Die CDU Baden-Württemberg hat nun den schmerzlichen Prozess hinter sich, der den Grünen im Land noch bevorsteht: Der Generationenwechsel an der Spitze der Partei ist aufgegleist. Der 63 Jahre alte, bisherige Landesvorsitzende Thomas Strobl tritt für den 35-jährigen Fraktionschef Manuel Hagel beiseite, dieser soll von November an auch die Landespartei führen.
Eine Wahl Hagels ohne Gegenkandidatur beim Landesparteitag darf dabei als sicher gelten. Nach den Parteimechanismen dürfte Hagel auch der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026 werden. Nach aktueller Umfragelage wäre er damit ein potenzieller Ministerpräsident. Jedenfalls, sofern er keinen groben Unfug macht oder sich in dem blitzblanken Lebenslauf Hagels nicht doch noch eine gefährliche Untiefe auftut.
Es ist kein schlechter Zeitpunkt für eine Stabübergabe. Im kommenden Jahr stehen Kommunal- und Europawahlen an, im Folgejahr Bundestags- und im Frühjahr 2026 Landtagswahlen. Das alles will im Südwesten aus einer Hand orchestriert werden, dazu müssen Landespartei, Landesvorsitz und Landtagsfraktion im programmatischen Gleichklang agieren, ein Gefühl der Geschlossenheit, vielleicht sogar wieder des Aufbruchs ausstrahlen. Aber: Aufbruch wohin?
Nur der Anspruch ist wie damals
Der designierte Neue an der Spitze der Südwest-CDU spricht stets mit andächtigen, geradezu ehrfürchtigen Worten und leuchtenden Augen von der ‚CDU Lothar Späths und Erwin Teufels‘, wenn er skizziert, welches Parteibild ihn prägte und ihn leitet. Erwin Teufel zählt zwar zu seinen Ratgebern, was genau Hagel damit allerdings meint, hat er noch nicht näher definiert. Die Zeiten der absoluten Mehrheiten und Alleinregierungen an dürfte für die CDU ein für alle Mal Geschichte sein. Und damit auch das wärmende Gefühl, dass alles bleiben kann und soll, wie es ist. Denn außer dem Anspruch ist nichts mehr so wie damals.
Nach dem Abgang von Lothar Späth, der im Südwesten seit 1978 mit der CDU allein regierte, blieben Erwin Teufel noch zwei Jahre absoluter Mehrheit, bis er sich nach der Wahl 1992 erstmals mit einem Koalitionspartner arrangieren musste. Seitdem kam keine Partei im Land mehr in die Nähe einer Alleinregierung. Schon 2006 reichten 44 Prozent für die CDU nicht mehr, um allein zu regieren. Und nach der Wahl im Jahr 2011 musste man gar mit 39 Prozent, aber ohne ausreichend starken Koalitionspartner, in die Opposition. Und als Juniorpartner der Grünen muss die CDU im Land seit 2016 sehr kleine Brötchen backen.
Auch Wirtschaft und Mittelstand, Industrie und Handwerk, für die sich die CDU jahrzehntelang zum Sprachrohr erklärte, werden heute ebenso selbstverständlich von Grünen, FDP und auch von SPD und AfD für sich reklamiert. Das C als früheres Alleinstellungsmerkmal der CDU hat für weite Teile der Bevölkerung längst an Bedeutung verloren, ebenso wie ein klassisches Familienbild.
Kirchenaustritte und leere Gotteshäuser, aber auch Missbrauchsskandale sprechen eine deutliche Sprache. Dazu tun sich die Kirchen schwer, sich in der für viele Menschen wichtigsten sozialen Frage der Zeit – dem Umgang mit Migration, Asylrecht und Flüchtlingen glaubhaft zu positionieren. Und die CDU, durch das C mit den Kirchen verwoben, mit ihnen. Die Parteibindung hat abgenommen, Wahlentscheidungen erfolgen zunehmend nach Themenlage.
Was steckt hinter der Floskel?
Wodurch der Führungsanspruch der CDU eigentlich im 21. Jahrhundert getragen wird, darauf ist die Partei aber bislang eine Antwort schuldig geblieben. „Politik mit Stil“ will Hagel der Partei im Südwesten als Parole verordnen. Eine griffige Floskel und sicher kein schlechter Plan in Zeiten, in denen der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz täglich schlechtere Haltungsnoten bei Versuchen der Profilbildung für seine Partei kassiert.
Darüber hinaus gibt es auch hierzulande viel Frust oder gar Wut über das Chaos, das die drei Ampelparteien im Bund anrichten. Die neu gewonnene Umfragestärke der CDU im Südwesten dürfte daher weit mehr mit dem Frust über die Grünen im Bund zusammenhängen als mit der eigenen Performance in der aktuellen Landesregierung.
Der Vorteil für die Südwest-CDU aber ist nun: Es bleibt reichlich Zeit bis zur nächsten Landtagswahl, dem Wähler neben dem neuen Gesicht an der Spitze auch neue Gründe für ihre Wahlentscheidung pro CDU zu geben. Die warme Erinnerung an die CDU von Späth und Teufel zu bemühen, wird nicht reichen.