Herr zu Fürstenberg, vor zehn Monaten folgten Sie Ihrem Vater Heinrich als Chef des Hauses Fürstenberg. Aus dem Erbprinzen wurde der Fürst. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Zu Fürstenberg: Das war eine schwere Zeit für mich. In den beiden letzten Jahren seines Lebens ging es meinem Vater sehr schlecht, da bin ich immer mehr in die Aufgabe hineingewachsen. Rein geschäftlich war ich orientiert. Aber emotional hat mich sein Tod sehr mitgenommen. Ich kann mit ihm keine Rücksprache mehr halten. Die letzte Instanz fehlt. Nun stehe ich an oberster Stelle, alle schauen auf mich. Ich bin nun das Oberhaupt der Familie, und das ist doch etwas anderes als der Chef eines Unternehmens, der kommt und geht. An diesen Druck musste ich mich erst gewöhnen.

Was werden Sie verändern?

Fürst zu Fürstenberg: Gar nicht so sehr viel, denn schon mein Vater hatte eine erfolgreiche Restrukturierung unseres Familienunternehmens in Gang gesetzt. Natürlich gilt es aber daneben neue Themen wie die Digitalisierung anzupacken. Damit sind wir vollauf beschäftigt.

Sie sind voll im Tagesgeschäft?

Fürst zu Fürstenberg: Ja, da bin ich voll drin. Arbeit und Kinder, Kinder und Arbeit – das ist mein Rhythmus.

Nochmals zurück zu Ihrem Vater Heinrich. Beim Requiem im Juli 2024 hielten Sie eine Ansprache. Dabei sagten Sie unter anderem: „Es war nicht immer einfach mit ihm. Es war nicht leicht, besonders für uns Kinder.“ Worauf spielt das an?

Fürst zu Fürstenberg: Mein Vater war ein Mensch, der in jüngeren Jahren als Lebemann galt. Er hat – wie man damals in vielen Zeitungen lesen konnte – Dinge getan, die einem gesunden Familienleben eher abträglich waren. Als Kind habe ich darunter gelitten. Er war oft nicht da.

Es gab sogar einen Prozess gegen ihn…

Fürst zu Fürstenberg: …. der am Ende gut für ihn ausgegangen ist. An den Vorwürfen stimmte, dass er dem Feiern nicht abgeneigt war. Deshalb habe ich das bei der Beerdigung kritisch angemerkt. Für mich war das auch eine Aufarbeitung. Die Trauerrede schrieb ich nachts in einem Zug. Es war eine Befreiung.

Wie verstehen Sie denn Ihre Rolle?

Fürst zu Fürstenberg: Wissen Sie, ich hatte – wie viele anderen – in meiner Jugend auch meinen Spaß. Heute sehe ich mich als Unternehmer und Familienvater.

Und Sie spielen in einer Pop-Band in Heiligenberg?

Fürst zu Fürstenberg: Ja, da spiele ich Gitarre. Ich mache leidenschaftlich gern Musik.

Mit Ihrer Frau Jeannette und den vier Kindern wohnen Sie in Heiligenberg. Das Schloss konnte man früher besichtigen, seit einigen Jahren ist es für die Öffentlichkeit geschlossen.

Fürst zu Fürstenberg: Das ist wegen der Kinder. Ich will und muss deren Privatsphäre schützen. Die Führungen waren störend. Da liefen fremde Menschen in den Innenhof, starrten uns an und machten Fotos der Kinder. Wir waren wie auf dem Präsentierteller, das ist mit einem Familienleben nicht vereinbar.

Der Hauptsitz der Familie Fürstenberg ist eigentlich Donaueschingen. Werden Sie dorthin zurückgehen?

Fürst zu Fürstenberg: Donaueschingen bleibt unsere Residenz. Hier sind der Verwaltungssitz und auch mein Büro. Doch die Familie hat sich in Heiligenberg eingelebt, die Kinder sind dort eingeschult. Wir fühlen uns wohl und bleiben privat im Linzgau.

Die Zeitschrift „Gala“, ein anerkanntes Fachblatt der Yellow Press, hat bei Ihrer Heirat geschrieben: „Christian war einer der begehrtesten Junggesellen und ist nun vom Markt.“

Fürst zu Fürstenberg: Das ist doch herrlich. Wobei ich vor der Heirat schon einige Jahre mit meiner späteren Frau zusammen war. So plötzlich bin ich nicht „vom Markt“ verschwunden.

Ihre Frau Jeannette ist ebenfalls Unternehmerin, sie ist promoviert. Ist sie Ihre Beraterin?

Fürst zu Fürstenberg: Wir sprechen viel über alle Themen. Doch ist sie auch mit ihrem eigenen Unternehmen beschäftigt. Ihre Basis ist Heiligenberg, sie reist aber viel. Sie beschäftigt sich mit Risikofinanzierungen (Venture Capital). Sie investiert in Start-ups mit hohem Innovationspotenzial. Für einen großen US-Fonds arbeitet sie als Europachefin. Die Investitionen reichen von KI-Firmen bis zu Biotechnologie.

Im Vergleich dazu sind die fürstenbergischen Betriebe konventionell aufgestellt. Der Wald ist noch immer bedeutend.

Fürst zu Fürstenberg: Der Wald ist für uns nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern Teil unserer Geschichte. Seit Jahrhunderten leben die Fürstenberger vom Land- und Grundbesitz. Dazu gehört auch die Holzverarbeitung, etwa in unserem Werk in Hüfingen, wo wir Masten und Bahnschwellen produzieren. Als mittelständisches Unternehmen sind wir damit erfolgreich. Ergänzt wird dies durch Finanzinvestitionen, die wir strategisch bündeln.

Bedauern Sie es manchmal, dass die Brauerei nicht mehr Ihrem Haus gehört?

Fürst zu Fürstenberg: Bierbrauen ist ein romantisiertes Feld nach dem Motto: Jeder Aristokrat braut sein eigenes Pils. Das hat einen gewissen Charme, doch ist das heute nicht mehr so einfach. Bierbrauen ist wirtschaftlich betrachtet anspruchsvoll. Wir haben uns 2002 zum Verkauf entschlossen, weil unsere Brauerei in ihrer damaligen Größe nicht mehr rentabel zu führen war. Vielen kleineren und mittelgroßen Betrieben erging es ähnlich.

Sie sagen „wir“. Waren Sie an der Entscheidung beteiligt?

Fürst zu Fürstenberg: Ja. Den Verkauf der Brauerei vollzogen wir kurz nach dem Tod meines Großvaters Joachim. Ich wurde in die Entscheidungsfindung mit einbezogen und habe die Verhandlungen miterlebt. Rückblickend war es die richtige Entscheidung. Am Rande bemerkt: Das Bier trägt bis heute unseren Namen und unser Wappen. Immer wieder gratulieren mir Menschen und sagen, dass sie gerne unser Bier trinken. Ich freue mich dann immer.

Ihr Großvater hat nach seinem Tod Sie als Erben eingesetzt – nicht Ihren Vater. Wie kam das?

Fürst zu Fürstenberg: Das geschah aus erbschaftsstrategischen Gründen. Mein Sohn, der damals noch gar nicht geboren war, ist als Nacherbe eingesetzt. Das entspricht unserem Hausgesetz: Der Erstgeborene übernimmt das Gesamterbe.

Nur Männer können bei Ihnen das Gesamterbe antreten?

Fürst zu Fürstenberg: So ist es derzeit geregelt. Ich könnte das gar nicht ändern. Mein Sohn Tassilo, unser Ältester, könnte das später tun, wenn er es für richtig erachtet. Bislang hat sich diese Regelung über viele Generationen bewährt und zur Stabilität beigetragen.

Sie haben bürgerlich geheiratet.

Fürst zu Fürstenberg: Ja, darin sind wir nicht mehr so streng. Das hat auch damit zu tun, dass der Adel als Stand im rechtlichen Sinne nicht mehr existiert. Der Titel Fürst zu Fürstenberg ist für mich Ausdruck historischer Kontinuität, kein aktueller Machtanspruch. Im Alltag bin ich schlicht Herr Fürstenberg oder Herr zu Fürstenberg. In unserer Familie war ich der Erste, der eine Bürgerliche geheiratet hat. Es hat mir nicht geschadet.

Der britische Thronfolger William hat mit Kate auch eine Bürgerliche geheiratet.

Fürst zu Fürstenberg: Genau. Es geht darum, dass man dieselben Werte vertritt.

Wo liegen denn die Werte einer hochadligen Familie?

Fürst zu Fürstenberg: Ein zentraler Wert ist die Verantwortung der Familie und den Folgegenerationen gegenüber, auch die Tradition. Das äußert sich unter anderem darin, dass das Erbe zusammengehalten wird. Wir wollen unsere Kulturgüter wie beispielsweise unsere Schlösser erhalten, auch wenn das mit großem Aufwand verbunden ist. Unsere Familie besteht und wirkt seit über tausend Jahren. Dieser historische Zusammenhang ist für uns identitätsstiftend. Der Titel wirkt wie ein verbindendes Element, nicht wie ein Ausdruck von Privilegien. Der institutionalisierte Adel wurde abgeschafft, aber das Bewusstsein für Herkunft und Geschichte ist geblieben. Das pflegen wir.

Dann sind wir bei der formellen Anrede. Ihre Mitarbeiter reden Sie mit Durchlaucht an. Das ist der hausinterne Sprachgebrauch?

Fürst zu Fürstenberg: Das ist eine interne Gepflogenheit – vergleichbar mit der Anrede „Generaldirektor“ in einem Unternehmen.

Sie und ihre Frau sammeln moderne Kunst, die in Donaueschingen in einem eigenen Gebäude – den Sammlungen – gezeigt wird.

Fürst zu Fürstenberg: Das ist eine Leidenschaft, die uns verbindet. Als wir geheiratet haben, wollten wir etwas Eigenes schaffen – jenseits der Sammlung unserer Vorfahren. Wir wollten außerdem junge Künstler fördern und starteten ein Förderprogramm „Artist in Residence“. Wir laden junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler ein, im Sommer drei Monate auf Schloss Heiligenberg zu leben und zu arbeiten.

Die Fürstenberger sind traditionell katholisch geprägt. Spielt das bei Ihnen eine Rolle?

Fürst zu Fürstenberg: Auf jeden Fall. Ich bin religiös erzogen und war als Kind Ministrant. Auch meine Frau ist im Glauben verwurzelt. Ich gehe sehr gern in den Gottesdienst und bin ein gläubiger Christ, habe an vielen Pilgerfahrten nach Lourdes teilgenommen und Kranke dorthin begleitet. Für mich bietet der christliche Glaube Halt und Orientierung – gerade in einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist. Unsere Kinder erziehen wir in diesem Verständnis – ohne Strenge, aber mit klaren, christlichen Werten. Wenn wir unseren christlichen Glauben aufgeben, tauschen wir ihn gegen etwas ein, das weniger tragfähig ist.