Wer es erlebt hat, fährt langsam oder meidet bewaldete Straßen bei Dunkelheit am besten gleich ganz. Gerade im Herbst und Winter kommt es wieder vermehrt zu Wildunfällen. Alleine im Bereich Markdorf und Deggenhausertal verzeichnete das Polizeipräsidium Ravensburg im vergangenen Jahr über 70 Wildunfälle. Die Mehrzahl davon im Deggenhausertal. Eine ähnlich hohe Zahl an Dachsen, Wildschweinen, Füchsen und auch Feldhasen verenden ebenfalls auf den Straßen, sagt Jagdpächter Hubert Haag aus Azenweiler im Deggenhausertal. Er stellt für das so genannte Fallwild, das im Straßenverkehr zu Tode kommt, Unfallprotokolle zur Vorlage für die Versicherungen aus.
In der Dämmerung ist die Gefahr am größten
Die meisten Wildunfälle ereignen sich, wenn die Tiere in der Dämmerung ihre geschützten „Einstände“ im Wald verlassen und vom Wald aufs Feld oder zurück vom Feld in den Wald wechseln. Am Morgen dauert diese Zeit in den Wintermonaten, besonders nach der Zeitumstellung, länger und am Abend beginnt sie früher als sonst, gibt Haag zu bedenken. Die Aktivität der Wildtiere fällt mit dem Pendelverkehr zusammen und die Wahrscheinlichkeit eines Wildunfalls steigt. „Denn, wenn das Wild auf Futtersuche geht, macht es vor vielbefahrenen Straßen keinen Halt“, sagt Hubert Haag.
Ein Reh kommt meistens nicht alleine
Hinzu kommt, dass ein Reh meistens nicht alleine ist. Ein ganzes Rudel kann folgen. Auch die Kitze, die im Mai und Juni geboren wurden, leben noch bei der Geiß. „Wenn eines davon über die Straße wechselt, muss man also sofort damit rechnen, dass noch andere nachkommen“, warnt der erfahrene Jäger. Gleichermaßen gefährlich sei nur die Brunftzeit, „die heiße Zeit im Juli und August, wenn das Rehwild auch tagsüber in Bewegung ist und Böcke zu jeder Tageszeit über Reviergrenzen wechseln“, so Haag.

Wer ein Reh in der Nähe der Fahrbahn oder gar auf der Straße wahrnimmt, sollte also „auf keinen Fall Gas geben nach dem Motto ‚ich komm noch vorbei‘, sondern bremsen, draufhalten, nicht ausweichen oder gar die Spur wechseln“, rät Haag. Sonst könne ein größerer Unfall passieren, etwa, wenn ein Auto entgegenkomme. Da das Wild häufig im Lichtkegel des Fernlichtes stehen bleibt und geblendet wird, helfe auch Abblenden und ein kurzes Hupen, dass das Tier weglaufe. Eine Garantie sei das aber nicht, dass es nicht doch die Straße überquere, mahnt Jäger Haag: „Die Schilder am Straßenrand hängen nicht umsonst. Vorsicht ist und bleibt geboten“, fügt er hinzu.
Auch Drückjagden treiben die Wildtiere über die Straßen
Gerade jetzt, wo die Drückjagden für die Wildschweine wieder begonnen haben, werde bis Februar auch tagsüber gejagt. Umso intensiver, da die afrikanische Schweinpest drohe. „Wir stellen Schilder auf. Doch die Autofahrer fahren, als ob da nichts wäre, geradezu kriminell.“ Dabei sei doch klar: Achtung, da wechselt ganz sicher Wild auch tagsüber die Fahrbahn. Nicht nur das Wild sei so in Gefahr, vor allem auch die Autofahrer selbst und schließlich auch die Jagdhunde, die ebenfalls die Fahrbahnen querten, gibt Haag zu bedenken.
Auch Karl-Heinz Weber, Vorsitzender des Auto-Club Europa (ACE) für den Bodenseekreis, warnt Verkehrsteilnehmende, Warnschilder und andere Hinweise auf Wildtiere nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und diese eindringlich zu beachten. Gerade in der Bodenseeregion mit ihrer starken Bewaldung, vielen Wiesen und Obstplantagen sei Vorsicht geboten. „Auch sichtbare Hochsitze sind Anzeichen dafür, dass das Gebiet vermehrt von Wildtieren besiedelt ist, die jederzeit die Fahrbahn überqueren können.“ Je geringer die Geschwindigkeit, umso höher sei darüber hinaus die Chance, dass man noch rechtzeitig anhalten könne. Bei Dämmerung müssten Autofahrer eine Vollbremsung jederzeit in Betracht ziehen. Deshalb sollten auch nachfolgende Fahrzeuge immer einen guten Abstand halten, gibt Weber zu bedenken. Denn zum einen stellten matschige Herbstblätter auf nasser Fahrbahn ebenfalls eine Unfallgefahr dar, ferner könnten sie bei Wildwechsel den Bremsweg deutlich verlängern.
Wildschäden müssen immer gemeldet werden
Doch was ist zu tun, wenn es tatsächlich passiert und etwa ein Reh ins Auto gerannt ist? Sobald es Kontakt mit dem Auto gab, muss ein Wildschaden umgehend gemeldet werden. Alternativ entweder beim Jäger, bei der Gemeinde oder bei der Polizei. Denn zum einen bezahlt die Versicherung den Schaden am Auto in der Regel nur dann, wenn er von einem Jagdpächter durch eine entsprechende Wildunfallbescheinigung bestätigt wurde. Außerdem verstößt man gegen das Tierschutzgesetz, wenn man eine Kollision, so unbedeutend sie nach eigenem Ermessen auch war, nicht meldet. „Ist das Tier auch nur leicht angefahren, hat es sich möglicherweise wenige Meter entfernt und liegt irgendwo im Feld, wo wir es nicht sehen. Es würde jämmerlich verenden“, erklärt Jäger Haag. Mit einem speziell dafür ausgebildeten Jagdhund wird ein solches Tier „nachgesucht“, damit es keine längere Leidenszeit hat und der Jäger es erlösen kann.
Dabei müsse niemand Sorge haben, dass er eine Straftat begangen und sich nicht richtig verhalten habe, weiß Jäger Haag aus eigener Erfahrung: „Es gibt Situationen, die sind nicht verhinderbar. Mir ist es selber schon passiert, dass ich es nicht mehr verbremsen konnte. Steht das Reh plötzlich da, gibt es keine Reaktionszeit mehr“. Hat man bei einem Wildunfall aber einen Leitpfosten angefahren, handelt es sich um Sachbeschädigung. Dann muss die Polizei dazu geholt werden. Sonst wäre das Fahrerflucht und damit tatsächlich eine Straftat, ergänzt Sven Hübschen, der ACE-Regionalbeauftragte für Baden-Württemberg Süd.