Der Wahlkampf ist vorbei, und die meisten Bürger werden darüber froh sein. In sechs Wahlkreisen im Bundesgebiet beginnt das Aufräumen hinter den Kulissen jetzt erst. In diesen Bezirken – darunter auch der Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen – hat die Organisation Campact ihren eigenen Wahlkampf veranstaltet. Sie versuchte, den ihr missliebigen CDU-Abgeordneten Thomas Bareiß zu kippen und die Wähler davon zu überzeugen, dass sie besser den Grünen Johannes Kretschmann wählen.

„Die Koalition bekam nicht viel auf die Reihe“

In einer überraschend einberufenen Pressekonferenz nahm Campact zur eigenen Kampagne Stellung. Geschäftsführer Felix Kolb bestätigte, dass der Verein bestimmte Wahlkreise ausgemacht habe, um ökologisch-linke Kandidaten zu fördern, indem Kandidaten, die für rechtsextrem oder klimafeindlich gehalten werden, zu verhindern.

Thomas Bareiß wurde in der Kampagne als schwarzer Klimaleugner hingestellt. Die Kampagne hat ihr Ziel verfehlt.
Thomas Bareiß wurde in der Kampagne als schwarzer Klimaleugner hingestellt. Die Kampagne hat ihr Ziel verfehlt. | Bild: Fricker, Ulrich

Dabei fiel die Wahl auf Thomas Bareiß. „Wegen Politikern wie ihm bekam die Große Koalition nicht viel auf die Reihe“, meint Kolb auf Nachfrage des SÜDKURIER. Er räumt ein, dass die Auswahl der „schwarzen Schafe“ eine gewisse Beliebigkeit hat. „Wir hätten auch Stefan Bilger nehmen können“, sagte Kolb. Bilger, gleichfalls CDU, vertritt den Wahlkreis Ludwigsburg. Mit Türhängern und Postsendungen war Bareiß als Klimakiller angeprangert worden. CDU-Mitglieder berichteten, dass sie häufig auch persönlich angegangen wurden.

Der Grüne wollte aus eigener Kraft gewinnen

Johannes Kretschmann wusste von der Kampagne. Campact hat ihn zuvor informiert. Der Grünen-Kandidat war von der Methode nicht sonderlich begeistert, räumt Campact-Chef Kolb ein. „Seine Antwort war ambivalent. Er wollte aus eigener Kraft gewinnen“, sagt Kolb. Kretschmann bestätigt das noch am Wahlabend im Gespräch: Er war über die unterschwellig aggressive Wahlhilfe von außen nicht glücklich, auch wenn sie ihm helfen sollte. Er wollte aus eigener Kraft gewinnen, was dann nicht gelang.

Die an Willkür grenzende Aktion war auch beherrschendes Thema bei der Wahlparty der CDU. Thomas Bareiß wirkte dort zunächst sehr angespannt, als er das Gasthaus „Rössle“ in Frohnstetten betrat. Das Feuer gegen seine Person hatte ihn in der Schlussphase des Wahlkampfs nervös gemacht. Und es hatten den als still geltenden Bezirk plötzlich bundesweit bekannt gemacht.

Campact fällt immer wieder mit Aktionen auf, hier 2019 eine Kundgebung gegen die Union und ihre damalige Vorsitzende Annegret ...
Campact fällt immer wieder mit Aktionen auf, hier 2019 eine Kundgebung gegen die Union und ihre damalige Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. | Bild: Michael Kappeler

Noch am Wahlabend rechnete Bareiß ab

Als gegen 19.30 Uhr klar wurde, dass er das Mandat retten konnte, zog er eine heftige Bilanz des Wahlkampfs. Er schritt zur Abrechnung. Der noch amtierende Staatssekretär machte Campact für die schlechte Stimmung an CDU-Ständen verantwortlich, für den Ärger, den seine Wahlhelfer hatten.

Auch sah er sich „verfolgt und endlos fotografiert“, wie er im „Rössle“ sagte. Die Prospekte, die im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen verteilt wurden, seien deutlich verunglimpfend gewesen. Bareiß sprach von Manipulation und von einer schmutzigen Kampagne. Sein Konkurrent Johannes Kretschmann bestätigte das indirekt. Er sagte ebenfalls am Wahlabend: „Das ist nicht mein Stil.“

„Das ist nicht mein Stil“, sagte Johannes Kretschmann noch am Wahlabend über aggressive Vorgehensweise von Campact.
„Das ist nicht mein Stil“, sagte Johannes Kretschmann noch am Wahlabend über aggressive Vorgehensweise von Campact. | Bild: Fricker, Ulrich

„Abgeordnete, die im Klimabereich bremsen und blockieren“

Campact streitet diese Vorwürfe gar nicht ab, wendet sie vielmehr ins Positive. Man habe immer auf der Grundlage von Fakten gearbeitet, behauptet Felix Kolb. Das sogenannte Negative Campaigning sieht der Verein als völlig normal an. Dabei wird der Gegner absichtlich in ein schlechtes Licht gerückt. Dabei wird überzogen und übertrieben.

Campact macht gar keinen Hehl draus, dass die Aktion von außen gesteuert war. Man habe sich vor Beginn des Wahlkampfs die Wahlkreise genau angesehen und in zwei Stoßrichtungen gedacht: Wo kandidieren Rechtsextremisten? Dabei fiel das Augenmerk auf Hans-Georg Maaßen, der in Thüringen für die CDU in den Bundestag wollte. Er unterlag. Oder, zum zweiten, wurden vermeintliche Problem-Wahlkreise nach ökologischen Gesichtspunkten ausgewählt. „Wir suchten Abgeordnete, die im Klimabereich bremsen und blockieren.“ Bei diesem Negativ-Casting hat es dann Thomas Bareiß erwischt.

Campact hat das Ziel verfehlt

Campact räumte in dem Pressegespräch ein, dass man das selbstgesteckte Ziel verfehlt habe. Bareiß holte nach kräftigen Verlusten bescheidene 30,1 Prozent, doch liegt er damit nicht markant weit entfernt von anderen CDU-Abgeordneten. Er hält den Sitz im Bundestag, Kretschmann geht leer aus.

Viele Gespräche am Wahlabend legten auch den Grund offen für das insgesamte schlüssige Wahlverhalten: Die Bürger auf der Alb, dem Heuberg und in Hohenzollern haben schnell durchschaut, dass sie das Ziel einer Kampagne sind, der sie als vermeintlich naive Menschen auf den Leim gehen sollten. Offenbar haben sich die Datenanalysten und Politologen im Campact-Quartier kaum über den Menschenschlag im Wahlkreis 295 informiert, den sie von oben politisch „auf Vordermann“ bringen wollten. Dieser Menschenschlag wirkt wegen seines Dialekts allenfalls schwerfällig – er lässt sich aber so schnell keinen Bären aufbinden. Auch keinen Berliner Bären.