Vereinzelt gibt es sie schon im Supermarkt, der offizielle Saisonstart ist aber erst im Mai: Erdbeeren kommen bald wieder zurück auf die Speisekarte der Deutschen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gibt es 460 Betriebe in Baden-Württemberg, die Erdbeeren anbauen. Geerntet werden die Erdbeeren in vielen Betrieben von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland.

Doch diese Arbeitskräfte sind teuer: „Man kann davon ausgehen, dass rund die Hälfte des Preises für eine Schale Erdbeeren für Personal ausgegeben wird“, sagt Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauer. Denn der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde gilt auch für Saisonarbeitskräfte. Aufgrund der Inflation sei es in diesem Jahr etwas entspannter, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuziehen. „Aber es ist jedes Jahr ein Auf und Ab“, so Schumacher.

Eine Lösung dafür kommt vom Konstanzer Start-up Organifarms. Das Team rund um Hannah Brown und Dominik Feiden hat einen Roboter entwickelt, der autonom Erdbeeren ernten kann.

Das Gründerteam von Organifarms: Hannah Brown, Dominik Feiden, Marian Bolz und Mario Schäfer (von links nach rechts).
Das Gründerteam von Organifarms: Hannah Brown, Dominik Feiden, Marian Bolz und Mario Schäfer (von links nach rechts). | Bild: Organifarms

Organifarms räumt Preise und Förderungen ab

Organifarms hat sich aus einem Studentenprojekt entwickelt. Mitgründer Dominik Feiden beschäftigte sich während seines Studiums mit dem Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft. „In dem Kontext habe ich Landwirte interviewt und alle haben von den gleichen Problemen berichtet: niedrige Marktpreise, auf der anderen Seite steigende Personalkosten“, sagt der 26-Jährige.

Aus der anfänglichen Vision, die Landwirtschaft zu automatisieren, ist inzwischen ein Unternehmen mit acht Mitarbeitern geworden. Organifarms hat bereits Förderungen und Preise für seine Innovationen rund um die Robotik in der Landwirtschaft erhalten. Zum Beispiel erhielt das Team eine Förderung von 800.000 Euro aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft.

 

Berry fasst die Erdbeeren nicht an

Seit Herbst 2022 ist der Roboter nun verkaufsbereit. Er heißt Berry und kann in Gewächshäusern eingesetzt werden. Mit einem Kamerasystem erkennt Berry, wo die reifen Früchte an der Pflanze hängen. Die Erdbeere wird mit einer Art Schere abgetrennt und von Berry in die Schale gelegt. Im gesamten Prozess wird die Erdbeere nicht vom Roboter berührt. Da Erdbeeren sehr empfindlich sind und schnell Druckstellen entstehen können, ist das besonders wichtig.

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„Tagsüber werden die Früchte sehr weich. Wenn man sie dann berührt, kriegen sie sehr schnell Druckstellen. Da der Roboter die Früchte nicht berührt, kann er den ganzen Tag über ernten. Das bringt dann einen großen Vorteil“, so Brown.

Kostenersparnis für den Landwirt

Im Gewächshaus kann sich Berry völlig autonom bewegen. Der Landwirt kann einstellen, wie reif die Früchte bei der Ernte sein sollen. Auch Qualitätsmängel erkennt Berry. Zudem werden die Erdbeeren direkt in Verkaufsschalen abgelegt. Dadurch erhält der Landwirt einen größeren Kilopreis beim Großhändler, denn dieser muss die Früchte nicht nachsortieren.

Wie sich das auf den Preis für eine Schale auswirkt, können Dominik Feiden und Hannah Brown aktuell nicht exakt einschätzen, da sehr viele Faktoren auf den Preis einwirken. „Tendenziell würde ich sagen, sie werden nicht teurer“, so Feiden.

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Die ersten Kunden hat Organifarms jetzt in Deutschland und in den Niederlanden. „Grundsätzlich ist in unserer Kundschaft alles dabei, vom kleinen Familienbetrieb bis hin zu einem Großbetrieb mit einem der größten Gewächshäuser Europas für Erdbeeren“, sagt Dominik Feiden. Im nächsten Jahr möchte Organifarms dann in Serienproduktion gehen und jedes Jahr eine zweistellige Stückzahl an Ernterobotern produzieren.

Organifarms-Gründer Hannah Brown und Dominik Feiden in ihrem Büro in Konstanz.
Organifarms-Gründer Hannah Brown und Dominik Feiden in ihrem Büro in Konstanz. | Bild: Nathalie Metzel

Berry lohnt sich auch für kleine Betriebe

Wichtig ist den Gründern, dass sich der Roboter auch für kleine Betriebe lohnt. Wie viel der Roboter kostet, möchte Organifarms nicht sagen. Berry liege in der Anschaffung aber bei 30 bis 40 Prozent unter den Kosten, die ein Landwirt ausgeben müsste, um den gleichen Ernteertrag von Saisonarbeitern zu erhalten. „Wir haben bis jetzt noch kein Feedback bekommen, dass man sich das nicht leisten kann“, sagt Feiden.

Die Entwicklung sei mit der Serienproduktion von Berry noch nicht abgeschlossen. Berry soll künftig vielfältiger einsetzbar sein. „Wir starten jetzt in High-Tech-Gewächshäusern und möchten irgendwann auch aufs Feld gehen“, so Feiden.

Landtechnik ist eine dynamische Branche

Organifarms ist eines von vielen Unternehmen in Deutschland, das sich mit Automatisierungsprozessen in der Landwirtschaft beschäftigt. „Gerade was die Robotik betrifft, gibt es interessante Ansätze in der Automatisierung. Hier sind neben bekannten Herstellern auch viele Start-ups tätig“, sagt Christoph Götz vom Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Die Branche der Landtechnik, welche die Herstellung von Landmaschinen, Traktoren und Softwaresystemen umfasse, sei eine der dynamischsten Branchen im Maschinenbau. Insgesamt habe die Landtechnik im Jahr 2022 einen Umsatz von zwölf Milliarden Euro gemacht, eine Steigerung von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Sonderkulturen haben spezielle Anforderungen

„Die Landwirte heute sind sehr technologieaffin und offen für neue Techniken“, so Götz. Bereits jetzt würden beispielsweise schon Drohnen zur Unkrautbekämpfung eingesetzt werden. Der Bereich der Sonderkulturen, zu dem Obst-, Gemüse- und Weinbau gehören – und damit auch der Erdbeeranbau – habe sehr spezielle Anforderungen: Die Techniken müssten sehr punktgenau eingesetzt werden.

„Im Bereich der Sonderkulturen ist der Personalaufwand nach wie vor höher. Die Automatisierung stellt daher sicherlich einen Faktor der Entlastung dar“, sagt Götz. Denn im Gegensatz zum Ackerbau ist das Ernten von Erdbeeren oder Spargel immer noch Handarbeit.

Landwirt wird auch künftig gebraucht

Genau das könnte sich mit Innovationen wie Berry ändern. Das Team von Organifarms steht im engen Austausch mit landwirtschaftlichen Betrieben. Deren Expertise und ihre Bedenken fließen direkt in die Entwicklung des Roboters. „Das Zitat eines Landwirts fasst es ganz gut zusammen: Wenn es keine Automatisierung für die Ernte gibt, dann sehe ich keine Zukunft für die Industrie“, sagt Mitgründer Dominik Feiden. Auch Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauer hält den Einsatz von Robotik für sinnvoll: „Wir befürworten das sehr. Ich glaube, dass das die Zukunft ist.“

Deswegen forscht Organifarms in der Zukunft auch an der Automatisierung anderer Prozesse in der Landwirtschaft. Auch der Anbau anderer Gemüse- und Obstsorten soll in naher Zukunft automatisiert werden. Den Landwirt selbst werde es aber weiterhin brauchen, auch beim Einsatz eines Roboters wie Berry. „Der Roboter macht nicht einfach, was er denkt, sondern der Landwirt sagt immer noch, das ist jetzt der richtige Reifegrad oder die richtige Qualität der Früchte“, sagt Mitgründerin Hannah Brown. Langfristig sei das Ziel, dass der Mensch keine körperlich anstrengende Arbeit mehr leisten müsse.