400 bis 500 Personen ziehen randalierend durch die Innenstadt, schlagen Schaufenster ein, plündern Geschäfte und verletzen 32 Polizisten: Die Bilder der Krawalle, die sich vor drei Wochen in der Nacht auf den 21. Juni in Stuttgart ereignet haben, schockierten auch Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU). „In dieser Dimension war das nicht vorhersehbar“, sagt er im SÜDKURIER-Gespräch. Am vergangenen Wochenende ist es in Stuttgart nun erneut zu Auseinandersetzungen gekommen.

Doch wie soll das Land darauf reagieren?

„Aus der Zeit nach der Gruppenvergewaltigung in Freiburg 2018 stammt eine Kabinettsvorlage des Justizministeriums mit konkreten Antworten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich häufig um junge Täter handelt“, sagt Wolf. Die Vorlage sei im Staatsministerium liegen geblieben, bedauert der Minister. „Sie wurde aber jetzt nach Stuttgart ganz schnell gezogen.“

Das Hauptproblem beim derzeitigen Umgang mit jungen Straftätern sieht Wolf in der oft langen Zeitdauer, die zwischen dem Begehen einer Straftat und dem jeweiligen Verfahren liege. Hier setze ein Vorschlag seines Ministeriums an, so Wolf. Die Verfahren sollen massiv beschleunigt werden: „Ziel ist, eine Tat, die morgens begangen wird, am gleichen Tag noch rechtskräftig verurteilt zu haben.“

Justizminister Guido Wolf.
Justizminister Guido Wolf. | Bild: Marcel Jud

Das Instrument solcher beschleunigten Verfahren bei Heranwachsenden, also 18- bis 21-Jährigen, gebe es bereits, erklärt Wolf. Nur werde es bisher zögerlich angewendet. „Es ist ein personalintensives Vorgehen.“ Solche Eilverfahren seien bereits in Freiburg und Mannheim sowie seit dem 1. Juli in Stuttgart möglich. An den Amtsgerichten und bei der Staatsanwaltschaft seien dafür jeweils eine zusätzliche Stelle geschaffen worden.

„Die Strafe muss der Tat auf dem Fuß folgen.“
Guido Wolf, Justizminister

Gerade bei jungen Straftätern sei es wichtig, dass der Leitsatz gelte: „Die Strafe folgt der Tat auf dem Fuß“, findet Wolf: „Wenn es ein halbes Jahr dauert, bis etwas geschieht, empfinden das junge Menschen als Freibrief. Und so kann auch der Bevölkerung vermittelt werden, dass der Rechtsstaat funktioniert.“

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In die gleiche Richtung geht ein weiterer Vorschlag aus der Kabinettsvorlage von Wolfs Justizministerium, der ebenfalls nicht völlig neu sei. In „Häusern des Jugendrechts“ sollen Jugendamt, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte eng zusammenarbeiten, damit Jugendliche und junge Erwachsene die Folgen ihres widerrechtlichen Handelns möglichst schnell zu spüren bekommen.

Digitalisierung der Justiz verspricht schnellere Verfahren

Die Vorlage seines Ministeriums sehe auch einen sogenannten Warnschussarrest von maximal vier Wochen für junge Straftäter vor sowie eine personelle Aufstockung von Richterstellen, um eine engmaschigere Führungsaufsicht zu ermöglichen. Dabei werden die Führungsauflagen beaufsichtigt, die Personen erfüllen müssen, die auf Bewährung entlassen wurden. „Derzeit gibt es landesweit nur zwei Richter, die das beaufsichtigen“, so Wolf.

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Zu einer Beschleunigung von Verfahren, nicht nur im Jugendstrafrecht, soll auch die elektronische Gerichtsakte beitragen, die bisherige Aktenberge ersetzen soll. Die E-Akte sei bereits an allen Fachgerichten des Landes präsent sowie an rund 40 Standorten der ordentlichen Gerichtsbarkeit. „Durch Corona ist die Akzeptanz für diese digitale Lösung enorm gestiegen“, betont Wolf. An Strafgerichten ist die E-Akte aber noch nicht angekommen. Hier dauere es länger, da es Schnittstellen mit der Polizei gebe. Eine Pilotphase solle im kommenden Jahr starten.

Corona-Pandemie kein Problem für die Justiz

Insgesamt zieht Wolf trotz Corona eine positive Bilanz der vergangenen Monate: „Der Rechtsstaat muss auch in der Krise funktionieren und das hat er.“ Alle dringenden Verfahren seien fortgeführt worden. Einzelne wie der Fall um die Freiburger Gruppenvergewaltigung seien möglicherweise verzögert, aber nicht abgebrochen worden, betont der Justizminister. Die Rückstände seien absolut beherrschbar.

Auch der Vollzug funktioniere weiterhin und anders als in Berlin seien keine Untersuchungshäftlinge entlassen worden. Um in den Haftanstalten genügend Platz zu schaffen, damit im Falle eines Corona-Ausbruchs mit Quarantänen reagiert werden könne, habe es andere Maßnahmen gegeben: Ersatzfreiheitsstrafen für Personen, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können, seien unterbrochen und einzelne kurze Freiheitsstrafen verschoben worden. Bis jetzt sei es aber nur zu einem einzigen Corona-Fall in Mannheim gekommen, wo sich sechs Häftlinge infiziert hätten.

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