behaupten, dass dies auch für Herrn Kretschmann gilt.

Im November werden bei einem Landesparteitag der CDU die Weichen gestellt für die Landtagswahl 2026. Tritt denn Strobl noch mal als Landesvorsitzender an?
Das müssen Sie Thomas Strobl fragen, nicht mich. Ich bin ja nicht der Pressesprecher des CDU-Landesvorsitzenden.
Dann fragen wir Sie: Treten Sie an? Dass der CDU-Fraktionschef Ministerpräsident werden will, hat ja Tradition.
Ich stehe nicht jeden Morgen auf, gucke in den Spiegel und frage mich: „Oh, Manuel, was wird wohl aus dir werden?“ Sondern ich konzentriere mich auf meine Aufgaben im Hier und Jetzt. Ich glaube auch, dass dieses ständige Diskutieren um Posten die Menschen nicht gerade begeistert für Politik. Deshalb beteilige ich mich daran nicht.
Als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion will ich meinen Beitrag für eine moderne Volkspartei CDU leisten, die innovativ und zukunftsfreundlich vorangeht und ein Bild entwirft für Baden-Württemberg, wie es in fünf, zehn, 15 Jahren aussehen soll.
Jetzt weiß ich natürlich, Personal ist immer das Interessanteste für Medien. Wir haben im Land jetzt große Zukunftsfragen vor der Brust: Wie bekommen wir unsere staatliche Verwaltung schneller? Wie kriegen wir mehr Qualität in die Bildung? Und wie sichern wir den Wohlstand? Das sind doch relevante Themen. Diesen Aufgaben gilt meine ganze Konzentration und dafür arbeite ich jeden Tag hart.
Aber im Herbst fällt die Entscheidung. Sie werden sich ja nicht erst kurz davor entscheiden, ob Sie kandidieren.
Vertrauen Sie mir – ich werde den SÜDKURIER informieren, wenn es was zu berichten gibt. (lacht) Im Moment haben wir einen CDU-Landesvorsitzenden, der eine engagierte Arbeit macht. Die CDU Baden-Württemberg ist unschlagbar, wenn sie geschlossen ist. Aber sie wird immer scheitern, wenn sie streitet. Seit zweieinhalb Jahren sind wir in einer sehr geschlossenen Formation unterwegs. Das ist wohltuend und vor allem gut fürs Land – dafür sind wir ja unterwegs. Es geht um Baden-Württemberg.
Apropos Geschlossenheit: Vor zwei Jahren beim Parteitag, als Strobl wiedergewählt wurde, hatte er noch 66 Prozent. Bei der CDU ist ja alles unter 70 Prozent ein schlechter Wert. Und das war noch vor der Polizei-Affäre.
Ich habe damals gesagt, dass meinem Eindruck nach Thomas Strobl auf diesem Parteitag ein besseres Ergebnis verdient gehabt hätte.
Auch Sie haben kürzlich eine Art Warnschuss kassiert in der Fraktion, als Ende Juni bei Ihrer Wiederwahl von 42 Abgeordneten 31 für Sie stimmten. Also knapp 80 Prozent, vor zwei Jahren hatten Sie noch 95 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
Na ja. Wenn Ihre Logik der letzten Frage gilt, ist es ja ein gutes Ergebnis. Aber im Ernst: Ich bin da gelassen, ich fühle mich getragen und wertgeschätzt von den Kollegen. Wahlergebnisse sind immer im Moment begriffen. Wir haben kurz davor Personalentscheidungen getroffen. Mein Ziel war immer, ein Team zu formen, zu dem man gerne gehören möchte. Und das ist die CDU-Landtagsfraktion. Bei uns entsteht im Moment viel Neues, Kreatives. Das ist inspirierend. Darauf bauen wir mit Ambition und Gestaltungsanspruch auf.
Im Bund hat die CDU gerade den Generalsekretär ausgewechselt. War Mario Czaja nicht der Richtige?
Friedrich Merz hat Dr. Carsten Linnemann vorgeschlagen, der einen klaren ordnungspolitischen und wirtschaftspolitischen Kompass hat und der die Partei aus dem Effeff kennt. Ich finde diesen Vorschlag sehr gut.
Dass damit noch weniger vom Sozialflügel an der Parteispitze übrig bleibt, ist kein Problem?
Die Christdemokratie hat keine Flügel. Ein Christdemokrat ist immer christlich-sozial, liberal und konservativ. Das macht einen Christdemokraten aus. Das unterscheidet uns als Volkspartei von anderen Parteien.
Gerade in dieser Zeit, wo eine chaotische Bundesregierung handwerkliche Fehler macht, dass sogar das Bundesverfassungsgericht eingreifen muss, in der die Inflation sich einpendelt auf über fünf Prozent und in der unsere Unternehmen vor massiven Herausforderungen stehen, ist Wirtschaftskompetenz ein gutes Attribut für einen Verantwortungsträger der CDU.
Sie sprechen die Schwäche der Ampelkoalition an. Trotzdem kann die Union in den Umfragen nicht profitieren. Warum nicht?
Wir sind seit über anderthalb Jahren stabil stärkste Kraft in allen Umfragen. Wir sind nach der Bundestagswahl bei 22 Prozent gestanden und stehen jetzt bei rund 30 Prozent. Die CDU Deutschlands ist geschlossen. Das hätten uns viele nach der Bundestagswahl nicht zugetraut, deswegen waren die vergangenen anderthalb Jahre insgesamt Schritte in die richtige Richtung. Aber klar ist, 30 Prozent ist kein Wert, der uns zufriedenstellt. Da geht noch deutlich mehr.
Merz hatte in Aussicht gestellt, dass er die AfD schwächt, wenn er Parteichef wird. Davon kann nun keine Rede sein. Wie erklären Sie sich den Höhenflug der AfD? Allein mit der Schwäche der Ampel oder hat die CDU auch dazu beigetragen?
Friedrich Merz hat die Aussage gemacht, dass er die AfD halbieren möchte – in der Annahme, dass eine CDU-geführte Bundesregierung gebildet werden kann. Somit ist sie nicht eins zu eins übertragbar, da die CDU ja in der Opposition ist. Was wir sehen, ist, dass dieses chaotische Regieren der Ampel viele Menschen im Land verunsichert. Sie wenden sich ab von der politischen Mitte und verlieren das Vertrauen in politische Entscheidungen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass offenbar noch keine Mehrheit der Deutschen sagt: „Die CDU wird‘s besser machen.“ Daran müssen wir arbeiten. Meine ganze Überzeugung ist: Politische Probleme löst man nicht, indem man sie ignoriert oder nur beschreibt. Politik ist das Lösen derselben.
Wenn wir die Frage von Migration, die Frage der Sicherheit der Arbeitsplätze, die Frage eines pragmatischen Klimaschutzes – wenn wir bei den Fragen, die den Menschen im Land Sorgen machen, nicht mehr um die beste Lösung ringen, nur weil die AfD da irgendwas plappert, machen wir einen großen Fehler. Damit bekommt die AfD eine Debatten-Hoheit, die sie in der Realität in keiner Weise hat. Deshalb gilt für alle Parteien in der politischen Mitte: Nur Mut – ran an die Probleme!

Merz hat die Grünen als Hauptgegner der CDU ausgerufen, nicht die AfD. In Baden-Württemberg haben Sie das Pech, dass Sie mit den Grünen regieren. Können die für Sie auch der Hauptgegner sein?
Dass wir mit den Grünen regieren, empfinde ich nicht als Pech. Unsere Koalition im Land arbeitet kooperativ und konstruktiv zusammen. Wir haben uns für diese Koalition entschieden. Deshalb sind die Grünen für uns im Land Partner. Kurz vor der nächsten Landtagswahl beginnt dann der Wahlkampf. Da werden die Grünen benennen, wo sie mit dem Land hinwollen, und wir haben ein klares Profil, wofür wir stehen und wie wir uns ein modernes, innovatives und heimatverbundenes Land vorstellen.
Wer regieren will, der muss es verlässlich, verbindlich und berechenbar tun. Das ist unser Weg. Wenn der SC Freiburg und der VfB Stuttgart gegeneinander spielen, sind beide Vereine in diesem Moment doch auch Gegner. Aber in der Nationalmannschaft – wenn es ums Land geht – spielen sie dennoch zusammen. Genauso ist es nach meinem Verständnis in der Politik auch.
Hätten Sie Merz von diesem Statement abgeraten, wenn er Sie gefragt hätte?
Ich halte nichts davon, sich permanent öffentlich gegenseitig Ratschläge zu geben. Als Friedrich Merz das geäußert hat, saß ich auf dem Podium neben ihm. Bezogen hat er die Aussage auf die aktuelle Bundesregierung. Hier sind die Grünen Hauptgegner, weil sie unter anderem mit einem verkorksten Heizungsgesetz für sehr viel Verunsicherung gesorgt haben.
Dass die CDU hier ein besseres Angebot machen will, ist doch total okay. Es ist sogar richtig, das als Opposition auch zu tun. Im Land sind wir als CDU in der Koalition aktuell der Zweite. Und wer Zweiter ist, muss Erster werden wollen. Das ist doch richtig. Genau so muss das meiner Meinung nach auch sein. So gehen wir an die Sachen heran!
Wie kommen Sie persönlich mit Kretschmann klar?
Sehr gut. Wir haben ein sehr vertrauensvolles und gutes Verhältnis. Winfried Kretschmann ist ein guter Ministerpräsident für Baden-Württemberg.
Kretschmann hat ja angekündigt, dass er bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben möchte und nicht etwa einem grünen Nachfolger einen Amtsbonus verschaffen, indem er früher ausscheidet.
Ich kenne Winfried Kretschmann seit vielen Jahren und ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass man sich auf das Wort des Ministerpräsidenten verlassen kann. Klar ist für uns: Winfried Kretschmann ist die Grundlage für diese Koalition.
Sie sagen, Kretschmann ist ein guter Ministerpräsident. Aber Sie sind schon froh, dass er nicht mehr antritt, oder?
Winfried Kretschmann ist ein guter Ministerpräsident für Baden-Württemberg. Aber wenn es nächstes Mal eine Ministerpräsidentin oder ein Ministerpräsident von der CDU ist, ist es noch besser fürs Land – aber keine Sorge, wir arbeiten daran.