Mit Schwarz-Weiß-Bildern des früheren bäuerlichen Daisendorfs hat Thomas Hirthe die Gäste im Daisendorfer Rathaus auf den Abend eingestimmt – und auf seine Ideen zur Neugestaltung der Dorfmitte. Denn der Friedrichshafener Stadtplaner war gemeinsam mit dem Überlinger Landschaftsplanungsbüro 365 Grad von der Gemeinde beauftragt worden, ein Konzept für den Ortskern zu entwickeln, das in einem Bebauungsplan münden soll.
Kritik an „lieblosen Betonklötzen“ in der Dorfmitte
Anhand von Hirthes selbst geschnitztem Modell zeigt etwa eine Anwohnerin, die selbst in einem renovierten Bauernhaus lebt, wo solche allein in den vergangenen zehn Jahren überall verschwunden und durch „lieblose Betonklötze“ ersetzt worden sind. Dieser Tage werde ein Haus in der Nähe zwangsversteigert. „Wer weiß, was dann da hinkommt.“ Doch hier kann Hirthe Entwarnung geben. Durch den bereits erfolgten Aufstellungsbeschluss – die erste Stufe jedes Bebauungsplanverfahrens – könne man jederzeit eine Veränderungssperre erlassen. Sprich, größere Veränderungen sind in Daisendorfs Ortsmitte nun gar nicht mehr möglich.
Das sind die Ideen für die Zukunft
Und wie sehen die Ideen für deren Zukunft jetzt aus? Typisch für den einst bäuerlichen Ort seien lange, schwere Gebäude, sagt Hirthe, die zum Beispiel an der zentralen Ortsstraße im Süden traufständig, im Norden giebelständig angeordnet seien. Dieses mittlerweile recht verwässerte Bild wolle man versuchen wieder herzustellen, indem man zum Beispiel künftig längliche Baukörper vorgebe, Satteldächer, Trauf- oder Firsthöhen. So könne wieder eine „dörfliche Struktur“ entstehen, mit Häusern, die „sich ganz selbstverständlich im Ort präsentieren“, etwa durch stolze Giebel oder lange Traufkanten. Bei der Gestaltung im Kleinen dagegen, etwa Balkone oder Anbauten, sollte es Freiheiten geben. „Die frühere Miste ist heute eben der Carport.“
Mehr Mut zum Grün im Ort
Christian Seng von 365 Grad ergänzte die Grünplanung. Vieles in der Ortsmitte sei heute stark versiegelt, es brauche mehr Mut zum Grün. Etwa zu Stauden und Sträuchern am Wegesrand, aber auch „zu großen Bäumen, die eben auch mal Laub abwerfen“. Und auch der verdolte Ehbach könne vom Rathaus entlang der Ortsstraße wieder ans Licht geholt werden – ähnlich wie in Frickingens Kirchstraße.
Und an letzterem Vorschlag erhitzte sich dann auch gleich die Diskussion unter den rund 35 anwesenden Daisendorfern. Einer prophezeite in den Bach rutschende Kurierfahrer und verstauchte Knöchel, ein anderer legte dar, dass „da überhaupt kein Wasser herzubekommen“ oder die Offenlegung ökologisch fragwürdig sei. „50 Jahre lang gab es keine Grenzen, warum jetzt plötzlich?“, schallte es durch den Raum. Und: „Wer soll das eigentlich bezahlen?“
Bürger wünschen sich einen lebendigen Ortskern
Als die lauten Stimmen verstummten, erinnerte Bürgermeisterin Jacqueline Alberti daran, dass der Wunsch, das unkontrollierte Bauen zu stoppen und die Ortsmitte wieder lebendiger zu machen, ja von den Bürgern selbst gekommen sei. Davon zeugen die im Rathaus ausgestellten Ideen der Bürgerwerkstatt aus dem Frühjahr – von Begegnungsorten bis zur „Skybar auf dem Rathausdach“.
Und als Alberti „keine Fragen mehr zum Bach“ annehmen wollte, der ja ohnehin nur eine Idee sei, meldete sich ein Anwohner, der sich über den Entwurf „sehr freut“. Denn es gelte, „Bausünden wie am Silberberg künftig zu verhindern“. Daher hoffe er, „dass daraus nun schnell ein Bebauungsplan wird“.

Viele Gemeinderäte sind befangen
Dazu werden die Pläne in naher Zukunft vermutlich ausgiebig im Gemeinderat diskutiert werden – wobei in diesem Fall sechs von zehn Daisendorfer Gemeinderäten befangen sind, da sie selbst oder Angehörige im Ortskern wohnen. Anschließend entsteht ein Entwurf: Vorgaben werden festgezurrt und für die einzelnen Grundstücke Baufenster festgelegt, die Anwohner erhalten Gelegenheit zu Einwendungen. Nach deren Abwägung wird das Werk beschlossen.
Und wie lange könnte dies dauern? „Das kann durchaus in einem Jahr oder schneller passiert sein“, sagt Stadtplaner Hirte, der reichlich Erfahrung mit derlei Projekten hat. „Kann denn meine Tochter dann noch auf unserem großen Grundstück bauen?“, fragt eine Anwohnerin. Natürlich, sagt Hirthe, aber eben nur nach den dann gültigen Vorgaben. Denn auch Nachverdichtung gehört bei gleichzeitiger Begrünung zum Konzept für die Ortsmitte.
Veränderung könnte Jahrzehnte dauern
Bis deren städtebaulicher Charakter sich wieder einer lebendigen dörflichen Struktur annähert, könnte es allerdings Jahrzehnte dauern. Denn der Bebauungsplan wird ja nur wirksam bei Neu- oder größeren Umbauten. Kleinere Maßnahmen dagegen, etwa zur Begrünung oder Verkehrsberuhigung, könnte man durchaus schnell angehen.