Es ist Mitte Dezember. Gerade hat das Land die Ausgangssperre beschlossen, die Corona-Infektionsschutzmaßnahmen ziehen noch einmal kräftig an. Weihnachten steht auf der Kippe, zumindest im großen Familienkreis. Es ist diese unsichere Zeit, in der eine Familie im Zollernalbkreis von einem längeren Aufenthalt aus Südafrika zurückkehrt.

Zum Schutz der Familie wird nicht bekannt gegeben, wie viele Mitglieder die Familie zählt. Wohl aber bestätigt der Kreis auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass es sich nicht um eine touristische Reise gehandelt hatte.

Die Rückkehrer-Familie verhält sich jedenfalls vorbildlich, alle Familienangehörigen begeben sich in Quarantäne, am fünften Tag, also am 18. Dezember, machen sie einen Test, um sie zu verkürzen. Zu diesem Zeitpunkt gilt die inzwischen angeordnete Zwei-Test-Strategie noch nicht. Aber auch dann wäre ein Ende der Quarantäne nach dem 5. Tag möglich gewesen. Grünes Licht: Die Tests fallen negativ aus.

Symptome nach Ende der verkürzten Quarantäne

Doch in der Woche danach kommt es in der Familie zu ersten Krankheitssymptomen, milde zwar, aber die Familie lässt erneut testen. Diesmal ist der Test positiv. Dass es sich dabei um eine mutierte Version handelte, ist nicht gleich klar. Das entwickelt sich erst aus der Kontaktverfolgung, als das Gesundheitsamt Nachfragen stellt.

Weitere Analysen werden angeordnet, denn schon im Dezember ist von Mutationen die Rede, die gefährlich sein könnten. Und Südafrika gehört zu den Ländern, wo das Virus besonders stark grassiert.

Späte Analyse

Erst „Ende Dezember, Anfang Januar“ seien die Proben allerdings an ein Labor in Berlin geschickt worden, wie der SÜDKURIER auf konkrete Nachfrage beim Kreis erfährt. Warum es solange dauert und das ganze erst am 11. Januar bekannt wurde? Die zeitliche Verzögerung erklärt die Sprecherin des Landratsamts nicht.

Die Analysen wurden nach Berlin geschickt, weil dies bislang in baden-württembergischen Laboren nicht möglich. Der schriftliche Nachweis aus Berlin lässt auf sich warten. Er kam nach Angaben einer Sprecherin des Landratsamts vom Zollernalbkreis erst am 11. Januar. Diagnose: Virusvariante B.1.351, die südafrikanische Mutation.

Erst jetzt hat das Land Baden-Württemberg bekannt gegeben, dass die Virusmutation ebenso wie jene aus Großbritannien, genannt B.1.1.7, nun auch hierzulande in Laboren getestet und erkannt werden kann. Künftig sollen auch noch unbekannte Virusmutationen erkannt werden können.

Mutationen schon im Dezember

In Baden-Württemberg trat die britische Virusmutante erstmals am 24. Dezember 2020 auf. Am 11. Januar 2021 folgte dann die Bestätigung zu der Familie aus dem Zollernalbkreis, die vermutlich schon am 13. Dezember das Virus aus Südafrika unwissentlich im Gepäck hatte und deren Test am 18. Dezember noch negativ ausfiel.

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Trotzdem lobt Gesundheitsminister Manfred Lucha die eigene Arbeit: „Als eines der ersten Bundesländer schafft Baden-Württemberg die Voraussetzungen, Virus-Mutationen direkt in seinen Landes-Laboren nachzuweisen.“

Zurück zur betroffenen Familie. Sie hatte engeren Kontakt zu einer weiteren Familie, wie das Gesundheitsamt rekonstruieren konnte. Fünf der zehn Kontaktpersonen wurden positiv auf Corona getestet. Doch hier ist noch nicht bekannt, ob es sich auch bei ihnen um die Mutation handelt.

Zahl der Infizierten der Mutation noch unklar

Das werde derzeit noch in einem Labor abgeklärt, sagt die Landratsamtssprecherin. Stefan Brockmann, Leiter des Kompetenzzentrums Gesundheitsschutz beim Landesgesundheitsamt, bestätigt die Entnahme erneuter Proben. Allerdings wurden die erneut nach Berlin geschickt – das Ergebnis wird erst am Donnerstag erwartet.

Stefan Brockmann vom Landesgesundheitsamt.
Stefan Brockmann vom Landesgesundheitsamt. | Bild: RP Stuttgart

Ohnehin hat der Großteil von ihnen die Quarantäne inzwischen wieder beendet, sagte die Sprecherin des Kreises. Das widerspricht der Darstellung von Brockmann, der sagt: „Im konkreten Fall wird sich nicht mehr viel ändern. Uns sind die Kontaktpersonen bekannt. Man muss nicht davon ausgehen, dass noch viele weitere positive kommen. Die Betroffenen sind in Quarantäne und werden weiter überwacht.“

Zusätzlicher Test vor Ende der Quarantäne

Zudem werde man in diesem Fall die Kontaktpersonen am Ende der Quarantäne noch einmal testen, „was man üblicherweise nicht macht“, damit niemand durchs Raster fällt, ergänzt Brockmann. „Es könnte ja sein, dass jemand infiziert ist, aber keine Symptome hat.“

Das Fatale bei dem Vorfall: Damals konnten Reiserückkehrer aus Großbritannien und Südafrika die Quarantäne noch verkürzen, zudem war kein Test zur Einreise nötig. Inzwischen gilt für Reiserückkehrer aus diesen Ländern immer die volle Quarantänedauer von zehn Tagen.

Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer sieht darin aber keinen Lapsus der Landesregierung. Er sagt: „Eine hundertprozentige Garantie hat man auch mit den Tests nicht.“ Die Fünf-Tage-Regelung sei ein „gangbarer Kompromiss“, weil die meisten spätestens dann Symptome zeigten.

Kreis und Land: Keine weitere Ausbreitung droht

Eine Gefahr für eine größere Ausbreitung sieht der Kreis dennoch nicht. Zumindest dann nicht, wenn die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. „Die von der Ansteckung betroffenen Personen sind alle aus dem engen Umfeld und hatten im privaten Umfeld ungeschützt Kontakt. Weitere Maßnahmen sind aktuell nicht notwendig“, ergänzt die Sprecherin des Kreises.

Davon geht auch Brockmann vom Landesgesundheitsamt aus: „Wir glauben nicht, dass es eine weitere Ausbreitung dieser Mutation, ausgehend vom aktuellen Fall im Zollernalbkreis, geben wird.“

Virologe Stürmer traut dem Frieden aber nicht. Es sei derzeit nur schwer zu erfassen, wo die Viren womöglich schon aktiv seien. Denn schon jetzt „haben wir keine Kontrolle mehr über das Geschehen“. „Noch haben wir keinen flächendeckenden Nachweis, aber zu befürchten ist, dass es eine Frage der Zeit ist, bis das geschieht“, glaubt er. Umso wichtiger sei es, dass sich die Menschen an die AHA-Regeln hielten, „noch genauer als vorher“.