Es sind – mal wieder – schlechte Nachrichten für Bahnfahrer. Zwischen Sonntag, 13. Oktober und Samstag, 26. Oktober geht auf dem Abschnitt Singen und Engen nichts, hier sollen Gleise erneuert werden.
Es ist ein Stich in die Hauptschlagader des Zugverkehrs am Bodensee: Sowohl Schwarzwaldbahn als auch Gäubahn und Seehas sind dann unterbrochen, wie eine Bahnsprecherin auf Anfrage bestätigt.
Fast gleichzeitig gibt es auch noch eine Sperrung auf der Seehäsle-Strecke zwischen Stockach und Stahringen, hier vom 14. bis zum 28. Oktober. In einem ungewöhnlichen Schritt wählt die SBB Deutschland jetzt öffentlich klare Worte: „Diese Situation ist für unsere Fahrgäste eine Zumutung. Wir kritisieren die Baustellenpolitik der DB InfraGo scharf und reichen gemeinsam mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen Beschwerde ein“, heißt es in einer Mitteilung.
Hier zeigt sich eine Wut, die sich im Hintergrund schon länger aufgebaut hat. „Seit ein bis zwei Jahren hat sich die Baustellenpolitik sehr geändert“, sagt SBB-Deutschland-Sprecherin Alexandra Bernauer mit Blick auf die Deutsche Bahn.
Die Ende 2023 gegründete DB InfraGo ist mittlerweile für den Streckenerhalt zuständig. „Seit sie existiert, ist das Baustellenmanagement unserer Erfahrung nach deutlich schlechter geworden“, sagt Bernauer. Die Kommunikation mit der InfraGo sei schwierig, die Oktober-Sperrung sei zu kurzfristig angesetzt worden.
Sperrungen, ohne dass etwas passiert
Bernauer nennt zudem ein regelrecht bizarres Beispiel: So kündige die DB InfraGo regelmäßig Nachtsperrungen (sogenannte Container) an, als Möglichkeit, dass zu dieser Zeit gebaut werde. Nur: „Das passiert dann teilweise aber nicht und dennoch bleibt die Sperrung erhalten“, so Bernauer.
Gleichzeitig entstünden der SBB Deutschland durch den Schienenersatzverkehr extrem hohe Kosten. „Dass wir den SEV organisieren müssen, obwohl der Zug eigentlich fahren könnte, sorgt bei Fahrgästen und uns intern für Unmut“, berichtet Bernauer.
Ärger auch bei der SWEG
Das Phänomen Phantombaustelle kennt auch Christoph Meichsner: „Auch wir haben Erfahrungen mit angesetzten Sperrungen gemacht, bei denen dann aber kein – zumindest für uns ersichtliches – Baugeschehen stattgefunden hat.“ Meichsner ist Sprecher der SWEG, die in der Region beispielsweise den Ringzug im Schwarzwald und Linien im Raum Sigmaringen-Zollernalb betreibt.
Schon im Frühjahr beklagte die SWEG die Zustände bei der DB InfraGo, seither habe sich die Situation sogar verschlimmert. Mehrere Kritikpunkte benennt das Unternehmen, unter anderem unzureichend besetzte Stellwerke, fehlerhafte Unterlagen für den Fahrplan und verlängerte oder verschobene Baustellen.
Bahn bedauert und verteidigt sich
Eine Bahnsprecherin sagt, die InfraGo bedauere sehr, dass sie Kunden und Reisenden derzeit nicht die Zuverlässigkeit biete, die diese erwarteten. „Das Schienennetz ist zu alt, zu voll und zu störanfällig. Deshalb müssen wir aktuell auch kurzfristig Baustellen einrichten – zusätzlich zum ohnehin anspruchsvollen Baupensum“, so die Sprecherin.
Den Vorwurf der Phantombaustellen weist die Sprecherin trotz der Erfahrung der Betroffenen aber zurück. Der Vorwurf sei „für die Fachkollegen in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar.“
Gute Idee dahinter?
Matthias Gastel, Bundestags-Abgeordneter und Bahnexperte der Grünen, verteidigt die seiner Ansicht nach gute Grundidee hinter der Container-Lösung: „Es ist genau die Reaktion darauf, dass es immer wieder zu kurzfristigen, unangekündigten Sperrungen kam.“ Das solle mit vorgeplanten Zeiträumen vermieden werden.
Jedoch sagt auch Gastel, der selbst im Aufsichtsrat der InfraGo sitzt: „Möglichst vermieden werden sollte allerdings, dass Sperrungen erfolgen, wenn gar nicht saniert wird.“ Er bringt eine Frist ins Gespräch, bis zu der die DB ankündigen müsse, ob sie wirklich baut – sodass bei Absage doch Züge fahren können. Für eine Prüfung dieser Idee werde er sich im Aufsichtsrat starkmachen.
Grundsätzlich sehe er bei der InfraGo durchaus positive Entwicklungen, mehr Motivation bei Mitarbeitenden etwa, da auch mehr Geld für überfällige Sanierungen zur Verfügung stünde. Gastel kritisiert jedoch die neuerliche Sperrung auf der Gäubahn. Hier gebe es viel zu viele Einzelsperrungen statt gebündelter Maßnahmen.
Baustellenplanung kostet Fahrgäste
Die Gereiztheit der Verkehrsunternehmen erklärt sich derweil auch dadurch, dass die ständigen, von ihnen unverschuldeten Ausfälle der Infrastruktur schlichtweg Nutzer verprellen. SBB-Sprecherin Bernauer erklärt: „Das alles gefährdet die Klimaschutzziele, wenn frustrierte Fahrgäste am Ende doch lieber das Auto benutzen – und wir stellen fest, dass so etwas bereits passiert.“