Die Aufregung war groß, als Anfang der Woche im Allgäu ein Braunbär gesichtet wurde. „Das liegt uns kurz vor dem Alpauftrieb wie ein Stein im Magen. Alle sind sehr angespannt“, sagte der bayerische Alphirte Christian Schratz nach der Sichtung. Und auch im nicht weit entfernten Baden-Württemberg sorgt man sich.
Die Alpen und das Allgäu seien prädestiniert für Bären, sagt Antje Henkelmann, Projektleiterin Wolfs- und Braunbärenschutz bei der Euronatur Stiftung in Radolfzell. Denn dort sei es ruhiger, das Gebiet wenig besiedelt. Dazu habe Bayern sehr viel zusammenhängenden Wald, ergänzt Felix Knauer, vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie in Wien. „Der Bär ist stark an den Wald gebunden“, sagt Knauer.
Der Bär im Südwesten sei durchaus vorstellbar
Könnte also auch das größte zusammenhängende Mittelgebirge Deutschlands, der Schwarzwald, eine Heimat für den Bären werden? Denn einst gab es auch hier Bären, der letzte soll im 16. Jahrhundert im Nordschwarzwald erschossen worden sein.
An sich könnten Bären im Südwesten durchaus zurechtkommen, sagt Henkelmann. „Die Lebensbedingungen sind ausreichend.“ Denn genügend Nahrung würden die Tiere im Schwarzwald finden. Bevorzugt ernähren sie sich von Beeren. Hin und wieder stünden auch Tiere auf dem Speiseplan. „Vor allem auch Aas, denn Bären jagen in der Regel wenig“, so Henkelmann. Dadurch würden Nutztiere eher selten von einem Bären getötet. Honig dagegen – so manchem Disney-Film-Liebhaber dürfte es bekannt vorkommen – stehe durchaus auf dem Speiseplan.

Doch auch wenn das Nahrungsangebot passt, ist der Weg dorthin ein Problem für die Bären: Zwischen den bayerischen Alpen und dem Schwarzwald fehlen durchgängige Waldstücke. Diese vom Menschen geschaffenen Bedingungen sprechen gegen eine Rückkehr der Tiere: „Korridore, die undurchschnitten und ohne Straßen sind, stehen kaum zur Verfügung“, sagt Henkelmann.
Zwar ist es möglich, dass der Bär auch mal eine Autobahn quert oder auch Bahnschienen, wie diese Woche ein Fall in Salzburg zeigt, bei dem der Bär vom Zug erfasst wurde. Wegen seiner Wege- und Straßendichte ist aber selbst der große Schwarzwald den Experten zufolge ungeeignet für eine Population. Knauer, der einige Jahre Mitarbeiter der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg tätig war, schließt eine Rückkehr deswegen aus: „Der Schwarzwald ist für Bären unerreichbar.“

Bisher seien die gesichteten Tiere in Bayern immer auf der Durchreise gewesen und nur kurz in Deutschland geblieben. Das betrifft vor allem männliche Tiere – wovon auch im Allgäu ausgegangen wird -, die sich in einem Gebiet von mindestens 120 Quadratkilometer bewegen. Weibliche Bären wandern dagegen meist nur zwischen zehn bis 20 Kilometer ab.
Demnach ist der Bär im Oberallgäu auf der Wanderung, dabei kann er pro Tag bis zu 40 Kilometer zurücklegen. „Die Wanderung kann dann bis zu zwei Jahre dauern“, sagt Knauer. Es werde noch viel Zeit vergehen, bis ein Weibchen ins Allgäu läuft.
Dass der Bär über die Schweizer Seite in den Schwarzwald kommt, ist übrigens ebenfalls unwahrscheinlich: Bisher hat das Alpenland keine feste Population, sondern verzeichnet lediglich einzelne Bären. Überwiegend kommen die bisher in den Kantonen Graubünden, Bern, Tessin und Wallis vor.