Welche Partei wird bei der Bundestagswahl die meisten jungen Erwachsenen überzeugen? Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg hat dazu erste Prognosen: „Erfahrungsgemäß profitieren von den Stimmen der Jugend meist die linken Parteien.“ Allerdings hätte 2017 in Baden-Württemberg auch die FDP bei Jungwählern gepunktet. „Grüne, FDP und Linke erzielten ihr bestes Ergebnis in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen. FDP (14,9 Prozent) und Linke (8,5 Prozent) lagen hier jeweils gut zwei Prozentpunkte über ihrem Landesergebnis“, sagt Wehner.

Für welche Partei sich junge Menschen dieses Jahr bei der Bundestagswahl entscheiden, bleibe spannend und vieles sei noch offen, da der Wahlkampf erst nach den Sommerferien so richtig beginnt, schätzt Wehr. „Vielleicht können Ereignisse wie die Aufnahme der Flüchtlinge aus Afghanistan oder die Fluten und Unwetter in Deutschland einen ähnlichen Effekt haben wie bei der Fukushima-Katastrophe, dass Dinge verändert werden müssen und junge Menschen zum Wählen bewegen.“

Denn laut Wehner ist die Wahlbeteiligung der 18- bis 24-jährigen Wähler im Vergleich zu anderen Altersgruppen seit Jahrzehnten die niedrigste. Bei allen Bundestagswahlen von 1953 bis 2017 seien die jungen Altersgruppen immer die, die sich am wenigsten beteiligt hätten.

Jedoch liegen jungen Menschen viele Themen in unserer Region am Herzen, sind politisch interessiert und wollen zur Wahl gehen – das ergab eine nicht repräsentative Umfrage des SÜDKURIER. Was sie gerne ändern würden, welche Wünsche sie an die Politik haben und wo es ihrer Meinung nach Handlungsbedarf gibt. Ein Stimmungsbild:

Sarah Tholl (24), Studentin in Konstanz

Sarah Tholl.
Sarah Tholl. | Bild: Julia Leiber

„Mir wäre wichtig, dass der Klimawandel mehr thematisiert und im Wahlprogramm das wichtigstes Thema wird. Auch soziale Gerechtigkeit sollte mehr im Vordergrund stehen. Ich tendiere, die Grünen zu wählen. Sie sind am ehesten an meinen Vorstellungen dran.“

Justin Seese (20), Auszubildender zum Automobilkaufmann in Singen

Bild 2: Was erwarten junge Menschen in der Region von der Politik vor der Bundestagswahl? Und wen wollen sie wählen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen
Bild: Justin Seese

„Ich erwarte mir von der Politik, Ehrlichkeit und aktuelle Probleme richtig anzugehen. Mir sind folgende Themen wichtig: Demokratie und eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, Klimawandel und Nachhaltigkeit (Ausbau Nahverkehrs, Digitalisierung), ein starkes und soziales Europa und dass Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen werden. Ich werde nicht wählen, weil selbst nach genaueren Anblicks der einzelnen Ziele der jeweiligen Parteien ich nicht vollends überzeugt bin.“

Manuel Fleig (26), selbständiger Nachhilfelehrer aus Villingen

Manuel Fleig.
Manuel Fleig. | Bild: Manuel Fleig

„Ich erwarte von der Politik, dass sie das Land weniger spaltet, sondern zusammenbringt und alle Menschen durch die schwere Corona-Krise bringt. Corona hat noch mehr gezeigt, dass eine Spaltung besteht. Klimapolitik, Rente und Migration sind wichtige Themen. Für mich ist die CDU die Partei, die es am ehesten schafft, diese miteinander zu verknüpfen und das große Ganze sieht, indem sie versuchen, Klima und Wirtschaft zu vereinbaren. Sie bringt das Land in diesen Bereichen am ehesten zusammen.“

Franziska Zeller (25), Studentin aus Schramberg

Franziska Zeller.
Franziska Zeller. | Bild: Franziska Zeller

„Ich erwarte von der Politik, dass mehr Wert auf Tierschutz gelegt. Qualzuchten, damit verbundenes Billigfleisch und Tierversuche müssen unbedingt verboten werden. Außerdem sollten sowohl effektivere als auch schnellere Klimaschutzstrategien wirksam werden. Vor allem der Kunststoffverbrauch muss unbedingt eingedämmt werden, in Deutschland wird noch immer mehr Plastikmüll verbrannt als recycelt. Verpackungen müssten so konzipiert werden, dass eine Wiederverwendung möglich ist. Außerdem sollte es für die Verpackungsfirmen zur Pflicht werden, auf recycelte Verpackungen statt neue zurückzugreifen. Ich werde die Grünen wählen.“

Maximilian Kuppler (21), Student in Konstanz

Maximilian Kuppler.
Maximilian Kuppler. | Bild: Julia Leiber

„Öffentliche Verkehrsmittel sollten billiger oder kostenlos werden. Als Student hat man nicht so viel Geld. Und beim Klima wird zu wenig getan. Die Älteren müssen nämlich nicht mit den Konsequenzen leben. Ich würde die FDP wählen. Die CDU ist mir zu mittelalterlich und zu alt, die Grünen zu kindlich und die AfD wähle ich sowieso nicht.“

Conny Weissmann (29), angehende Wirtschaftsfachwirtin aus Salem

Conny Weissmann.
Conny Weissmann. | Bild: Conny Weissmann

„Ich als junger Mensch erwarte von der Politik, dass die Wege offen bleiben, die man einschlagen will. Dazu zählt, dass bürokratische Hürden für Neuunternehmer nicht zu hoch gesetzt werden. Dass Leute, die versuchen, sich etwas aufzubauen, nicht abgeschreckt werden, weil so viel Bürokratie auf sie zukommt. Ich bekomme in meinem Freundeskreis mit, dass viele hoch motiviert sind, aber dann ausgebremst werden. Mir ist grundsätzlich wichtig, dass die Politik junge Leute abholt, welche Pläne es gibt und das offen kommuniziert. Ich werde natürlich wählen gehen, mir die Wahlprogramme sorgfältig anschauen und mich damit auseinandersetzen.“

Alexander Plock (28), angehender Sozialpädagoge aus Waldshut

Alexander Plock.
Alexander Plock. | Bild: Alexander Plock

„Ich bin jemand, der vor allem Gleichberechtigung von der Politik erwartet. Ich finde es unfair, dass Frauen viel weniger verdienen als Männer, obwohl sie exakt die gleiche Arbeit machen. Wieso macht man da so große Unterschiede? Auch Homosexuelle sollte man so akzeptieren, wie sie sein wollen und keine Nachteile haben. Es sollte bei den ganzen Lockdowns und Corona-Regeln nicht vergessen werden, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Ich habe extrem Angst, meine Familie nicht mehr sehen zu können. Momentan kann ich es noch nicht sagen, was ich wähle. Ich tendiere zur CDU oder SPD. Ganz klar wähle ich aber keine AfD. Ich finde es traurig und extrem, dass es diese Partei überhaupt gibt. Das sind moderne Nazis. Wir sollten aus der Geschichte lernen.“

Larissa Schäuble (22), Raumausstatterin aus Radolfzell

Bild 8: Was erwarten junge Menschen in der Region von der Politik vor der Bundestagswahl? Und wen wollen sie wählen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen
Bild: Larissa Schäuble

„Gerade junge Menschen erwarten, dass auf lange Sicht geplant wird und man vorausschauend Politik betreibt. Mir persönlich ist der Gedanke an die Umwelt und das Klima sehr wichtig, dass nachhaltiges Denken und Leben gefordert und vereinfacht wird. Denn Menschen in meinem Alter und die Genrationen nach uns sind noch lange auf diesen Planeten angewiesen und möchten ohne Klimakatastrophen leben. Außerdem würde ich mir wünschen, dass jetzt schon für unser Alter vorgesorgt wird. Für welche Partei ich mich entscheide, weiß ich noch nicht, aber ich hoffe dass jeder, der darf, wählen geht.“

 

Sven Erik Feger (18), Schüler aus Überlingen

Sven Erik Feger.
Sven Erik Feger. | Bild: Sven Feger

„Ich erwarte eine inhaltliche Streitkultur, klare Positionen, Transparenz für den Bürger und eine zuverlässig authentische Politik. Ich nehme wahr, dass sich die Profile der Parteien kaum noch unterscheiden und man sich in Konfliktfragen meist auf den kleinsten gemeinsamen Konsens einigt in dem Bemühen möglichst Niemandem auf die Füße zu treten.
Als Schüler ist mir Bildungspolitik sehr wichtig: Wie werden junge Leute auf die Zukunft vorbereitet? Und mein Anliegen an die Bundespolitik wäre, dass ein qualitativ gleich hoher Bildungsstandard in den Bundesländern geschaffen wird. Bei der Flüchtlingspolitik fehlen in meinen Augen der Plan und die Struktur für eine funktionale Integration der zu uns geflüchteten Mitmenschen und zur Bewältigung der Ursachen in den Krisenländern. Des Weiteren ist die Klimapolitik der Bundesregierung für mich nicht nachvollziehbar. Die Beschlüsse und Maßnahmen sind an vielen Stellen ohne handfesten Bezug zur Realität.

Insgesamt wünsche ich mir daher eine durchdachte und ehrliche Politik mit dem Bestreben für uns Bürgerinnen und Bürger, einen nachhaltigen Plan für die Zukunft zu entwickeln und umzusetzen.“

Leander Fiedel (27), Student in Konstanz

Leander Fiedel.
Leander Fiedel. | Bild: Julia Leiber

„Soziale Gerechtigkeit ist ein großes Thema. Alleinerziehende haben während Corona keine Unterstützung bekommen. Das würde ich mir wünschen, dass sie von der Politik mehr unterstützt werden. In Afghanistan hat die Regierung komplett versagt. Die Politiker sollten unbürokratischer damit umgehen und helfen. Bei dieser Wahl steht viel auf dem Spiel, allein schon wegen dem Klimawandel. Das wurde viel zu spät angegangen. Ich werde die SPD wählen. Scholz ist der erfolgsversprechendste Politiker und seine Partei liegt aufgrund der schwindenden Sympathie der anderen vorne. Annalena Baerbock redet viel, aber bringt nichts auf den Punkt. Und die Grünen sind für mich eine Verbotspartei geworden.“