Der Einsatz dauerte, die Hin- und Rückfahrt von jeweils etwa 500 Kilometern inbegriffen, knapp 54 Stunden – für Sabine Hartauer kam die Ruhepause danach zur richtigen Zeit, wie sie sagt. In der vergangenen Woche waren die 35-Jährige und ihr Kollege Jörg Scholten von den Maltesern in Konstanz im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler im Einsatz. Mit mindestens 117 Todesopfern und über 700 Verletzten war er von den verheerenden Überschwemmungen schwer getroffen worden.

Von Donnerstag Nacht bis Samstag Nachmittag waren die beiden Helfer mit zwei Mannschaften des Deutschen Roten Kreuzes aus dem Landkreis Konstanz vor Ort – als „hoch qualifizierte Einsatzkräfte und Zugführer im Katastrophenschutz“, wie es in einer Pressemitteilung der Malteser heißt. Hartauers und Scholtens Aufgabe war es, den Rettungsdienst in der Krisenregion zu unterstützen; beispielsweise hat das Duo einen Intensivpatienten von Ahrweiler nach Bonn transportiert.

Nach der Flut: Im rheinland-pfälzischen Ahrweiler laufen die Aufräumarbeiten. Hier waren auch die beiden Helfer aus Konstanz im Einsatz.
Nach der Flut: Im rheinland-pfälzischen Ahrweiler laufen die Aufräumarbeiten. Hier waren auch die beiden Helfer aus Konstanz im Einsatz. | Bild: Boris Roessler/dpa

„Unser Fahrzeug kann quasi als Rettungswagen eingesetzt werden, weil die Malteser den Notfall-Krankentransportwagen selbst so gut aufgerüstet haben“, sagt Hartauer. Sie ist wie ihr Kollege ehrenamtlich im Katastrophenschutz tätig – seit 21 Jahren ist sie bei den Maltesern, im Hauptberuf ist sie dort seit 2012 Notfallsanitäterin. Schon gestern war sie wieder im Dienst. Auch Scholten, seit 1997 bei der Hilfsorganisation aktiv, saß am Montag wieder im Büro – wohl wissend, dass er auch beim nächsten Einsatz auf die Unterstützung seines Arbeitgebers, der AOK, und die seiner Kollegen zählen kann.

Mittendrin im Geschehen

Die Ereignisse der vergangenen Tage konnte der 40-jährige Rettungssanitäter noch gar nicht richtig verarbeiten. Vor Ort in Rheinland-Pfalz war dafür keine Zeit geblieben. „Wir konnten gar nicht wirklich ankommen“, sagt Scholten. „Wir waren sofort mittendrin im Geschehen.“ Nach einer kurzen Pause seien er und seine Kollegen bereits Freitag in der Früh im Einsatz gewesen. Für ihn kein Problem, er ist Rettungs- und Nachtdienste gewöhnt. Und er sagt: „Es war alles sehr gut organisiert.“ Die Helfer seien bestens versorgt worden, ergänzt Hartauer. Aus dem Südwesten waren 100 Krankentransportwagen mit 200 Einsatzkräften der Hilfsorganisationen in die Region gekommen.

„Geschlafen haben wir in unserem Fahrzeug“, sagt Scholten, der nebenberuflich im Rettungsdienst arbeitet, über die Nacht auf Samstag. Von einem erholsamen Schlaf oder davon, Abstand von den Ereignissen zu gewinnen, kann da keine Rede sein. „Man merkt, dass man müde ist, aber im Einsatz ist davon nichts mehr zu spüren“, sagt er.

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Für den Sozialversicherungsfachangestellten aus Konstanz war es der erste Einsatz in dieser Dimension. Er weiß: „Solche Einsätze sind extrem selten.“ Kurz nach 16 Uhr habe er am Donnerstag erfahren, dass es nach Rheinland-Pfalz geht; um 17.30 Uhr war Abfahrt. Dazwischen: ein Anruf zu Hause bei seiner Frau, die ihm schnell die Tasche gepackt hat. Am Samstag gegen 23 Uhr waren seine Kollegin und er wieder in Konstanz. Auch Hartauer hatte nur eine Stunde Zeit, um sich vorzubereiten.

Wie eine Film-Kulisse

Zu dem Zeitpunkt hatte sie kaum Bilder aus der Katastrophenregion gesehen, wusste nicht, was auf sie zukommen würde. „Im ersten Moment erschien mir alles surreal“, sagt sie über die Ankunft in Rheinland-Pfalz. „Wie eine Film-Kulisse, weil man sich nicht vorstellen kann, dass das wirklich passiert.“ Ein Einsatz in dieser Größenordnung war auch für sie neu. „Wir sind natürlich für so etwas ausgebildet“, sagt sie. „Aber man rechnet ja nicht damit, dass es wirklich zu so einem Einsatz kommt.“

Scholten und Hartauer sind erfahrene Katastrophenschützer, dennoch sagen sie: „Die Eindrücke aus diesem Einsatz werden uns noch lange begleiten.“ Die Gemeinde Dernau mit nicht ganz 2000 Einwohnern sei gerade wieder zugänglich gewesen, als er und seine Kollegin am Samstag früh dort eintrafen. „Wir waren mit die Ersten dort“, sagt er. Zu versorgen gab es Schnittverletzungen, die die Menschen sich beim Aufräumen zugezogen hatten. Oder es mussten Medikamente besorgt werden, die vom Wasser zerstört worden waren.

Das Hochwasser hat in Ahrweiler eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Das Hochwasser hat in Ahrweiler eine Spur der Verwüstung hinterlassen. | Bild: Boris Rössler/dpa

Den Konstanzern wird der Einsatz trotz allem in positiver Erinnerung bleiben. Scholten spricht von großer Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft vor Ort: „Dass wir so weit gefahren sind, um zu helfen, hat die Menschen gefreut“, sagt er. Sie seien mit Essen und Getränken versorgt worden, auch mit Material. Die Menschen seien erschöpft von der anstrengenden Aufräumarbeit, aber bei ihnen und auch unter den Helfern herrsche ein „toller Zusammenhalt“ und, so Hartauer, eine positive Stimmung.

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„Es war ein anstrengender, aber menschlich auch ein sehr berührender Einsatz“, sagt Hartauer, die – ebenso wie ihr Kollege – schon am Sonntag wieder auf der Wache war: Fahrzeug trockenlegen, reinigen, desinfizieren, Material auffüllen. „Oberste Priorität ist, das Fahrzeug sofort wieder einsatzbereit zu bekommen“, sagt Scholten. „Wir wissen ja nicht, was als Nächstes kommt.“

Lieber Geld- als Sachspenden

Sollte man die Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit Sachspenden unterstützen? Geldspenden machen laut Scholten mehr Sinn, „weil sie dort eingesetzt werden können, wo es notwendig ist“. Hartauer pflichtet ihm bei – mit Geld könne man im Moment zielführender helfen.

Scholten muss nicht nachdenken bei der Frage, ob er den Einsatz wiederholen würde, sollte eine Anfrage kommen. Seine Antwort: „Ja!“ Auch seine Kollegin muss keine Sekunde überlegen, bevor sie ebenfalls sagt: „Ja!“