Nie kamen mehr Menschen aus dem Ausland zu uns als im vergangenen Jahr. Über 360.000 Menschen wanderten nach Baden-Württemberg ein. Die Neuankömmlinge sind aber nur ein kleiner Teil der über zwei Millionen Ausländer, die im Land wohnen.

Aus welchem Land die Menschen in die Region kommen und in welches sie wieder zurück gehen, hat sich über die vergangenen Jahre immer wieder geändert. Auch im Landkreis Konstanz:

Die Veränderungen spiegeln die Geschehnisse der jeweiligen Jahre wieder. Nach seinem EU-Beitritt 2011 steigt die Zahl der Rumänen im Landkreis. Im Jahr 2016, ein Jahr nach Ausbruch des Krieges wird Syrien zum viert häufigsten Herkunftsland. 2022 erscheint die Ukraine in der Grafik und landet mit 4880 Staatsangehörigen auf Platz zwei.

Weniger Ukrainer als in anderen Regionen

Platz zwei ist weit vorne, aber in anderen Regionen im Norden und der Mitte Deutschlands liegt die Ukraine auf Platz eins. „Die meisten Ukrainer gehen in die grenznahen Regionen und die großen Städte. Da haben sie oft schon Kontakte. Baden-Württemberg war traditionell kein wichtiges Einwanderungsziel für Menschen aus der Ukraine“, erklärt Claudia Diehl, Co-Sprecherin des Excellenz-Cluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz. Es seien etwas weniger Ukrainer nach Baden-Württemberg gekommen als in andere Bundesländer.

In Baden-Württemberg dominieren vor allem die türkischen und rumänischen Nationalitäten. So auch im Bodenseekreis:

Im Landkreis Sigmaringen sind die Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft ebenfalls die größte Migrantengruppe, im Schwarzwald-Baar-Kreis ist Rumänien auf Platz eins.

In den südlichsten Landkreisen steht allerdings ein anderes Land ganz vorne: Italien. Am deutlichsten vorne liegt Italien im Kreis Waldshut:

Auch in den Landkreisen Konstanz und Lörrach ist Italien auf Platz eins.

Viele Menschen aus Italien kamen als Gastarbeiter in unserer Region und sind geblieben. „In den 50ern und 60ern wurden Einwanderer aus Italien teilweise beschimpft und kamen den Deutschen fremd vor“, sagt Claudia Diehl. Inzwischen lebe schon die dritte Einwanderergeneration hier und werde nicht mehr als fremd wahrgenommen.

Gastarbeiterzeit prägte unsere Gesellschaft

Die 50er-, 60er- und 70er-Jahre, die Zeit der Gastarbeiter, beschreit Diehl als die prägendste Zuwanderungswelle der Gesellschaft in Baden-Württemberg. Neben vielen Italienern kamen damals auch viele Menschen aus der Türkei nach Baden-Württemberg und in unsere Region. „Vieles an der Diversität unserer Gesellschaft, die wir heute sehen, hat mir dieser Zeit zu tun. Allein schon wenn man die Restaurants und Eisdielen betrachtet.“

Noch nie kamen so viele Zuwanderer wie jetzt

Während die Gastarbeiterzeit laut Diehl bis jetzt die prägendste Zuwanderungswelle in Baden-Württemberg war, ist die aktuelle Welle die größte. Ob nach der Phase auch wieder eine Abwanderungsphase folgt, hängt auch an der Länge des Krieges in der Ukraine. Denn je länger Menschen in einem neuen Land sind, desto wahrscheinlicher bleiben sie auch. Aber wenn der Krieg in der Ukraine bald vorbei wäre, müssten wir laut Diehl damit rechnen, dass viele Menschen wieder dorthin zurückkehren.

Ob die Gesellschaft mit den vielen neuen zugewanderten Menschen zurechtkommt, liegt nicht unbedingt an der entsprechend hohen Anzahl der Menschen. „Es gibt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Zahl der Zugewanderten in einer Region und ihrer Wahrnehmung als Problem“, sagt Diehl. „Ein wichtiger Faktor für Offenheit gegenüber Einwanderung, sind Kontakte zu Ausländern oder Migrantinnen und Migranten.“