Diese Nachricht hat Nicole Hoffmeister-Kraut, der Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg, gerade noch gefehlt. Der Präsident des baden-württembergischen Handelsverbands spricht am Mittwoch von einer „äußerst dramatischen Lage“ der Branche aufgrund des Corona-Lockdowns, mehr als die Hälfte der Betriebe fürchte im zweiten Halbjahr um ihre Existenz.
Hoffmeister-Kraut weiß, dass mit dem Ruf nach Hilfe vom Land auch ins Brennglas rückt, was ihr Ministerium eigentlich für die Wirtschaft leistet. Und dann fordert auch noch die Landtags-SPD ihren Rücktritt und weidet zwei Monate vor der Landtagswahl genüsslich aus, dass die CDU-Wirtschaftsministerin die politische Verantwortung für das Millionen-Debakel um den Expo-Pavillon in Dubai trägt, das derzeit einen Untersuchungsausschuss des Landtags beschäftigt. „Wie soll eine Wirtschaftsministerin, die keinerlei Kontrolle über das eigene Haus hat, angeschlagene Unternehmen aus der Krise führen? Baden-Württemberg kann sich in der aktuellen Situation keine hilflose Wirtschaftsministerin leisten“, äzt Stoch.
Bürger sind besorgt
Und auch die Bürger in Baden-Württemberg blicken besorgt auf die wirtschaftliche Entwicklung im Land. Denn zu den unwägbaren allgemeinen Folgen des Corona-Lockdowns plus des Strukturwandels in der Automobilindustrie, jahrzehntelang sichere Bank des baden-württembergische Wohlstands, kommen allmählich auch Bedenken der Menschen über ihre persönliche Lebenssituation.

Wie sicher sind die Arbeitsplätze? Sind die Lebensqualität im Südwesten und die gefühlt gute wirtschaftliche Lage generell in Gefahr? Die Menschen sind skeptisch und rechnen mit vielen Pleiten – und zeigen dennoch verhaltenen Optimismus. Das Vertrauen in die Wirtschaftskraft des Landes ist nach wie vor groß. Dies geht aus dem aktuellen BaWü-Check der baden-württembergischen Tageszeitungen, ausgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, hervor, der sich in seinem dritten Teil – nach der Bewertung der Bildungs- und Verkehrspolitik in Baden-Württemberg – nun mit der Sicht der Bürger auf die Wirtschaftslage und -politik befasst hat.

„Die Sorge der Menschen ist berechtigt“, sagt die Wirtschaftsministerin tags zuvor im Gespräch mit dem SÜDKURIER nüchtern über die Situation im Land. „Wir stecken mitten in großen wirtschaftlichen Umbrüchen. Nicht nur bei der Autoindustrie hin zur Elektromobilität, sondern auch bei der Digitalisierung, dem eigentlichen Thema.“ Dennoch sieht die Ministerin nicht schwarz.
Stabile Lage in der Autoindustrie?
Im verarbeitenden Gewerbe und im Automobil- und Zulieferersektor sei die Auftragslage derzeit stabil, im Maschinen- und Anlagebau, so die Ministerin, gebe es sogar eine Aufbruchsstimmung. „Insgesamt sollten wir keine Angst vor dem Strukturwandel machen. Er eröffnet auch viele Chancen. Baden-Württemberg hat schon vieles durchgestanden und es immer wieder geschafft, sich neu aufzustellen. Darauf setze ich“, sagt Hoffmeister-Kraut.

Gewinner und Verlierer der Coronakrise werde es aber geben. „Um den stationären Einzelhandel, um die Schausteller, die Messe-, Veranstaltungs- und Reisebranche mache ich mir derzeit die größten Sorgen. Mit jeder weiteren Woche des Lockdowns verlieren wir im schlimmsten Fall weitere Betriebe, auch wenn wir, so gut es geht, finanziell helfen“, sagt Hoffmeister-Kraut.

Für viele Unternehmen biete sich dennoch die Chance, sich neu aufzustellen. Beispiel Homeoffice. „Das ist das einzige Positive an der Corona-Krise: Die Menschen werden offener für die Digitalisierung. Das müssen wir als Gesellschaft unbedingt nutzen. Sonst holt uns das ein“, sagt Hoffmeister-Kraut.
Das Wirtschaftsministerium will jedenfalls seinen Teil dazu beitragen haben – auch, wenn die Arbeit dort oft unter dem öffentlichen Radar läuft. „Wirtschaftspolitik gilt als Chefsache, in jedem Bundesland. Die Arbeit wird in Baden-Württemberg trotzdem vom Wirtschaftsministerium gemacht. Und von dort kommen auch die meisten Ideen. Als Wirtschaftsministerin bin ich stolz, dass ich in dieser Legislaturperiode so viel auf den Weg bringen konnte. Das Ministerium hat eindeutig an Profil und an Einfluss gewonnen“, sagt selbstbewusst die 48-Jährige Ressortchefin, die aus einer Unternehmerfamilie stammt und über mittelständische Unternehmen promoviert hat.

Digitalisierungsprämie, Digital Hubs, KI-Labs, KI-Innovationspark, Entwicklungsstrategien für Mittelstand und KmU, die kleinen und mittleren Unternehmen – die Projekte sprudeln nur so aus ihr heraus.
Expo-Debakel und Rücktrittsforderung kratzen dennoch an ihrem Ansehen. Vorzuwerfen habe sie sich allerdings nichts, sagt Hoffmeister-Kraut. „Es ist sehr bedauerlich, dass durch die Vorwürfe und den Untersuchungsausschuss jetzt vieles überlagert wird, was wir für die Wirtschaft im Land erreicht haben. Denn wir haben in den vergangenen Jahren so viel auf den Weg gebracht“, sagt Hoffmeister-Kraut.

Im Zweifelsfall geht der Erfolg aber mit dem Regierungschef heim. Und vorerst wird nach dem Lockdown sichtbar, wofür es nicht gereicht hat und wer nicht profitieren konnte. Die ersten leeren Ladengeschäfte in den Innenstädten lassen bereits grüßen.