Vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Ravensburg ging am Mittwoch der Prozess gegen drei Männer zu Ende, die sich der Schleusung schuldig bekannt hatten. Zwischen allen Beteiligten war eine Verfahrensabsprache getroffen worden. Das verkürzte den Prozess von zehn auf nur drei Verhandlungstage und ergab mildere Strafen.

An Tag drei fielen die Urteile gegen die geständigen Männer im Alter von 54, 37 und 42 Jahren, die in Deutschland leben. Letzterer wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die anderen kamen wegen ihrer untergeordneten Rolle mit Freiheitsstrafen auf Bewährung davon. Der 54-Jährige muss zudem eine Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro zahlen. Dem 37-Jährigen wurden angesichts seiner Lage – arbeitslos und drei minderjährige Kinder – zusätzlich 360 Arbeitsstunden auferlegt.

Teil einer internationalen Bande

Die Staatsanwaltschaft hatte den Männern vorgeworfen, als Teil einer internationalen Schleuser-Bande in 18 Fällen gewerbs- und bandenmäßig Menschen nach Deutschland gebracht zu haben. Konkret war die Rede von illegalen Einreisen aus der Türkei, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Österreich und der Schweiz seit mindestens September 2022 gewesen. Die zu schleusenden Personen hatten zu diesem Zweck gegen Geldzahlungen gefälschte Dokumente und Tickets für Flüge sowie Bahn- oder Busreisen erhalten.

Der 42-Jährige war nach Überzeugung des Gerichts nicht als Kopf, aber als Organisator tätig gewesen, die 54 und 37 Jahre alten Verurteilten als Fahrer. Die finalen Preise für die Schleusungen waren nicht einwandfrei nachweisbar: Während sich die Angeklagten zurückhaltend gaben, berichtete der Staatsanwalt etwa von einer Familie, die ihr komplettes Hab und Gut verkauft und 33.000 Euro bezahlt hatte. Dieses Geld war wohl in der Organisation verteilt worden.

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Dank an Person namens Hakan

Umfassend legten zwei Beamtinnen und ein Beamter der Bundespolizei vor dem Landgericht dar, wie teils auf internationaler Ebene ermittelt worden war. Auch verdeckte Ermittler waren aktiv geworden, um den türkischstämmigen Männern auf die Schliche zu kommen. Unter anderem Mobilfunkdaten, bei Durchsuchungen beschlagnahmte Smartphones, Fotos, Videos, Nachrichten, Routenvorschläge für Fahrer, Dokumente und Geldtransferierungen dienten als Beweise und ließen Rückschlüsse auf die Verbindung zwischen den Männern zu. Ein Beispiel: Bei dem 42-Jährigen war ein Smartphone gefunden worden, auf dem die Nutzerkonten einem Hakan Baran zuzuschreiben sind. In Videos, die vor Gericht gezeigt wurden, danken geschleuste Menschen einer Person namens Hakan.

Richter Veiko Böhm betonte: „Wir haben es mit äußerst schwierigen und aufwändigen Verfahren zu tun. Das kommt nicht tagtäglich bei den großen Kammern vor.“ Selbst gelöschte Dateien waren wieder hergestellt worden. Böhm sprach von einem Puzzlespiel, bei dem erst mal nicht klar gewesen sei, wer wie an den Straftaten beteiligt gewesen sei. Ferner geht der Richter davon aus, dass man den Männern ein Vielfaches an Taten hätte nachweisen können. „Wir sehen sehr wohl, dass all das Potenzial geboten hätte, um über Monate zu verhandeln.“

Richter sieht Fluchtgefahr

Der 42-jährige Beteiligte sitzt seit knapp acht Monaten in Untersuchungshaft. Vor Gericht bat er unter Tränen um Entschuldigung und sagte: „Mit war gar nicht bewusst, dass ich so etwas Großes mache.“ Ferner klagte er über die Trennung von seiner Familie. Eines seiner Kinder sei schwer erkrankt. Sein Verteidiger appellierte, den Haftbefehl aufzuheben. Dem kam der Richter nicht nach: „Jemand, der so mobil ist, und über eine Quelle verfügt, sich und seiner Familie gefälschte Ausweise zu verschaffen, bei dem besteht Fluchtgefahr.“ Und: „Die Trennung ist so schlimm? Sind Sie dann der, der sich freiwillig (Anmerkung: zur Haftstrafe) stellt?“ Böhm riet dem Mann, zu überlegen, wie sein Familienleben nach der Haft aussehen kann. „Es wird nicht in Deutschland sein“, sagte Böhm. Den Täter erwartet aufgrund der Strafe die Abschiebung.

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Dem 54- und 37-Jährigen gab der Richter mit auf den Weg: „Ich hoffe, es war Ihnen ein Warnschuss. Sie sehen, wie akribisch die Polizei in Deutschland ermittelt.“ Sollten sie sich nicht an ihre Bewährungsauflagen halten, drohen den Männern Haftstrafen. „Sie riskieren, bürgerliche Verhältnisse zu verlieren. Das macht keine unlautere Geldquelle wett“, kommentierte Böhm. Zumindest der Ältere von beiden versprach: „Im Gerichtssaal sieht mich keiner mehr. Ich werde so etwas nie mehr machen. Es ist mir eine Lehre.“ Der 37-Jährige murmelte lediglich: „Ich schließe mich an.“ Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig. Die Männer haben eine Woche Zeit, um Revision einzulegen.