Als die Kripo bei ihm anruft, ihn mit verdächtigen Geldflüssen in Höhe von mehr als 50.000 Euro konfrontiert, fällt er aus allen Wolken: Viviane Udo, seine Internet-Freundin, soll ihn zur Geldwäsche angeleitet haben?
Das Konto bei einer Internetbank, das auf seinen Namen läuft, ist gesperrt. Der Mann aus dem Klettgau bricht den Kontakt ab. Aber jetzt geht diese Geschichte erst los.
Angeklagter eröffnet zweites Konto für die Frau
Viviane lässt ihn nicht in Ruhe. Sie hatte einen schrecklichen Unfall, sie ruft an, sie weint, sie schickt Bilder und Röntgenaufnahmen aus dem Krankenhaus, sogar einen Live-Standort. Sie braucht wieder Hilfe. Und er hilft.
Der Mann, ein heute 59 Jahre alter Servicetechniker, wird tatsächlich ein weiteres Konto bei einer anderen Bank für sie eröffnen. Da hatte er schon einen Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft erhalten. Ein zweiter wird Monate später folgen.

Jetzt, am Dienstag, steht er dann vor dem Amtsgericht Waldshut-Tiengen und wird wegen Geldwäsche angeklagt. Noch immer kann er sich und dem Richter nicht erklären, wie er sich so „einlullen“ ließ – mit Worten, mit Bildern, mit Anrufen.
Er habe aus Gutmütigkeit gehandelt. Er glaubte ihr – und sei so in jeder Hinsicht reingelegt worden. Als er das im kleinen Sitzungssaal 26 erzählt, spricht er schnell, fast überschlagen sich seine Worte beim Sprechen. Seine Ehefrau sitzt nur wenige Schritte hinter ihm auf den Zuhörerplätzen. Das Paar ist seit mehr als dreißig Jahren verheiratet, sie haben zwei erwachsene Kinder, eines lebt noch daheim.
Es fing mit einer Testwoche an
Der Angeklagte hatte sich Mitte 2020, als der erste Corona-Lockdown gerade vorbei war, die Menschen Abstand hielten und Masken beim Einkaufen trugen, auf einer Dating-Plattform mit einer vermeintlich italienischen Frau angefreundet.
Er hatte über einen Onlineshop einen siebentägigen Gratis-Zugang für eine Datingseite erhalten. Welche das war, weiß er heute nicht mehr. Sie wollte ihn besuchen in Deutschland, aber Corona habe das verhindert. Er sagt, er habe sich mit ihr so gut unterhalten können, sie habe zugehört und ihn verstanden. Ihren echten Namen kennt er bis heute nicht.
Auf ihre Bitte hin eröffnete er ein Konto. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, jenes Konto für kriminelle Geschäfte zur Verfügung gestellt zu haben. Dabei hätte ihm die kriminelle Herkunft der Gelder auffallen müssen.
Insgesamt landeten 52.206,00 EUR von Privatpersonen aus dem In- und Ausland auf dem Konto. Mehrere Minuten trägt der Vertreter der Anklage die Zahlungseingänge vor, und wer diese angewiesen hat. Die meisten Namen sind männlich. Danach kommen 17.150 Euro aus dem zweiten Strafbefehl hinzu, neun weitere Fälle, mindestens vier weitere Opfer.
Geschäft mit der Liebe: Die Masche ist bekannt
Das Geschäft mit der Liebe haben Kriminelle schon lange für sich entdeckt: Im Zeitraum von 2022 bis 2018 meldet das Polizeipräsidium Freiburg, das für Waldshut-Tiengen zuständig ist, 30 Fälle in seinem Zuständigkeitsbereich.
Meist versuchen Heiratsschwindler, die Konten ihres Opfers zu plündern. Fälle, in denen eine Internetbekanntschaft tatsächlich Geld überweist, sind seltener.
Nur zwei Fälle, die eine Verbindung des sogenannten Romance Scamming – also modernen Heiratsschwindels – mit Geldwäsche aufweisen, seien dem Präsidium in den vergangenen fünf Jahren bekannt geworden, berichtet Sprecher Mathias Albicker. Er betont, dass für diese Zahlen der Tatort auch im Zuständigkeitsbereich der Polizei liegen muss.
Liebe ist laut Experte ein Ausnahmezustand
Mit langem Chatten erschleichen sie sich das Vertrauen. Aus Flirt-Nachrichten werden Liebesbekundungen – bis sie später um Geld und andere Dinge bitten. Warum fallen immer mehr Menschen auf diese Love-Scammer herein?
Der Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger sagte dazu der dpa einmal: „Wir alle sehnen uns im Leben nach Liebe, weil wir zwei Schwachpunkte haben: Zum einen ist es die Anerkennung, und zum anderen gucken wir, dass wir unsere Einsamkeit überwinden. Verliebte gerieten „in einen emotionalen Ausnahmezustand, wo wir tatsächlich die gesamte Kontrolle über das Geschehen verlieren“.
So erkennen Sie Betrüger: Tipps der Polizei
Am Ende des Betrugs bleibt immer eine Frage zurück: Warum? Auch Richter Raphael Kania frag den Angeklagten in Saal 26, warum er beim zweiten Mal nicht gleich zur Kripo gegangen ist.
Die Antwort: „Ich hatte nicht daran gedacht. Sie hatte mich berührt. Ich weiß nicht, warum ich so gehandelt habe.“
Verteidigerin Christine Küpfer spricht in ihrem Plädoyer auch von einem Betrug auf mehreren Ebenen, einer finanziellen und einer emotionalen. Ihr Mandant sei Täter und Opfer zugleich. Er habe Tausende Euro verloren, als er nichts mehr geben konnte, sei er anders für kriminelle Zwecke benutzt worden.
Dass er verurteilt werden wird, bezweifelt keiner. Auch nicht, dass er den Schaden zurückzahlt. Das beteuert auch der 59-Jährige zum Schluss: „Die Strafe muss ich annehmen. Das wird nicht mehr vorkommen.“
Angeklagter wird wegen Geldwäsche verurteilt
Richter Kania verurteilt den Mann wegen vorsätzlicher und leichter Geldwäsche zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 40 Euro. Außerdem ordnet Kania an, knapp 40.000 Euro bei dem 59-Jährigen aus den illegalen Geschäften einzuziehen. Der Angeklagte trägt zudem die Kosten des Verfahrens.
Wie er das bezahlen wird, weiß der Familienvater noch nicht. Er habe keine finanziellen Vorteile davon gehabt, sagt er. Das Geld habe er nie angerührt. Er überlegt jetzt, auf seine Altersvorsorge aufzulösen.