Kein Lehrer und schon gar nicht die Bildungsverbände können sich dieses Mal missverstanden oder gar beleidigt fühlen. Denn bei der neuen Werbekampagne des baden-württembergischen Kultusministeriums, um Quereinsteiger für den Lehrerberuf zu gewinnen, heißt es auf einem Plakat: „Wegen Dir ist die letzte Reihe ganz vorne mit dabei. Entdecke die Lehrkraft in Dir.“

Diese und andere Werbetexte hängen seit vergangener Woche an Bahnhöfen im Land oder sind in den sozialen Medien zu finden. Lehrer sind noch immer Mangelware – nicht nur in Baden-Württemberg. Um die Unterrichtsversorgung zu sichern, wirbt das Kultusministerium weiter um alle, die Lust auf was Neues haben. Lehramt müssen sie nicht unbedingt studiert haben. Am liebsten Mathe oder Physik, denn dann könnten Interessenten entweder direkt an Berufsschulen unterrichten oder zumindest ihr Referendariat beginnen.

Es gibt allerdings auch Lehrer, die im Südwesten nicht zugelassen sind, obwohl sie es sich so wünschen und ein Lehramtsstudium vorweisen können: Lehrer mit nur einem Fach. Es gibt immer wieder Beispiele mit Bewerbern auch aus anderen Bundesländern, die am Veto des zuständigen Regierungspräsidiums scheitern. Dann nämlich, wenn sie etwa Kunst auf Lehramt studiert haben und als Zusatzqualifikation Deutsch als Fremdsprache. Denn diese sind in Baden-Württemberg nicht als Unterrichtsfächer zugelassen.

Ein-Fach-Lehrer sind im Land allenfalls zweitklassige Lehrer, auch wenn es Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) so nie formulieren würde. In einem Antwortschreiben an die schulpolitische Sprecherin der SPD, Katrin Steinhülb-Joos, antwortete sie, dass Lehrkräfte mit einem Unterrichtsfach „nur nachrangig im Lehrereinstellungsverfahren behandelt“ werden. „Zudem ist die Nachfrage nach Ein-Fach-Lehrkräften an den Schulen aktuell eher gering.“

Ein-Fach-Lehrer gegen den Mangel

Steinhülb-Joos, vormals Leiterin einer Stuttgarter Gesamtschule, empört sich über solche Aussagen. „Wir dürfen die motivierten Lehrkräfte, die über mehr als ausreichende Qualifikationen verfügen, nicht derart vergraulen“, sagt sie. „Mir scheint, dass es nicht nur an Kreativität, sondern auch schlichtweg am Willen fehlt, die Situation an den Schulen zu verbessern.“

Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) hat in einem Interview deutlich gemacht, dass sie es gut findet, wenn Ein-Fach-Lehrer leichter unterrichten könnten. Vor allem in Mangelfächern wie Mathe und Kunst. Olschowski nahm eine Empfehlung der unabhängigen Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz auf, die das gegen den Lehrermangel empfiehlt.

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Hinterher betonte das Kultusministerium, dass man das auch rasch in Baden-Württemberg umsetzen könne. „Diese Aussage hat mich schon überrascht“, sagt Steinhülb-Joos gegenüber dem SÜDKURIER: Sie sieht darin einen Widerspruch zu dem, was die Kultusministerin ihr geschrieben hat.

Ein Sprecher der Ministerin beschwichtigt und sagt, dass noch keine Entscheidung gefallen sei. Es habe bisher erst auf Arbeitsebene Beratungen gegeben. Die Minister werden spätestens im Frühjahr beschließen, ob sie der Empfehlung folgen werden.

Die Nachfrage nach Ein-Fach-Lehrkräften an den Schulen sei aktuell eher gering, sagt Theresa Schopper (Grüne), Kultusministerin von ...
Die Nachfrage nach Ein-Fach-Lehrkräften an den Schulen sei aktuell eher gering, sagt Theresa Schopper (Grüne), Kultusministerin von Baden-Württemberg. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Ein-Fach-Lehrer bundesweit flächendeckend zuzulassen wird kontrovers diskutiert. Nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern sogar innerhalb des Kultusministeriums in Stuttgart. Es gibt nicht wenige in der Behörde, die nach SÜDKURIER-Informationen der Ministerin davon abraten.

Folgen die Minister allerdings dem Vorschlag der Kommission, muss damit zwingend einhergehen, so Steinhülb-Joos, dass die Lehrkräfte die Möglichkeit erhalten, ein weiteres Fach dazunehmen zu können. „Berufsbegleitend und während der Arbeitszeit“, fordert die SPD-Abgeordnete. Diese Weiterbildungsmaßnahme hat ihr Theresa Schopper bereits in ihrem Schreiben in Aussicht gestellt.