In den letzten 25 Jahren hat die kleine Obstbaugemeinde Frickingen eine große Verwandlung durchgemacht: Ab dem Jahr 2000 entwickelte sich in der Gemeinde eine zentrale Ortsmitte um einen alten Kastanienbaum herum. Kurz hintereinander entstanden ein Rathausneubau und ein Museum mit Multifunktionsräumen. Im Zuge dessen bekam auch die angrenzende Kirchstraße mit einem offen fließenden Bächle ein neues Gesicht.

In der Festschrift zum 50 Gemeindejubiläum nach der Gemeindereform ist der damalige Bürgermeister Joachim Böttinger mit einem Modell des ...
In der Festschrift zum 50 Gemeindejubiläum nach der Gemeindereform ist der damalige Bürgermeister Joachim Böttinger mit einem Modell des Rathausneubaus abgebildet-der vonden Stuttgarter Architekten Glück und Partner geplant und umgesetzt wurde. | Bild: Martina Wolters

Das Museumsgebäude hinter Rathaus und Kastanie ist im Kern das älteste des Ensembles. Der sogenannte Petershauser Hof stammt ursprünglich aus dem Jahr 1591. Er wurde vor 23 Jahren denkmalgerecht saniert und neuem Nutzen zugeführt. Zu einem Rundgang durch das Bodensee-Obstmuseum hat Kulturamtsleiterin Birgit Bergmüller den früheren Gemeinderat Michael Baader dazu geholt. Im Gespräch wird schnell klar, warum: Baader ist in dem Baudenkmal aufgewachsen. “Karl Allweier war mein Großvater“, sagt Baader mit Blick auf den früheren Ratsschreiber, der im Jahr 1899 Haus, Stall und Scheune des Hofes für seine Familie erworben hatte.

Von Baader 1991 an Gemeinde verkauft

Über 90 Jahre blieb das damals sogenannte „Allweier-Haus“ im Familienbesitz, bis Baader es 1991 an die Gemeinde verkaufte. Die Hofanlage sei schlecht zugeschnitten und zu bewirtschaften gewesen. Die Stimmen im Dorf seien damals geteilt gewesen. „Einige meinten, das Klumpp müsste abgerissen werden“, berichtet Baader. Andere Dörfler wie Bruno Schellhorn und Markus Allweier hätten das Gehöft kurzerhand gestrichen, damit es etwas gleich sehe zur 900 Jahr Feier-Frickingens drei Jahre nach dem Verkauf.

Da, wo jetzt ein Bodenseeobstmuseum ist, haben früher die Kühe ihr Futter bekommen, weiß Obstbauer Michael Baader und zeigt die ...
Da, wo jetzt ein Bodenseeobstmuseum ist, haben früher die Kühe ihr Futter bekommen, weiß Obstbauer Michael Baader und zeigt die Futterraufen an den Museumswänden. | Bild: Martina Wolters

Der Gemeinderat hat sich gemäß Baader dann zusammen mit dem Kulturkreis Oberes Aachtal daran gemacht, ein Nutzungskonzept für die denkmalgeschützte Hofstelle zu erarbeiten. Statt eines Heimatmuseums, wie es sie in vielen Gemeinden schon gibt, hätten die Frickinger nach einem Alleinstellungsmerkmal gesucht und mit dem Obstbaumuseum ein passendes gefunden. „Ich glaube, es ist gut angekommen und stimmig“, sagt der ehemalige Besitzer des Petershauser Hofs über dessen Sanierung und Umbau zu dem heutigen Multifunktionsbau. Darin finden sich Kindergartenräume im Erdgeschoss. Vereine und Familientreff kamen im Obergeschoss unter. Stall und Tenne wurden zum heutigen Bodenseeobstmuseum. Im Juli 2004 öffnete es erstmals seine Türen und wurde parallel zum Erhalt des Prädikats „Erholungsort“ mit einem Festakt eingeweiht.

In Führungen Geschichte erleben

„Das Museum ist wirklich ein Kleinod, das viel Aufmerksamkeit verdient“, unterstreicht Frickingens Kulturamtsleiterin. Der renommierte Museumsberater Frank Lang hat ihr zufolge das interaktive Museumskonzept erarbeitet. Bei einer rund einstündigen Führung wird den Besuchern die Geschichte des Obstbaus nähergebracht.

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Baader als Obstbauer ist einer von fünf Museumsführern. Sehr gerne führt er interessierte Gäste durch seinen früheren Heimathof, der über die Jahrhunderte sowohl Eigentum des Konstanzer Klosters Petershausen war, als auch dem Überlinger Spital gehört hat. “Ich finde es toll, dass der Charakter des Hauses erhalten geblieben ist“, sagt Baader und zeigt als Beispiel die gut erhaltenen Futterraufen entlang der Museumswände. Uralte Arbeitsgeräte zur Obsternte und zum Weiterverarbeiten der Früchte können hautnah erlebt werden. In einem Film finden Museumsgäste Wissenswertes zur Obstbaugeschichte. Kindern wird das „Geheimnis guter Äpfel“ über den lustigen Raben „Apfel Krabb“ nähergebracht. “Besonders die interaktiven Stationen und die Schätzaufgaben gefallen den Kindern“, weiß Bergmüller.

Heute ist der Platz um die Kastanie mit dem neuen Rathaus (links) und dem Bodenseeobstmuseum im Petershauser Hof (hinten) ein gern ...
Heute ist der Platz um die Kastanie mit dem neuen Rathaus (links) und dem Bodenseeobstmuseum im Petershauser Hof (hinten) ein gern genutzter Dorfmittelpunkt für Konzerte, Feste oder zur Fasnacht. | Bild: Martina Wolters

Der Platz zwischen Museumsbau und dem im Jahr 2000 eingeweihten Rathausneubau gehört fest zum gemeindlichen Veranstaltungsprogramm. Hier finden Feste und Konzerte „unter der Kastanie“ statt. Das Rathaus signalisiert laut Internetauftritt der Stuttgarter Architekten Glück und Partner „die Offenheit des Bauherrn für die Anliegen der Bürger. Die Arbeit von Verwaltung und Gemeinderat im gläsernen Rathaus rückt ins Zentrum des Dorflebens.“

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Für den dreigeschossigen Rathausbau gab es mehrere Auszeichnungen zum Beispiel für beispielhaftes Bauen im Bodenseekreis oder den Holzbaupreis Baden-Württemberg. Das ebenso ausgezeichnete Seniorenzentrum gegenüber dem Rathaus geht ebenso auf das Konto der Stuttgarter. Als es darum ging eine neue Grundschule zu planen, stimmte der Gemeinderat kurz und bündig dafür, wieder mit dem Stuttgarter Planungsbüro zusammenzuarbeiten. Die neue Schule soll ebenfalls in Holzbauweise entstehen. Die mit rund 3000 Einwohnern eher kleine Obstbaugemeinde hat sich also im letzten Vierteljahrhundert stark modernisiert und nachhaltig aufgestellt.