Herr Suikat, dem Bundeshaushalt fehlen mindestens 60 Milliarden Euro. Wenn jeder der rund 500.000 in Deutschland lebenden Millionäre dem Staat nur 100.000 Euro spenden würde, hätten wir schon 50 Milliarden davon beisammen. Gute Idee?
Das geht in die richtige Richtung, aber lassen Sie es uns noch einfacher machen. Wir schauen mal nur auf die 500 reichsten Deutschen. Diese haben ein Vermögen von 1,1 Billionen Euro. Das ist eine unvorstellbar große Zahl mit 13 Stellen. Wenn diese 500 Personen nur fünf Prozent ihres Vermögens spenden, haben wir schon 55 Milliarden beisammen.
Unter diesen 500 Menschen sind 226 Milliardäre, übrigens so viele wie noch niemals zuvor. Und das, obwohl in Deutschland immer mehr Menschen um das wirtschaftliche Überleben kämpfen. Nachdem ein Milliardär seine fünf Prozent abgegeben hat, besitzt er noch immer unfassbare 950 Millionen Euro. Mindestens. Ein Mindestlohnempfänger müsste für diesen Betrag knapp 44.000 Jahre arbeiten. Das ist schon absurd.
Sind Steuererhöhungen – wie sie die FDP ja kategorisch ausschließt – nicht das einfachste Mittel, an Geld zu kommen?
Absolut, aber nur an den richtigen Stellen. Wir haben eine komplett marode Infrastruktur, die in den letzten Jahren kaputtgespart wurde. Wir sehen das an der Bahn, bei der Sanierung von Autobahnen, beim Ausbau der Digitalisierung. An ganz vielen Stellen wird klar, dass wir Investitionsbedarf haben. Und dieses Geld muss -bei allem Sparpotenzial – irgendwo herkommen. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass die, die überproportional von einer solchen Infrastruktur profitieren und über enormen Reichtum verfügen, ihren Beitrag leisten.
Ich habe auch an anderer Stelle schon deutlich gemacht, dass es da jetzt nicht um kleine Vermögen geht. Sondern um sehr hohe Vermögen ab einem zweistelligen Millionenbetrag, davon dürften etwa 100.000 Menschen in Deutschland betroffen sein. Ist es gerecht, dass ich für einen Kapitalertrag, den ich ohne eigenes Zutun erziele, nur 25 Prozent Abgeltungsteuer zahlen muss – aber jemand für seiner Hände Arbeit 40 Prozent?
Ist Reichtum immer ungerecht?
Reichtum liegt immer ein Stück weit im Auge des Betrachters. Viel ungerechter ist die Armut – wenn das Geld am Ende des Monats nicht reicht, wenn kein Geld da ist, um die Kinder ins Landschulheim zu schicken. Wir reden viel über Armutsgrenzen, wir reden darüber, wo Reichtum anfängt – aber wir reden nie darüber, ob es auch eine Grenze von Reichtum geben sollte. Reichtum ist ja sehr häufig konzentriert, und wo sich viel Geld konzentriert, konzentriert sich auch viel Macht.
Beispiel Elon Musk, der über seine Plattform X, ehemals Twitter, über die sich viele Menschen austauschen, eine immer stärker werdende Kontrolle und Macht ausübt. Wir sollten darüber reden, ob wir als Gesellschaft das gut finden.
Wie müsste denn eine gerechte Besteuerung in Deutschland aussehen?
In Deutschland besitzt die ärmere Hälfte der Bevölkerung ein Prozent des Vermögens. Die reichsten zehn Prozent besitzen aber mehr als zwei Drittel des Vermögens. Wenn wir eine gerechtere Gesellschaft wollen, müssen wir das Geld vor allem dort abschöpfen, wo es leistungslos verdient wird, also bei großen Erbschaften. Dort geht es sehr ungerecht zu. Wenn Sie ein relativ kleines Vermögen erben, zwei oder drei Wohnungen, dann zahlen Sie einen höheren Steuersatz, als wenn Sie 300 Wohnungen vererbt bekommen, dann zahlen Sie praktisch gar keine Steuern. Ganz abgesehen davon, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt eine signifikante Erbschaft erwarten darf.
Wo große Vermögen vererbt werden, sind sie in der Regel derart strukturiert, dass faktisch keine oder nur eine minimale Erbschaftssteuer anfällt. Wenn wir aber auf der anderen Seite wissen, dass sich eben diese Vermögen durch entsprechende Kapitalanlagen und Anlagestrategien automatisch vergrößern, dann ist klar, dass sich diese Ungerechtigkeit exponentiell weiterentwickelt. Wenn wir eine gerechtere Welt haben wollen, müssen wir da hinkommen, dass das, was von allen Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam erwirtschaftet wird, einigermaßen fair an alle verteilt wird und nicht die sehr Vermögenden überproportional profitieren.
Machen Sie sich eigentlich unter Reichen mit solchen Äußerungen unbeliebt?
Angefeindet wurde ich bisher nicht. Viele sind ja durchaus auch meiner Meinung. Aber das Hauptargument dagegen, das ich zum Teil auch nachvollziehen kann, ist, dass das Geld beim Staat im Zweifel nicht so gut aufgehoben ist. Viele engagieren sich ja persönlich stark in Bereichen, die aus ihrer Sicht wichtig sind. Ich dagegen bin der Meinung, dass wir einen leistungsfähigen Staat haben sollten, in dem solche Organisationen wie Tafeln überflüssig sind.

Wie kam es zu ihrem Kontakt mit Sahra Wagenknecht?
Mir ging es wie vielen Ampel-Wählern. Ich bin zunehmend unzufrieden geworden. Wir hatten ja mit SPD und Grünen zwei Parteien, die sich in ihren Wahlprogrammen für stärkere Beiträge von Vermögenden eingesetzt hatten. Meine erste Enttäuschung war dann das Abräumen, die FDP wollte das nicht, und dann war es ganz schnell vom Tisch. Und dann waren die Entscheidungen, als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, für mich ein ganz wichtiger Punkt. Wir hätten das mit mehr Bedacht und weniger von Ideologie geprägt angehen sollen. Wir haben uns da einfach nicht clever angestellt, sowohl beim Ausschluss von russischem Gas als auch beim Ausstieg aus der Atomkraft. Wir werden Russland nicht ruinieren, eher ruiniert das unsere Wirtschaft. Das waren ein paar ideologische Entscheidungen, die bei mir einen immer größeren Widerstand hervorgerufen haben.
Und auf der anderen Seite habe ich die Berichte über die Pläne von Frau Wagenknecht, eine neue Partei zu gründen, mit Interesse verfolgt. Ich habe sie schon in der Vergangenheit für ihre klaren Positionen, ihr authentisches Auftreten und ihre Kompetenz sehr geschätzt. Und hatte mich insbesondere angesprochen gefühlt, als es hieß, Organisation sei ja nicht unbedingt eine Kernkompetenz von Frau Wagenknecht. Ich dachte, es wäre schade, wenn ein für unser Land so wichtiges Projekt an dieser Stelle scheitern würde. Über gemeinsame Freunde habe ich dann den Kontakt gesucht, wir haben uns getroffen, ein paar Mal ausgetauscht, und ich habe dann angeboten, das Projekt bis zur Gründung der Partei zu begleiten.
Was ist Ihr Part?
Finanziell habe ich mich mit einem relativ überschaubaren Geldbetrag engagiert. Ich bin ja auch als Impact-Investor tätig. Dabei ermöglichen wir mit einem kleinen Betrag, dass Unternehmen überhaupt in die Welt kommen und ihre ersten Schritte machen können, das nennt sich Seed-Finanzierung. Und ein solcher Seed-Investor war ich auch für die Partei mit einem fünfstelligen Betrag. Und ich habe das Ganze organisatorisch mit betreut. Jetzt können wir Anfang kommenden Jahres mit der Partei an den Start gehen.
Möchten Sie politisch selbst aktiv werden?
Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, hätte ich gesagt, dass das Thema an dieser Stelle für mich beendet sein wird. Aber jetzt sehe ich, dass viel Hoffnung mit dem Projekt und der Partei verbunden ist, sehr viele Menschen sind auf mich zugekommen und haben mir Zuspruch gegeben. Und ich habe auch ein bisschen Spaß gefunden bei all den Herausforderungen, die das politische Geschäft nach sich zieht. Ich bin im Moment Schatzmeister im Verein und ich werde auch als Schatzmeister für die Partei kandidieren.
Welches Potenzial geben Sie der Partei?
Das allererste Ziel ist die Europawahl im kommenden Jahr. Und wir wollen auch bei allen drei Landtagswahlen im nächsten Jahr antreten. Bei den Menschen gibt es große Unzufriedenheit, aber auch große Hoffnung. Es werden sicher Menschen wieder an die Wahlurne kommen, die schon lange nicht mehr gewählt haben.
Und diejenigen Protestwähler, die sich einer Partei zugewandt haben, deren Werte sie gar nicht teilen, können jetzt mit der neuen Partei ihrem Protest einen konstruktiven Ausdruck verleihen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir signifikante Wahlergebnisse erzielen und durchaus auch bei den Landtagswahlen eine Regierungsbeteiligung erreichen können. Das ist auch unser Anspruch.
Also eine linke Alternative zur Alternative von rechts?
Ich fühle mich mit den Begriffen nicht wohl. Links ist für mich zunächst mal vor allem soziale Gerechtigkeit. Da sind wir sicher verortet. Aber wir machen uns auch Gedanken darüber, wie wir etwa die Rahmenbedingungen für den Mittelstand verbessern können, Bürokratieabbau, Infrastruktur, Investitionsbedingungen, Energiepreise. Das sind keine klassischen linken Themen.
Dafür ist die Ampel ja auch mal angetreten und wieder davon abgekommen. Was wir auf jeden Fall für viele Menschen sind: eine vernünftige Alternative zu der derzeitigen von Ideologien geprägten Ampelpolitik. Das ist, was viele Menschen in unserem Land sich wünschen.