Das Landratsamt des Bodenseekreises muss seiner Auskunftspflicht gegenüber der Presse nachkommen und im konkret verhandelten Fall sämtliche Kosten für die mehrjährige Anmietung einer geplanten Flüchtlingsunterkunft offenlegen. Das Besondere daran: In der Immobilie wurde nie ein Geflüchteter untergebracht, dennoch zahlte der Landkreis Miete. Der SÜDKURIER hatte geklagt, weil sich die Kreisverwaltung mit dem damaligen Landrat Lothar Wölfle an der Spitze monatelang geweigert hatte, Fragen der Redaktion nach den Mietkosten zu beantworten.
Der Klage hat das Verwaltungsgericht nun vollumfänglich stattgegeben und ausdrücklich betont, dass ein hohes öffentliches Interesse daran besteht zu erfahren, in welchem Umfang öffentliche Gelder aufgewandt wurden, ohne dass diese letztlich zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe beigetragen haben. Eine entsprechende Auskunft darf nicht verweigert werden, weil ansonsten eine Bewertung des Vorgangs durch die Presse nicht möglich ist.
Immobilie wurde nie genutzt
Im Jahr 2015 hatte der Bodenseekreis das ehemalige Hotel Adler in Sipplingen angemietet, um darin Flüchtlinge unterzubringen. Dazu hatte der Landkreis einen Mietvertrag über zehn Jahre abgeschlossen, ohne jedoch vorher die Tauglichkeit der Immobilie zu prüfen. Dies erfolgte erst später und ergab, dass das Gebäude für mehr als eine halbe Million Euro hätte umgebaut werden müssen.
Weil ab 2016 der Bedarf an Plätzen für Geflüchtete stark zurück ging, entschied sich das Landratsamt gegen die Nutzung des ehemaligen Hotels. Im Mietvertrag wurde jedoch versäumt, eine entsprechende Ausstiegsklausel zu vereinbaren. So musste der Landkreis monatlich Miete und Nebenkosten zahlen, obwohl das Gebäude gar nicht genutzt wurde.
Erst 2021 gelang dem Landkreis eine Einigung mit dem Eigentümer über eine vorzeitige Beendigung des über zehn Jahre abgeschlossenen Vertrages. Da hatte der Landkreis aber schon mehr als fünf Jahre Miete bezahlt. Wie viel das war, das wollte die Verwaltung unter der Leitung von Landrat Lothar Wölfle, der inzwischen aus dem Amt geschieden ist, gegenüber dem SÜDKURIER nicht herausrücken.
Diese Weigerung war durch das Landespressegesetz nicht gedeckt, wie das Verwaltungsgericht Sigmaringen in dem jetzt zugestellten Urteil entschied (Az 2K410/22). Verhandelt wurde der Fall bereits am 9. Februar, bis zum Ablauf einer Frist auf Zulassung der Berufung ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die vom Landratsamt des Bodenseekreises vorgebrachten Gründe, warum die Mietkosten nicht genannt wurden, akzeptierte das Gericht ebenso wenig wie die Behauptung, die Redaktion sei ausreichend informiert worden.
Dazu stellte das Gericht unmissverständlich fest, dass es dem Landkreis nicht zustehe darüber zu entscheiden, ob sich die Presse genügend mit dem Thema habe auseinandersetzen können. Das dürfe nicht von der staatlichen Bewertung abhängen, vielmehr darf die Presse selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden, worüber sie für die Öffentlichkeit berichtet.
Presse muss Auskunft bekommen
Im Ergebnis stärkt das Urteil eindeutig die freie Presse, weil das Gericht der Auskunftspflicht von Behörden den Vorrang einräumt. Insbesondere wenn es um die Verwendung von Steuergeld geht, muss die staatliche Verwaltung der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft ablegen. Diese einzufordern ist originäre Aufgabe der Presse und im Landespressegesetz unmissverständlich festgeschrieben. Dem können sich Behörden nicht ohne Weiteres entziehen.
Insbesondere dürfen sie nicht die Position von Privatpersonen oder von Unternehmen in der freien Wirtschaft einnehmen, wie das Verwaltungsgericht ausführt. Im Umgang mit Steuermitteln gelten andere Maßstäbe.
Dem zunehmenden Versuch beispielsweise von Landräten und Bürgermeistern, der Presse Informationen vorzuhalten, wird mit dem Urteil klar ein Riegel vorgeschoben. Denn es ist gerade Aufgabe der Presse, eine Kontrollfunktion auszuüben, wie das Gericht in seinem Urteil betont. Dieser Aufgabe können Journalistinnen und Journalisten nur nachkommen, wenn staatliche Stellen Auskunft erteilen. Andernfalls besteht die Gefahr des Verdachts von Vertuschung, Verschwendung oder gar Korruption. Dagegen hilft nur umfassende Transparenz.
Vorgebrachte Sorge ist unbegründet
Wie das Gericht im schriftlichen Urteil weiter ausführt, kann sich das Landratsamt auch nicht auf ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Auskunftsverweigerung berufen. Die vorgebrachte Sorge, der Kreis müsse dann auch in anderen Fällen stets seine Vertragsgestaltung offenlegen, ist nach Ansicht des Gerichts unbegründet.
Dass beispielsweise die Verhandlungsposition von Kommunen gegenüber Privatpersonen geschwächt sein könnte, wenn Geldsummen genannt würden, genüge laut Verwaltungsgericht nicht, um das Informationsinteresse der Öffentlichkeit dahinter zurücktreten zu lassen. Das Gericht betont, dass das Führen von – auch unangenehmen – Vertragsverhandlungen zum Aufgabenkreis des Landkreises im Rahmen der ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe gehöre.
Zur Vermietung privater Objekte an die öffentliche Hand stellt das Gericht fest, dass dies für den Vermieter auch nicht zu vernachlässigende Vorteile ohne Kostenrisiko bietet im Hinblick auf die Verwertung seiner meist zu anderen Zwecken schwer vermittelbaren Objekte auf dem freien Markt. Selbst wenn die öffentliche Verwaltung die Kosten offenlegt, würde sie dadurch nicht in eine unterlegene Verhandlungsposition gedrängt. Das Landratsamt könne daher nicht die Presseauskunft verweigern mit der Behauptung, der Landkreis wäre dadurch gezwungen, nur noch unwirtschaftliche Verträge abzuschließen.