Die Camphill-Dorfgemeinschaft Lehenhof im Deggenhausertal ist von einem Corona-Ausbruch betroffen. 53 der rund 350 Bewohner und Mitarbeiter seien im Zuge der vergangenen Woche positiv getestet worden, bestätigen Johannes K. Harms, Geschäftsführer der Werkstätten und Mitglied des Vorstands der Camphill-Einrichtung Lehenhof, und Stefan Siegel-Holz, Heimleiter und Mitglied des Vorstands der Camphill-Einrichtung Lehenhof, auf Anfrage des SÜDKURIER. Kritische Krankheitsverläufe habe es bislang zum Glück keine gegeben, es habe niemand hospitalisiert werden müssen. Dennoch gebe es die typischen mittelschweren Krankheitsverläufe, aber auch – vor allem bei Kindern – symptomfreie Infektionen.
Der Ausbruch begann vor zwei Wochen
Der Ausbruch habe ungefähr vor zwei Wochen begonnen und habe den Lehenhof „überraschend“ getroffen, so Siegel-Holz. Knapp 70 Prozent aller Menschen, die am Lehenhof wohnen oder arbeiten, seien vollständig geimpft. Es gebe aber auch Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Getestet werde immer schon regelmäßig und intensiv. Unter den aktuell Infizierten seien aber 50 Prozent komplett immunisiert, so Harms: „Das Thema Impfdurchbrüche ist bei uns sehr akut gewesen.“ Überraschend sei der Ausbruch auch deswegen gewesen, weil man erst vor wenigen Monaten eine größere Impfaktion des Landkreises in der Einrichtung gehabt habe. Harms spricht von „einer sehr dynamischen Entwicklung“.

Nach Bekanntwerden der ersten Fälle, die in der Folge rasch zugenommen hätten, habe man unverzüglich reagiert. So seien noch in der vergangenen Woche alle Werkstätten der Einrichtung geschlossen worden. Dort treffen sich die Bewohner aus den verschiedenen Hausgemeinschaften, um gemeinsam zu arbeiten, bei einfachen handwerklichen Tätigkeiten, aber etwa auch in der Gärtnerei oder der Bäckerei. Seither, so Harms, seien die Heimbewohner ihren Werkstattarbeiten in ihren Hausgemeinschaften nachgegangen.

Inzwischen, so Siegel-Holz, deute die Entwicklung darauf hin, dass das unmittelbare Ausbruchsgeschehen wieder am Abklingen sei, Infektionsfälle in weiteren Häusern seien seit einer Woche nicht mehr aufgetreten. Die infizierten Personen und auch ihre Kontaktpersonen seien noch in Quarantäne. „Wir sind in ständigem Austausch mit den Gesundheitsbehörden und arbeiten eng mit ihnen zusammen“, betont Siegel-Holz.
Der Lehenhof hat auch einen eigenen medizinischen Dienst. Der sei in etwa vergleichbar mit einer Hausarztpraxis und stünde nicht nur den Bewohnern, sondern auch externen Personen offen. „Wir sind sehr dankbar, dass wir in dieser Situation einen so gut funktionierenden medizinischen Dienst hatten“, sagt Siegel-Holz.
Keine Durchmischung von Hausgemeinschaften mehr
Inzwischen sind die Werkstätten auf dem Lehenhof seit Montag zwar wieder geöffnet. Doch nun soll sichergestellt werden, dass es keine Durchmischung der Hausgemeinschaften in den Werkstätten mehr gibt. Deswegen, so Harms, seien die einzelnen Hausgemeinschaften nun getrennt in den Werkstätten. „Eine logistische, aber auch betreuerische Herausforderung“, wie der Lehenhof-Geschäftsführer bekennt.

Denn viele der Bewohner sind auf eine intensive Betreuung angewiesen und auch die soziale Komponente – das gewohnte Miteinander und die gewohnten täglichen Abläufe – spiele im Leben auf dem Lehenhof eine große Rolle. Dies nun neu zu justieren, sei eine anspruchsvolle Aufgabe, so Harms.
Auf dem Lehenhof gilt die 3G-Regel
Nach dem Ende des Sommers, der auch auf dem Lehenhof wie überall im Zeichen von Lockerungen stand, habe man die 3G-Regel eingeführt, als das Infektionsgeschehen allgemein wieder angezogen habe. Damit sei man bislang auch gut gefahren. „Bis in den Oktober“, sagt Siegel-Holz. Beide Lehenhof-Verantwortlichen verweisen auch darauf, dass der Zeitraum zwischen einer Infektion und ihrem Nachweis durch ein positives Testergebnis mitunter mehrere Tage betrage, es also immer eine zeitliche Pufferzone gebe, in der eine Covid-Erkrankung unerkannt weitergegeben werden könne. Auch aus diesem Grund will man auf dem Lehenhof die Trennung der Hausgemeinschaften noch bis mindestens zum Jahresende beibehalten. „Eventuell auch darüber hinaus“, sagt Harms. Einen neuerlichen Ausbruch wolle man unter allen Umständen verhindern.
Sollte sich das Geschehen in der Camphill-Dorfgemeinschaft dieser Tage nicht noch einmal umkehren, rechne man damit, das Schlimmste überstanden zu haben. „Die momentane Lage deutet darauf hin, dass wir den Höhepunkt überschritten haben“, sagt Siegel-Holz. Aktuell werde jedenfalls so viel und so oft wie möglich getestet – auch dies sei dank des heimeigenen medizinischen Dienstes möglich.
„Wenn wir sehen, dass die Dynamik gebrochen ist, dann wollen wir auch dafür sorgen, dass die Nichtinfizierten wieder in ihr Arbeitsleben einsteigen können“, blickt Harms voraus. Dabei dürften sie dann aber in keine anderen persönlichen Kontakte außerhalb ihrer eigenen Hausgemeinschaft mehr kommen. „Deswegen bleiben die Werkstätten nun auch bis auf weiteres hausgebunden“, so Harms.