Seit Tagen herrscht vielerorts Stillstand auf den Schienen der Region. So stellten Schwarzwaldbahn, Bodenseegürtelbahn als auch der Seehas ihren Betrieb am Samstag, 2. Dezember, streckenweise ein. Der Grund: Wegen des Schnees waren Bäume auf die Gleise gestürzt, welche wiederum Oberleitungen beschädigten.
Der Seehas ist zwischen Singen und Konstanz seit Samstag lahmgelegt. Wann der Zug wieder verkehren wird, das kann Daniel König, Leiter Markt bei SBB Deutschland, nicht genau beantworten. „Es wird sich aber sicherlich noch bis in den Dienstag hineinziehen“, sagte er am Montag.
Update am 05. Dezember, 10.20 Uhr: Die SBB meldet auf ihrer Internetseite, dass der Seehas weiter nur zwischen Engen und Singen pendelt. Der Abschnitt zwischen Singen und Konstanz sei noch mindestens bis inklusive Mittwoch gesperrt. Frühestens am Donnerstag, 7. Dezember, fahren wieder Bahnen auf diesem Abschnitt. Ein Ersatzverkehr mit Bussen bestehe fort. Weiter heißt es allerdings: „Aufgrund der Witterungsverhältnisse können die Fahrzeiten voraussichtlich nicht eingehalten werden.“
Die Strecke zwischen Singen und Stuttgart ist laut DB wieder frei. Auf der Bodenseegürtelbahn hapert es noch. Die Deutsche Bahn teilt zwar am Dienstagmorgen mit: „Die Streckensperrung zwischen Friedrichshafen und Radolfzell besteht nicht mehr. Die Strecke ist ohne Einschränkungen befahrbar.“ Im nächsten Satz heißt es jedoch: „Bis sich die Betriebslage wieder normalisiert hat, kommt es noch zu Verspätungen und Zugausfällen.“
Update, 05. Dezember, 11 Uhr: Die Bodenseegürtelbahn ist doch wieder lahmgelegt, räumt die DB ein: „Ein umgestürzter Baum auf der Strecke beeinträchtigt den Zugverkehr zwischen Stahringen und Radolfzell. Die Strecke ist gesperrt.“ Genauere Informationen zur Dauer der Störung lägen der Deutschen Bahn noch nicht vor.
Schweiz sichert ihre Strecken besser ab
Der Seehas wird von den Schweizer Bundesbahnen (SBB) betrieben – das Schienennetz wird jedoch von der Deutschen Bahn gestellt. Sind solche wetterbedingten Ausfälle auf deutscher Seite häufiger als im Nachbarland?
Konkrete Zahlen gebe es dazu nicht, sagt König. „Aber nach subjektivem Empfinden sind wir dahingehend auf deutscher Seite stärker belastet. Eigentlich zu jeder Jahreszeit.“ Das erklärt sich König vor allem mit dem Freischnitt – also der Pflege von Bäumen und Sträuchern am Streckenrand – und der Organisation des Notfallmanagements.
In der Schweiz gebe es andere Maßnahmen und Vorgaben als in Deutschland. Das bestätigt auch Matthias Gastel, Bahnexperte der Grünen-Bundestagsfraktion: „Die Schweizer sichern ihre Bahnstrecken auf jeden Fall besser ab.“
Deutsche Bahn bezieht spärlich Stellung
Und was sagt die Deutsche Bahn dazu? Laut einer Sprecherin der Deutschen Bahn dauerten die Arbeiten an den Strecken so lang, weil jeder betroffene Abschnitt inspiziert werden müsse. Wenn etwa die Oberleitung vereist sei, gehe sie kaputt, wenn der nächste Zug durchfahre. Wie die Oberleitungen generell für den Winter gerüstet sind, darauf hat die Sprecherin keine Antwort.
Zudem bekräftigt sie, dass momentan „alle verfügbaren Fachkräfte im Einsatz sind“ – jedoch dort, wo sie am meisten gebraucht werden. Wie die Prioritäten hier gesetzt werden, kann die Sprecherin auf Nachfrage nicht erklären.
Kritik an der Bahn gibt es auch aus dem Verkehrsministerium in Stuttgart. Zwar seien die Probleme durch den Wintereinbruch grundsätzlich nachvollziehbar. „Ich erwarte allerdings schon, dass die Bahn genug Räumeinheiten zur Verfügung hat, um schnell den Betrieb wieder aufnehmen zu können“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann auf SÜDKURIER-Anfrage. Weiter betont er: „Hier sehen wir ebenso wie beim Thema Kommunikation Nachbesserungsbedarf. Das muss besser werden. Das werden wir in unserer nächsten Besprechung mit der Bahn deutlich ansprechen.“
Bahn nicht auf den Winter vorbereitet?
Dass der Winter früher oder später kommen wird, war zu erwarten. Darauf vorbereitet ist die Deutsche Bahn trotzdem nicht, sagt Matthias Gastel. Bei solchen Wetterereignissen stünden „Maschinen und Menschen nicht ausreichend zur Verfügung“, so der Abgeordnete.
Gleiches gelte für den Schienenersatzverkehr. Dass zwischen Friedrichshafen und Radolfzell aktuell lediglich zwei Busse fahren, wundert Gastel kaum: „Die Busunternehmen sind knapp bestückt, sowohl mit Personal als auch mit Bussen.“
Worüber sich Gastel besonders ärgert: Die Strecke zwischen Radolfzell und Konstanz war im Juli dieses Jahres wegen umgestürzter Bäume schon einmal tagelang gesperrt. „Da stelle ich mir schon die Frage, wie da wieder Bäume ins Gleis fallen können“, so der Bahnexperte. „Im Sommer war man erst mit schweren Maschinen vor Ort.“ Da hätte an die Strecke absichern sollen, findet Gastel.
An vielen Stellen wird gespart
Dabei zeige sich auch ein generelles Problem: Die an den Schienen wachsende Vegetation sei in den vergangenen zehn Jahren völlig unzureichend zurückgeschnitten worden. Der Grund: Im Jahr 2013 hatte die Netzsparte der Deutschen Bahn die Investitionen zurückgefahren, um eine höhere Dividende an den Bund abzuführen. „Man hat damals auf Gewinnmaximierung gesetzt“, erinnert sich Matthias Gastel. Die Konsequenz war, dass an vielen Stellen gespart wurde – vom Personal bis zur Streckenpflege.
„Das geht einfach nicht. Die Bahn hat zu funktionieren“, sagt Gastel. Daher soll sich jetzt etwas grundlegend ändern. Zum 1. Januar 2024 soll die sogenannte gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft innerhalb der Deutsche Bahn AG geschaffen werden.
Matthias Gastel erklärt: „Die Infrastruktur der Deutschen Bahn wird dadurch neu strukturiert und auf das Gemeinwohl statt auf Gewinnmaximierung ausgerichtet.“ Eine Veränderung trete allerdings nicht von heute auf morgen ein. Bis es soweit ist, müssen Fahrgäste also weiterhin starke Nerven haben.