Sie sollen dafür sorgen, dass vor Gericht bei allem juristischen Sachverstand der beteiligten Richter der „gesunde Menschenverstand“ nicht auf der Strecke bleibt, wie es die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) am Dienstag in Stuttgart formulierte: Schöffinnen und Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die bei Strafprozessen auf Augenhöhe mit den Profis über Beschuldigte zu Gericht sitzen.
Die Laienrichter kommen dabei aus allen Alters- und sozialen Schichten der Bevölkerung. Sie sind unabhängig, müssen neutral sein, sind nur dem Gesetz verpflichtet und ihre Stimme ist bei Schuldspruch und Strafbemessung gleichwertig mit der der hauptamtlichen Richter.
Rund 7000 ehrenamtliche Männer und Frauen sind in Baden-Württemberg als Schöffen im Einsatz – 3772 als Hauptschöffen, rund 3000 als Ersatz. Ihre fünfjährige Amtszeit endet mit Ablauf des Jahres 2023.
Für die nächste Amtsperiode von 2024 bis 2028 können sich daher Interessierte ab sofort bei der Kommune an ihrem Wohnort bewerben. Justizministerin Gentges und Claudia Kitzeg, Landesvorsitzende des Schöffenverbandes, warben gemeinsam zum Auftakt der neuen Bewerbungsphase in Stuttgart für das Ehrenamt und sprachen zugleich auch den Arbeitgebern von Schöffinnen und Schöffen ihren Dank aus. Denn die Laienrichter müssen von ihren Arbeitgebern für diese Tätigkeit freigestellt werden.
Fragen und Antworten zu dem begehrten Ehrenamt.
Wer kann Schöffin oder Schöffe werden?
Interessenten müssen deutsche Staatsangehörige sein, die deutsche Sprache beherrschen, in der Kommune gemeldet, in der sie sich bewerben und im Januar 2024 zwischen 25 und 69 Jahre alt sein. Ausgeschlossen ist, wer schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde oder von einem laufenden Ermittlungsverfahren betroffen ist. Zudem müssen Bewerber Verfassungstreue im Sinne des Grundgesetzes gewährleisten. Ganz am Ende des Verfahrens werden die Personenlisten durch das Bundeszentralregister geprüft.
Welche Qualifikationen müssen Laienrichter haben?
Zusätzlich zu den rechtlichen Voraussetzungen nennt Claudia Kitzeg, Landesvorsitzende des Schöffenverbands, eine Reihe persönliche Voraussetzungen. „Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen, soziale Kompetenz und Urteilsvermögen. Laienrichter sollen auch in extremen Situationen neutral bleiben und einen gesunden Gerechtigkeitssinn mitbringen“, sagt Kitzeg.
„Schöffen solle eine klare Meinung und Haltung haben und diese auch vertreten können. Und sie brauchen einen gefestigten Charakter und Mut zum Richten, denn sie müssen Entscheidungen treffen, die massiv in das Leben von Menschen eingreifen.“
Wie ist das Verfahren?
Der Auswahlprozess ist langwierig und längst nicht alle Personen, die sich dafür interessieren, kommen auch zum Zug. Die Justizminister hat aus den Erfahrungen der Vergangenheit keinen Zweifel daran, dass sich erneut deutlich mehr Interessierte melden, als am Ende gebraucht werden.
Es können örtliche auch geeignete Personen etwa durch Parteien oder Gruppierungen vorgeschlagen werden. Die Kommunen bekommen nun bis zum 24. März von den Gerichten mitgeteilt, wie viele Schöffen jeweils benannt werden müssen. Dann wird in den Kommunen – in der Regel vom Gemeinderat – bis Mitte Juni eine Liste mit geeigneten Personen aufgestellt, die zudem öffentlich ausgelegt werden muss.
Die Liste muss dabei doppelt so viele Bewerber enthalten, wie tatsächlich benötigt werden. Ende September entscheidet dann ein Schöffenwahlausschuss bei jeweiligen Amtsgericht über die endgültige Auswahl. Dabei muss die gesamte Bevölkerung in Geschlecht, Alter und sozialem Status repräsentativ vertreten sein.
Wie viel Zeit müssen Schöffen aufwenden?
Vorgesehen ist, dass die Laienrichter möglichst zwölf Sitzungstage pro Jahr im Einsatz sind. Bei großen Verfahren können es auch mehr Tage werden. Manchmal werden sie gar nicht gebraucht.
Bei welchen Verfahren werden sie eingesetzt?
„Immer, wenn es wirklich ernst wird, entscheiden Laienrichter mit“, sagt Justizministerin Marion Gentges. Sie kommen bei Strafsachen an den Schöffengerichten bei Amtsgerichten oder bei den Großen Strafkammern der Landgerichte zum Einsatz – da geht es in der Regel um mittlere oder schwere Straftaten. „Schöffen üben das Richteramt in vollem Umfang und mit vollem Stimmrecht aus. Sie sind Laien, aber keine Richter zweiter Klasse“, sagt Gentges.
Bekommen Schöffen eine Ausbildung für das Ehrenamt?
Nein, aber Unterstützung. Es gibt Info-Broschüren, zudem bietet der Landesverband der Schöffen zusammen mit den Volkshochschulen online-Veranstaltungen an.
Kann man sich die Verfahren aussuchen?
Nein. Zu Beginn einer Amtsperiode wird ausgelost, in welcher Reihenfolge die als Laienrichter bestimmten Personen bei den Verfahren eingesetzt werden.
Werden Schöffen bezahlt?
Sie haben das Recht auf eine Aufwandsentschädigung oder einen Verdienstausfall, der sich nach den vor Gericht zugebrachten Stunden und ihrem sonstigen Verdienst bemisst und bekommen zudem An- und Abreisekosten erstattet. Eine Hausfrau, die keiner anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht, bekäme derzeit in Baden-Württemberg pro Gerichtsstunde etwa 17 Euro erstattet; der Verdienstausfall für Berufstätige beträgt derzeit 29 Euro pro Stunde, bei größerem Aufwand 55 € pro Stunde, höchstens aber 73 €. Für Beamte gilt dies nicht, sie erhalten auch als Schöffen weiter ihre Bezüge.
Kann ein Arbeitgeber die Schöffentätigkeit von Mitarbeitern untersagen?
Nein. Bestellte Schöffen müssen freigestellt werden. Mitarbeitern dürfen beruflich keine Nachteile aufgrund einer Schöffentätigkeit entstehen, Kündigungen oder berufliche Benachteiligungen sind nicht zulässig, ebenso muss versäumte Arbeit nicht nachgearbeitet werden.